Spätaffäre

Wir wollen unsere Beobachter beobachten

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
12.02.2014. Kevin Kelly schlägt in Edge eine Zusammenarbeit zwischen NSA und Wikileaks vor. Arte zeigt Asghar Farhadis Debütfilm "Feuerzauber". Im Deutschlandradio Kultur diskutieren Christoph Hochhäusler, Kirsten Niehuus, Katrin Schlosser und Frédéric Jaeger über die Filmförderung. Und Christopher Glazek denkt in n+1 über die richtigen Schlüsse aus dem Drogentod von Philip Seymour Hoffman nach.

Für die Augen

Für dctp unterhält sich Alexander Kluge mit dem Kulturhistoriker Christian Holtorf über das erste transatlantische Kabel, das 1858 mit riesigem Aufwand zwischen Europa und USA verlegt wurde, nur um schon nach vier Wochen den Geist aufzugeben. Zu dem Thema hat Holtorf auch ein Buch geschrieben. Die Sendung dauert 24 Minuten.



Noch immer in der Arte-Mediathek: Asghar Farhadis Berlinale-Gewinner "Nader und Simin" (hier im Übrigen eine Doku über die Entstehung des Films). Jetzt kann man dort auch seinen Debütfilm "Feuerzauber" aus dem Jahr 2006 sehen (Farsi mit deutschen Untertiteln, 98 Min.):


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Für die Ohren

Vor zwei Jahren wurde der jüdisch-palästinensische Regisseur Juliano Mer-Khamis am hellichten Tage erschossen. Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt, und weder die palästinesische noch die israelische Polizei scheint daran ein großes Interesse zu haben. Im Deutschlandfunk gibt es ein Feature zu Mer-Khanis und seinem Freedom Theater von Dschenin (44 Minuten). Wer es noch genauer wissen will, muss in der LRB Adam Shatz' Wahnsinnsreportage über das Leben und den Tod Juliano Mer-Khamis' lesen.

Auch nach dem kürzlichen Urteil in Karlsruhe ist die Filmförderung (mehr) heftig umstritten. Deutschlandradio Kultur bringt eine ausführliche Diskussion zwischen dem Regisseur Christoph Hochhäusler, Kirsten Niehuus vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der Filmhochschulprofessorin Katrin Schlosser und dem Filmkritiker Frédéric Jaeger. Hier die Möglichkeit zum Nachhören. (52 Min.)

Eine Entdeckung ist der Jazz-Pianist Grégory Privat. Er kommt aus Martinique und legt nun sein zweites Album vor. "Tales Of Cyparies" (hier reinhören) ist ein Konzeptalbum: Die vierzehn Songs erzählen die Geschichte des Gefangenen Cyparisin, der 1902 in einem Verlies in Saint-Pierre saß, als der Vulkan Mount Pelée ausbrach. Er überlebte schwerverletzt und trat später mit seinen Verbrennungen im Zirkus in aller Welt auf. (13 Min.)


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Für Sinn und Verstand

Wenn Evgeny Morozov den Typus des permanenten Technotrolls verkörpert, der jeden Elan herunterredet, dann ist Kevin Kelly der Typus des permanenten Technovisionärs, der den Fortschritt stets auf dem Weg zum Gutem sieht - und ehrlich gesagt: Er liest sich weit anregender. In Edge antwortet er ausführlich auf eine ganze Menge Fragen und weicht auch der großen, von Sascha Lobo benannten narzisstischen Kränkung durchs Netz nicht aus. Das Netz will kopieren, sagt Kelly, und das Netz will beobachten. Beides gehört zu seinen innersten Regungen und lässt sich nicht abstellen, also muss man damit arbeiten: "Das ist es, was die NSA und andere Geheimdienste gerade erleben. Sie versuchen, geheim zu sein, aber du kannst nicht geheim sein, denn das Internet will das Zeug kopieren." Als Antwort auf Überwachung schlägt Kelly Symmetrie vor. Die NSA solle mit Wikileaks kooperieren. "Wir wollen gegenseitige Beobachtung statt Überwachung. Wir wollen unsere Beobachter beobachten, tracken, wer uns trackt." Und der NSA will er sagen: "Ok, du trackst uns, aber du musst Rechenschaft ablegen. Es kann nicht geheim und außerhalb jeder Rechenschaftspflicht stattfinden."

"Wenn einer von uns an einer Überdosis stirbt, hält er wahrscheinlich zehn andere davon ab", zitiert der Drehbuchautor Aaron Sorkin den an einer Heroin-Überdosis gestorbenen Schauspieler Philip Seymour Hoffman. Ob sich Hoffmans Prognose bewahrheitet, hängt davon ab, welche Schlüsse aus seinem Tod gezogen werden, schreibt Christopher Glazek in n+1. Um den gegenwärtigen Heroin-Boom - die Zahl der Konsumenten hat sich in den USA seit 2007 fast verdoppelt und ist so hoch wie nie zuvor - in den Griff zu kriegen, plädiert Glazek gegen eine härtere Drohenpolitik und für die Betreuung von Heroinsüchtigen mit geeigneten Ersatzstoffen: "Viele betreute Opiatabhängige erfahren eine geringere Zerrüttung ihres täglichen Lebens als Konsumenten von Chemikalien wie Crack und Meth, die zwar weniger tödlich sind, aber stärker verrückt machen. Selbst mit unkontrollierter Abhängigkeit und schwankender Versorgung mit Opiaten gelang es Hoffman, einen Zeitplan einzuhalten und eine Produktivität an den Tag zu legen, die für viele nüchterne Menschen eine Herausforderung wäre. Darin liegt jedoch das große Paradox von Heroin: Wer es einnimmt, geht im Vergleich zu anderen Drogen ein geringeres Risiko ein, sich durch unberechenbares Verhalten als Süchtiger zu stigmatiseren. Aber er geht ein höheres Risiko ein, von der Droge getötet zu werden."