Außer Atem: Das Berlinale Blog

Auf dem Tahrirplatz: Jehane Noujaims 'The Square' (Forum)

Von Thekla Dannenberg
11.02.2014. Jehane Noujaim hat drei Jahre lang vier junge ägyptische Aktivisten mit der Kamera begleitet. Aber ob sie die Revolution oder nur die Medienrevolution gewinnen, ist noch nicht abgemacht.


Vor genau drei Jahren, am 11. Februar 2011, stürzten die Ägypter nach dreißigjähriger Herrschaft ihren Autokraten Hosni Mubarak. Die amerikanisch-ägyptische Filmemacherin Jehane Noujaim zeigt in ihrer für den Oscar-nominierten Dokumentation "The Square" den Diktator, wie er kurz vor seinem Rücktritt eine Rede an die ägyptische Jugend hält, und dieser Mann kommt einem vor wie aus einer anderen Jahrhundert. Wie viele Demonstrationen hat der Tahrir-Platz seitdem erlebt, wie viele friedliche Zeltlager, ausgelassene Konzerte und blutige Kämpfe mit der Polizei. Mit ihren Protesten haben die Menschen erst Mubarak in die Knie gezwungen, dann den Armeechef Hussein Tantawi und schließlich auch den von ihnen selbst gewählten Muslimbruder Mohammed Mursi, der sich als Präsident mit uneingeschränkten Vollmachten ausstattete.

Noujaim begleitete über drei Jahre vier junge Aktivisten bei ihrem Kampf für Demokratie und Freiheit: Ahmed Hassan, der mit acht Jahren als Zitronenverkäufer begann und zu einem der eloquentesten Wortführer der Revolution wurde, Khalid Abdalla, der dank seiner Herkunft aus gutem Hause in England Schauspieler wurde, die bürgerliche Aida El Kashef, die immer mehr an den Rand des Geschehens rückt; und schließlich den Muslimbruder Magdy Ashour, der sich seinen Mitstreitern vom Tahrir stärker verbunden fühlt als seinen Parteioberen.

Die Kamera ist stets an und auf der Seite dieser vier jungen Leute vom Tahrir-Platz: Wenn sie im Zeltlager kochen oder Strategien entwerfen, wenn sie mit Soldaten diskutieren oder mit den Muslimbrüdern streiten, wenn sie der BBC Interviews geben. Wenn sie am Telefon mit Freunden sprechen, sind es geradezu druckreife Reden über die Freiheit und Gerechtigkeit, über Entschlossenheit und Kampfesmut, Stolz und Glück.

Immer wieder zeigt der Film die erhebenden Bilder eines Volkes, das sich gegen die Diktatur erhebt, die Fernsehaufnahmen der Millionen Ägypter, die über alle Straßen Kairos und die Brücken des Nils auf den Tahrir-Platz strömen. Und natürlich sehen wir auch die entsetzlichen Youtube-Videos, auf denen Demonstranten gejagt und verprügelt, gefoltert und getötet werden. Die Machthaber ändern sich, doch nicht die Bilder. Allerdings musste Noujaim den Film um das letzte bittere Kapitel ergänzen. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch gegen den neuen Machthaber Abdel Fattah al-Sisi der Protest erheben wird.

Auch bei Noujaims Protagonisten haben die drei Jahre des unermüdlichen Kampfes Spuren hinterlassen, sie sind älter geworden, wurden verhaftet oder angeschossen. Doch die Zerrissenheit des Landes, die Frustrationen und enttäuschten Hoffnungen scheint ihrem Idealismus nichts anhaben zu können. Dabei setzten auch sie auf das Militär, um die Muslimbrüder zu verjagen. Es sind die Ikonen einer Revolution, die der Film ins Bild setzt. Wunderschöne junge kompromisslose Menschen, deren Musik, Demonstrationen und Wandgemälde einen das Herz aufgehen lassen. Doch ohne sich dessen bewusst zu sein, zeigt der Film auch, wie man die Medienrevolution gewinnt, aber den politischen Kampf verliert.

Thekla Dannenberg

Al midan - The Square. Regie: Jehane Noujaim. USA/Ägypten 2013, 104 Minuten (Forum, alle Vorführungstermine)