Jonathan Lethem

Der Garten der Dissidenten

Cover: Der Garten der Dissidenten
Tropen Verlag, Stuttgart 2014
ISBN 9783608501162
Gebunden, 476 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach. Wegen der Affäre mit einem schwarzen Polizisten wird Rose Zimmer aus der kommunistischen Partei Amerikas ausgeschlossen. Zuvor war bereits ihr deutsch-jüdischer Ehemann Albert als Spion in die DDR verbannt worden. Dennoch hält die "Rote Königin" von Queens stur und tyrannisch an ihren politischen Überzeugungen fest. Ihre Tochter Miriam kann vor Roses erdrückendem Einfluss nur in die aufkommende New-Age-Bewegung fliehen. Miriams Sohn wächst dagegen in einer Welt auf, in der gesellschaftliche Ideale bloß noch belächelt werden. Und doch kämpfen all diese unvollkommenen Menschen darum, ihre utopischen Träume in einem Amerika zu verwirklichen, in dem jedem radikalen Lebensentwurf mit Hass oder Gleichgültigkeit begegnet wird.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.03.2014

Für einen "Wurf" hält Rezensent Michael Schmitt diesen Roman von Jonathan Lethem und reiht ihn ein in dessen große New-York-Porträts wie "Motherless Brooklyn" und Festung der Einsamkeit". Verankert in Queens und mit Anleihen an Lethems eigene Familie, erzählt dieser Roman eine Geschichte von Utopie und enttäuschten Hoffnungen, erklärt Schmitt: Was, wenn sich Menschen aus Enttäuschung verhärten? Kann es ohne Liebe und persönlicher Freiheit vernünftige Ideale geben? Lethem erzählt die Geschichte einer Kommunistin, die wegen ihrer Liebe zu einem schwarzen Polizisten aus der Partei ausgeschlossen wird, sich mit ihrer Hippie-Tochter überwirft und nicht einmal mit ihrem zartbesaiteten Pazifisten-Enkel klarkommt. Dabei ist diese Rose, der Schrecken der Familie, zugleich ein Ausbund an Lebensenergie und Engagement, also auch positives Zentrum. Sehr eindringlich findet Schmitt den Roman, der es in seinen Augen an die großen sozialkritischen Romane der amerikanischen Literatur anknüpft und über sie hinausgeht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.02.2014

Jonathan Lethem selbst hat Andreas Schäfer verraten, welche zwei Grundfragen seinen Roman "Der Garten der Dissidenten" ins Rollen gebracht haben: "Gibt es einen Kommunismus nach Stalin? Und: Gibt es eine Mutter nach der Ofen-Szene?", zitiert der Rezensent. Die Ofen-Szene, in der die orthodox-marxistische, jüdische Mutter erst ihren eigenen Kopf in den Gasofen steckt und dann den ihrer Tochter, markiert Bruch und Kontinuität zugleich, so Schäfer. Einerseits schreibt Lethem die Mutter in die anhaltende Geschichte des Nationalsozialismus ein, andererseits brechen hier die Generationen miteinander, ein Bruch allerdings, der seinerseits anhaltende Wirkung hat, erklärt der Rezensent. Auf einer konkreteren Ebene erzählt Lethem die Geschichte einer politisch bewegten Familie, deren Privatleben von der Politik usurpiert wird, fasst Schäfer zusammen. Und hinter dieser Ebene steckt viel Autobiografisches, verrät der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.02.2014

Nur eine Gesellschaft, in der die Menschen glücklich sind, wird auch eine freie sein, lernt Jens Balzer aus Jonathan Lethems neuen Roman, der Balzer zufolge auf sehr kluge Weise vom Ende der Utopien erzählt, vom ewigen Scheitern und dem trotzdem unbezwingbaren Willen, die Welt besser zu machen. Über mehrere Generationen erzählt der Roman von Rose, die 1955 aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wird, weil sie ein Verhältnis zu einem schwarzen Polizisten eingeht, von ihrem Ex-Mann, der in Leipzig Agent werden sollte, stattdessen aber linker Deutschnationaler wurde, von ihrer Tochter, die zusammen mit ihrem verkrachten Mann von einem Folksänger in die Esoterik abgleitet. Der glücklichste Mensch wird übrigens der Sohn des Polizisten, den Balzer uns liebevoll als "schwulen, schwarzen Schwabbelarsch" nahebringt. In rasantem Tempo, schwärmt der Rezensent, schlägt hier revolutionäres Handeln in Metaphysik um, diese wiederum in Revolte, und schließlich das Festhalten an falschen Ideen in Fantasie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.02.2014

Drei Generationen umspannt Lethems Familiensaga über das 20. Jahrhundert, berichtet Jörg Häntzschel in seiner Feature-Besprechung. Den Ausgangspunkt bildet ein jüdisches Einwanderer-Ehepaar, das am Aufbau des Kommunismus in Amerika mitwirken will; die Geschichte endet mit den Enkeln beim Occupy-Protest. Für "lesenswert" hält der Kritiker den Roman schon wegen der geschilderten Verbissenheit, mit der sich hier eine kommunistische Keimzelle an der gesellschaftlichen Zukunft abarbeitet, während ringsum alle sich am neuen Wohlstand nach dem Krieg und der aufblühenden Popkultur laben. Doch mit einem historischen Roman ist dieses Werk nicht zu verwechseln, meint der Rezensent: Lethem übt sich gerade nicht in demonstrativer Detailrecherche, er schreibt nicht mit der "Flüssigkeit des Wohlinformierten" und stattet seine Welt auch nicht mit Requisiten aus dem Theaterfundus aus. Denn: Das lange 20. Jahrhundert, so die These, die sich Häntzschel im Gespräch vom Autor bestätigen lässt, ist im Grunde noch gar nicht vergangen. So tastet sich der Autor hier eher im stockenden, dem Modus der Erinnerung nachempfundenen Erzählrhythmus durch seine Welt, als dass er sie dem offenen Licht aussetze. Und der Kritiker räumt gerne ein, dass er sich dem Tasten des Autors meist anschließt, auch wenn dabei manche Wiederholung seine Geduld zuweilen belaste.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.02.2014

Als Chronist des sich wandelnden New Yorks gilt Jonathan Lethem schon seit längerem, mit seinem neuen Roman ist er nun endgültig in die Liga von Philip Roth und Saul Bellow und deren Bücher über das jüdisch-amerikanische Leben vorgedrungen, freut sich Doris Akrap in ihrer sich an einem Interview mit dem Autor orientierenden Besprechung. Lethem, konstatiert die Kritikerin, durchmisst hier anhand dreier Familiengenerationen jüdischer Einwanderer und deren politischen Engagements geradezu rauschhaft die Geschichte des europäisch-amerikanischen 20. Jahrhunderts. En passant liefert er dabei auch die gesellschaftliche Basis New Yorks, schreibt sie weiter, "und die ist eben jüdisch, europäisch und revolutionär." Und berauscht ist auch die in Lethems Figuren völlig verliebte Rezensentin nach dieser Lektüre: Nicht so sehr der Plot ist es, der einen hier beflügelt, sondern die Sprachfantasie des Autors und die Komplexität seiner Figurenbetrachtungen.