Thor Kunkel

Endstufe

Roman
Cover: Endstufe
Eichborn Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783821807539
Gebunden, 586 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

"Humanismus funktioniert nicht, weil der Mensch nicht human ist", ist die Devise von Karl Fußmann, einem ehrgeizigen Wissenschaftskarrieristen, dem es zu Beginn des Zweiten Welt-kriegs gelingt, im SS-Hygieneinstitut Berlin eine Anstellung zu finden. Dort soll er zur Unterstützung des deutschen Nordafrikafeldzugs ein Mittel gegen die Malaria erfinden. Über seinen Vorgesetzten Ferfried Graf Gessner, der - wie fast alle Angestellten des Instituts - seine Stellung skrupellos nutzt, um fernab der Front in die eigene Tasche zu wirtschaften, verschlägt es Fußmann in zwielichtige Kreise. Der Graf, von allen Ferri genannt, produziert nämlich mit seiner Firma "Sachsenwald Naturfilm GmbH" heimlich Pornos, die er in Schweden gegen kriegswichtiges Eisenerz tauscht und mit denen er in Nordafrika viel Geld zu machen hofft. Blonde Frauen sind dort besonders gefragt ...

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.04.2004

"Absolute Spitze", aber nur im Sinne von "ganz oben auf den Wellen des Zeitgeistes" ist Thor Kunkels Buch, urteilt Iris Radisch. Sprachlich mit "beiden Beinen im Untergeschoss" erzähle der Autor die Geschichte eines Forschers beim SS-Hygieneinstituts, der sich in die Sexfilmgeschäfte seiner Vorgesetzten verheddert. Auf vielen hundert Seiten "Fickgeschichten" derbsten Pornotons verbreite Kunkel die Botschaft, dass die Nazis keine Rassisten, sondern Avantgardisten der Seelenlosigkeit gewesen seien. Ein handfester "Skandal" sei also nicht die Sexfilmsprache, sondern vielmehr die "hohle Munterkeit", mit der der Autor den heutigen "Weltbild-Mix aus Zynismus und Gentechnologie" in die NS-Zeit zurücklege, findet die Rezensentin. Zwar sei man geneigt, Kunkel nach 600 Seiten zu glauben, was er seinen "unverwüstlichen" Deutschen in den Mund lege, dennoch bleibe das Buch eine Mischung aus "dauererigierter Männerfantasie" und "flott geschriebener Geschmacklosigkeit".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.04.2004

Christoph Schröder ist ziemlich entsetzt von Thor Kunkels umstrittenen, nun bei Eichborn erschienenen Roman "Endstufe" - doch nicht aus den Gründen, die zu den heftigen Auseinandersetzungen über die Legitimität des Romans geführt haben, sondern einfach, weil er das Buch ungeheuerlich schlecht findet. Und das gleich auf verschiedenen Ebenen - Schröders Meinung nach ist der Autor "seinem Stoff nicht im Mindesten gewachsen". Nicht nur findet er die Dialoge der Pornografie-begeisterten Nazis ungeheuer nervig, auch mangelt es dem Roman seiner Meinung nach an Struktur ebenso wie an Substanz. Letzteres mag auch damit zu tun haben, dass die Originalfassung des Autor gewaltig gekürzt wurde, doch da fragt Schröder gleich: "Wer hätte andererseits diesen Sermon über 1000 Seiten ertragen?". Und auch Kunkels Versuche, dem Roman einen theoretischen Überbau zu verpassen, lassen Schröder die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Bei all dem legt der Rezensent trotzdem Wert auf die Feststellung, dass er die Aufbereitung eines solch heiklen Themas nicht grundsätzlich abzulehnen oder das Buch als "geschmacklos" brandmarken will. Schließlich geht es bei diesem Skandal auch einmal wieder um die Freiheit der Kunst: "Ein Schriftsteller darf geschmacklos sein, manchmal muss er es sogar."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.04.2004

Thor Kunkel "stampft treudeutsch voran, seine Kampfthesen im Tornister" schreibt Rezensent Robin Detje mehr als erbost. Der neue Roman über Pornofilme im Nazireich hätte ein "großes Buch" werden können, wenn der Autor "ein Herz hätte oder ein Gefühl für Sprache". Beides fehle ihm jedoch und so sei nicht nur ein schlecht geschriebener, sondern obendrein noch "offen revanchistischer und antiamerikanischer" Roman entstanden, über dessen positive Bewertung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung der Rezensent nur staunend den Kopf schütteln kann. Dabei ginge es nicht darum, das Thema Pornografie zu tabuisieren. Nicht an die Grenzen der Literaturkritik sei Kunkel gestoßen, sondern an seine eigenen Grenzen. Daraus, so der Rezensent, könne man nur schließen, dass das eigentliche Terrain Kunkels "die Stilblüte" sei. Ohne Duden könne man das Buch, in dem "antiwestliche Nachkriegsgesinnung" und antiamerikanische Parolen "wütend verquirlt" seien, nämlich gar nicht verstehen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.03.2004

Einen über weite Strecken "durchaus unterhaltsamen und wirren Trash- und Kolportage-Roman", der den "eigenen Irrsinn gegen den Irrsinn des Nationalsozialismus setzt", hat Gerrit Bartels gelesen. Thor Kunkels Roman, den der Autor wohl in einem "Anflug von Größenwahn" unter anderem Jesus und Nietzsche gewidmet habe, folge dem Angestellten des SS-Hygieneinstituts, Sozialdarwinisten und Erotomanen Karl Fußmann ins Pornomilieu zur NS-Zeit, umreißt der Rezensent die Handlung, wobei sich Kunkel mitunter in "Penthouse-Fortsetzungsroman-Sätzen" und in Pornoszenen verliere. Der Vertrieb der entstehenden Filme führt schließlich nach Nordafrika und dort endet, wenn wir den etwas unentschieden wirkenden Rezensenten richtig verstehen, in einer "abenteuerlichen Verbrecherklamotte" auch der unterhaltsame Teil des Buches. Selbiges gerate nämlich mit der Darstellung des Einzug des Krieges in Deutschland und stärker noch mit der Besetzung durch die Rote Armee in "Schieflage", meint Bartels und zitiert empört, was Kunkel zufolge nach der russischen Besetzung Berlins ablief: eine "gnadenlose Fließbandarbeit von samenden Automaten". Damit stimme der Autor in die Leier von den "armen, verführten Deutschen" und in den derzeitigen Trend "Deutschland einig Opferland" ein, kritisiert Bartels.