Stefan Müller-Doohm

Adorno

Eine Biografie
Cover: Adorno
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518583784
Gebunden, 1032 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Zum 100. Geburtstag Theodor W. Adornos erscheint die Biografie Stefan Müller-Doohms, die auf mehrjährigen Forschungen und Archivrecherchen beruht und eine Vielzahl bisher unbekannter Quellen erschließt. Sie weist Adorno den ihm gebührenden Rang zu: als einen der großen Philosophen der Gegenwart, der in der kritischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und der Tradition eine Neuorientierung des Denkens eröffnete, die bis heute prägend ist. Von der behüteten Kindheit in Frankfurt über die Erfahrung des Exils und der Shoah, von der Frankfurter Schule und dem Institut für Sozialforschung bis hin zu den Ereignissen von 1968, von der Neuen Musik und der Ästhetik über die Soziologie und Philosophie bis hin zur Literatur, Politik und Kulturindustrie reicht das Spektrum. Adornos Biografie zeigt sich als intellektuelle Bestandsaufnahme des zwanzigsten Jahrhunderts, die uns die Geschichte unserer Gegenwart mit anderen Augen sehen lässt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.09.2003

Stefan Müller-Doohms Lebensbeschreibung Theodor W. Adornos bezeichnet Ludger Lütkehaus als die von allen von ihm gesichteten Biografien "orthodoxeste und linearste. Dies muss nach Angaben des Rezensenten aber nicht schlecht sein, denn, so ein zufriedener Lütkehaus, "man weiß stets, wo man ist". Und wenn ihm auch der mitunter arg akademische Stil des Autors etwas anstrengend erscheint, so findet er doch, dass man mit diesem Buch "arbeiten kann". Bewunderung entlockt ihm der immense "Fleiß" und die "Fülle der Ergebnisse", die diese Biografie zeitigt, und das, obwohl die Quellen nicht ohne Erschwernisse zu sichten sind, so der Rezensent lobend.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.08.2003

Dies ist, das duldet keinen Zweifel, die umfangreichste, die "voluminöseste" der zu Adornos hundertstem Geburtstag erschienenen Biografien. Viel will das aber nicht heißen, wie Uwe Justus Wenzel sogleich feststellt. Natürlich steckt eine ungeheure Menge Arbeit darin - geleistet vom Soziologen und Adorno-Schüler Müller-Doohm und einem fünfköpfigen Mitarbeiterstab -, und wahrscheinlich steht auch alles drin, auf tausend Seiten, was man bräuchte für eine Biografie: jedoch fehlen, so Wenzel, das einigende Band, der "Zug", die "These", ja, auch nur eine "Charakteristik" Adornos, die die mit Eifer zusammengetragenen Informationen dann tatsächlich zu einem geschlossenen Ganzen machen könnten. An "Respekt" vor dem Geleisteten lässt es der Rezensent nicht fehlen, das Unternehmen als biografisches betrachtet er freilich als gescheitert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.08.2003

Eine Vielzahl an Publikationen bereichern beziehungsweise beschweren den Markt rund um Adornos Hundertsten, und dennoch ist bislang keine Biografie erschienen, die Hilal Sezgins Neugier auf den Menschen Adorno zufrieden stellt. Auch Stefan Müller-Doohms soeben erschienene Adorno-Biografie leistet dieses laut Sezgin nicht, obwohl sie an dem Buch gar nicht so viel auszusetzen hat; es sei gründlich recherchiert und mache den äußeren wie intellektuellen Lebensweg des Frankfurter Philosophen nachvollziehbar. Trotzdem fehlt der monumentalen Biografie das gewisse Extra, klagt Sezgin, weil sich der Verfasser, ein ehemaliger Adorno-Schüler und heute Soziologie-Professor in Oldenburg, seinem Material gegenüber zu vorsichtig verhalte. Sezgin äußert Unverständnis, wie man als Biograf (des Suhrkamp-Verlages, der auch Adornos Schriften betreut) auf bislang nicht ausgewertete Tagebücher verweisen kann, ohne selbst der Neugier zu erliegen, diese heranzuziehen. Müller-Doohm lasse auch die weniger sympathischen Seiten des Porträtierten zum Vorschein kommen, gesteht die Rezensentin zu; außerdem rechnet Sezgin dem Biografen hoch an, dass er die Leistungen der Witwe Gretel Adorno nicht unter den Teppich kehrt. Dennoch, lautet ihr Resümee, sei es Müller-Doohm nicht gelungen, seinen Stoff wirklich anzupacken.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.2003

"Eine echte Dröhnung" ist diese Biografie zum hundertsten Geburtstag Adornos, findet Christian Geyer. Stefan Müller-Doohm hat dafür "mit einer task-force von DFG-finanzierten Helfern jahrelang alte und neue Schriftquellen" gesichtet, "Interviews geführt" und "Datenbanken gefüttert", wie man vom Rezensenten erfährt. Drei Dinge, schreibt Geyer weiter, fallen auf an diesem Buch: Es ist, erstens, "sehr dick" und zweitens "sehr artig", mit einem "Zug ins Beflissene" - Adornos "Nichtidentische" etwa bekomme man "wie eine Feuerwehrleiter" erklärt - und es ist, drittens, "die definitive Quelle" für alle, die Dinge von der Art wissen wollen wie: wer war die französische Erstübersetzerin eines bestimmten Vortrags von Adorno? Eine "unentbehrliche Eckermann-Arbeit" also, die Müller-Doohm hier geleistet habe. Bei einer solchen Materialfülle fällt Geyer jedoch um so mehr auf, was hier alles fehlt oder versteckt versteckt wird. Warum etwa gibt es nicht ein eigenes Kapitel zum Thema "Aversionen gegen Adorno", fragt Geyer. Was hinter den bekannten Ressentiments und Einwänden von Hannah Arendt, Schönberg oder Kracauer gegenüber Adorno stecke, hätte unser Rezensent in einer solch ausufernden "Materialgrube" doch gerne "frontal erörtert" und nicht "ornamental neutralisiert" gefunden.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.08.2003

In einer langen Einleitung schildert Volker Breidecker, ausgehend von einem Traum, den Adorno einmal von Peter Suhrkamp hatte, die Geschichte des Suhrkamp-Verlags als eine des intellektuellen Niedergangs. Programmmacher und Lektoren hätten, meint er kaum verklausuliert, keine Ahnung mehr von den einstigen Heroen des eigenen Hauses. Und herauskommen muss dabei, darum geht's, ein Werk wie diese, geradezu als "Staatsaktion" geplante Biografie. Die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) hat ganze Recherchebataillone finanziert, alles musste rein ins Buch, dessen man habhaft werden konnte. Den Salat hat nun der Leser. "Redlich" sei das Buch gewiss, aber völlig aus den Fugen, "redselig", redundant, der Überarbeitung durch einen Lektor dringend bedürftig. "Staubtrocken" wird nun referiert, die Wiederholungen wollen "nimmer enden". Dabei hätte es, meint Breidecker, auf die Hälfte verschlankt, ein gutes Buch werden können. Allerdings wäre auch eine andere Anlage nötig gewesen, nicht der brave Trott am Leben entlang, mit dem Müller-Doohm dem Werk Adornos nicht gerecht wird und zum anderen den Leser unendlich ermüdet. Am Ende dann, einigermaßen überraschend, doch noch ein freundliches Wort über das als Biografie "missglückte" Buch: "als Auskunftsquelle für gezielte Fragen an Adornos Leben und Werk kann es bestehen."
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