Edward St. Aubyn

Schöne Verhältnisse

Roman
Cover: Schöne Verhältnisse
DuMont Verlag, Köln 2007
ISBN 9783832180126
Gebunden, 188 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Originaltitel lautet "Never Mind". Ein strahlender Septembermorgen in einer Villa in Südfrankreich: Der Hausherr ertränkt mit Hilfe des Gartenschlauchs ganze Ameisenvölker, seine alkoholsüchtige Frau versucht unbemerkt an ihren ersten Brandy zu gelangen, während der fünfjährige Sohn auf dem Brunnenrand mit seinem Leben spielt. Willkommen im Leben der Familie Melrose. Paare, Passanten geben sich bei ihnen die Klinke in die Hand, man ist amüsant, gebildet, witzig, stinkreich und unbeschreiblich herzlos. Der böse Zauberer im Zentrum dieses bunten Treibens ist der Aristokrat David. Trotz all des geistreichen Zynismus zeichnet sich eine Tragödie ab.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.11.2007

Den "kalten Schweiß der oberen Eintausend" sieht Rezensent Jens-Christian Rabe ein wenig schaudernd aus jeder Zeile dieses Romans aus dem Milieu der britischen Upperclass tropfen, in dem der Autor als Spross einer "maximal dysfunktionalen britischen Aristokratenfamilie" in den sechziger Jahren Rabes Eindruck zufolge auch eigene Erfahrungen verarbeitet hat. Speziell das beklemmende Vater-Sohn-Verhältnis und die "traurige Wucht", mit der St. Aubyn Erlittenes geschildert hat, lässt ihm immer wieder den Atem stocken. Was den Rezensenten besonders beeindruckt hat, ist der Erzählstil dieses Autors, der darin zum Ausdruck kommende "virtuose Wille zur kühlen Distanz", bei dem Edward St. Aubyn selbst noch bei "äußerster Trostlosigkeit" und Kaputtheit bleibt und so auf eine für Rabe erstaunliche Weise Kunst und Leben eng aneinander führt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2007

In seiner sehr ausführlichen Kritik von Edward St. Aubyns Debütroman, der im englischen Original bereits 1992 erschien, hält Jochen Schimmang mit seiner Begeisterung nicht hinter dem Berg. Der Autor spielt in der Welt des britischen Hochadels, wo sich fast sämtliche Protagonisten als Schweine entpuppen, erklärt der Rezensent. Hier wird gesoffen, snobistisch über die Mitwelt geurteilt, es wird der fünfjährige Sohn missbraucht oder Tablettenmissbrauch getrieben, so Schimmang, der weiß, dass das Buch in nicht geringem Maße auf autobiografischen Erlebnissen beruht. Dabei habe man es aber weder mit einer Schicksalsbeichte, noch mit einer satirischen Bestandsaufnahme des britischen Adels zu tun, betont der Rezensent. Vielmehr handelt es sich laut Klappentext bei "Schöne Verhältnisse", und hier stimmt Schimmang uneingeschränkt zu, um nichts weniger als "ganz große Literatur. Der Rezensent bewundert die präzise, geschliffene Sprache und die sorgsam komponierte Konstruktion und er stellt fest, dass trotz des spürbaren Bemühens St. Aubyns um den stets besten Ausdruck und die passende Satzkonstruktion, der Roman nie angestrengt wirkt. So kann die Adelshölle, die hier beschrieben wird und die von Ingo Herzke brillant ins Deutsche übersetzt worden ist, ihre bedrohliche und beklemmende Wirkung entfalten, wie Schimmang preist.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.04.2007

So "elegant" und stilistisch unterkühlt habe Edward St. Aubyn seinen ersten Roman geschrieben, dass der Leser hilflos dessen Schrecken ausgeliefert sei. Rezensentin Brigitte Neumann hat einen "vollendeten" Roman gelesen, in dem der Autor sein Kindheitstrauma in doppeltem Sinne verarbeite. Nachdrücklich weist sie darauf hin, dass es hier nicht um ein Bekenntnisromänchen, sondern um Literatur geht. Besonders erwähnenswert findet sie beispielsweise die wechselnde Erzählperspektive, mit der mal aus der Sicht des perfiden Familienpatriarchen, mal vom missbrauchten fünfjährigen Patrick aus oder auch durch die medikamentös betäubten Augen seiner masochistischen Mutter eine grausame Familiensaga erzählt werde. Garniert mit Serien "snobistischer Witze" eines vor Selbsthass "berstenden" Vaters. Mit "Schöne Verhältnisse" habe Edward St. Aubyn erzählen wollen, wie das Gift der Familie an ihn und die anderen Kinder verabreicht wurde, in den beiden Folgebänden einer Trilogie werde er berichten, wie das Gift wirke. Keine Frage, anerkennt die Rezensentin, das Gift wirke, aber nur dank einer gelungenen literarischen Inszenierung, die nur gelegentlich dazu neige, das Erzählte auch noch erklären zu wollen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2007

Mit fünfzehnjähriger Verzögerung erscheint der erste Band aus der Melrose-Trilogie des Briten Edward St Aubyn nun auch in Deutschland und insgesamt handelt es sich dabei um einen "äußerst lesenswerten Roman", befindet Ulrich Rüdenauer. Schon möglich, dass der "Appeal" des adeligen Autors (Opfer sexuellen Missbrauchs, Drogenkarriere, reich, schön, dandyhaft) zur Promotion des autobiographisch gefärbten Familienromans mit beigetragen habe, doch letztlich sei vor allem die Überführung des biographischen Materials in den "fiktionalen Raum" überzeugend gelungen. Unparteiisch, fast unterkühlt beschreibt St Aubyn die kaputten Verhältnisse einer Upper-Class Familie in den sechziger Jahren, die sich zur Sommerfrische nach Südfrankreich begeben hat. Neben schwarzem Humor allererster Güte, wie er besonders in den brillanten Dialogen zum Vorschein kommt, sind es die schnellen perspektivischen Wechsel von Figur zu Figur, die das scharfe Bild einer Oberfläche zeichnen, unter der die "Köpfe rollen".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.03.2007

Zur Durchdringung der Klassengesellschaft empfiehlt Ijoma Mangold englische Romane, wobei er mit dem stark autobiografisch geprägten Roman Edward St. Aubyns allerdings nicht wirklich glücklich ist. Der Autor stammt selbst aus dem höheren englischen Adel, wobei er offenbar derart fürchterliche Erfahrungen gemacht haben müsse, dass er sich gänzlich von dieser Welt abgewandt habe, glaubt der Rezensent. Sein Protagonist David ist ein zynisches Monstrum, der seine alkoholkranke Frau demütigt und seinen kleinen Sohn sexuell missbraucht, und das alles, um der Gewöhnlichkeit zu entgehen, erklärt Mangold. Hier liegt auch das Problem für den Rezensenten, denn er versteht eigentlich nicht, woraus sich die Bösartigkeit der Hauptfigur eigentlich speist, und er bemängelt, dass der Autor jegliche Herleitung aus der Geschichte der Figur verweigert. Dem Rezensenten gefällt zwar die elegante Kühle, die den Stil des Romans prägt, die Tendenz zur "unvermeidlichen Sottise" geht ihm jedoch ziemlich auf die Nerven. Vor allem aber prägt ein durchdringender Sarkasmus der Protagonisten das Buch, der nirgends plausibel gemacht wird, und so fragt sich Mangold dann auch etwas ungeduldig, warum die Figuren des Romans nicht "einfach einmal anders leben".
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