Meike G. Werner

Moderne in der Provinz

Kulturelle Experimente im Fin de Siecle Jena
Cover: Moderne in der Provinz
Wallstein Verlag, Göttingen 2003
ISBN 9783892445944
Kartoniert, 367 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Georg Simmel hat in seinem berühmten Essay Die Großstädte und das Geistesleben die Großstadt als den klassischen Ort der Moderne bezeichnet. Der dort gleichfalls explizierte Gegensatz zwischen Großstadt und Moderne auf der einen sowie provinzieller Kleinstadt und Traditionalismus auf der anderen Seite verschleiert jedoch die Komplexität und vielfältigen Nuancen moderner Kulturgeschichte mehr, als daß er aufklärt. Manche bedeutenden Experimente der europäischen Moderne fanden fernab der großen Metropolen statt, sei es in Darmstadt oder Weimar, Nancy oder Lyon, Czernowitz oder Triest. Meike G. Werner untersucht die Moderne in einer deutschen Provinzstadt an der Schwelle zum 20. Jahrhundert: Jena in Thüringen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.06.2003

Gangolf Hübinger ist voll des Lobes. Er hat bei Heike G. Werner gelesen, wie das frisch industrialisierte Jena im beginnenden 20. Jahrhunderts zum "weltanschaulichen Laboratorium" wurde und eine Kultur der "romantischen Moderne" prägte, die Gegenakzente setzte sowohl zur großstädtischen Variante kultureller Moderne, als auch zur "Intellektuellenkultur Heidelbergs". Oder besser gesagt: Jena wurde geprägt, und zwar vor allem vom Verleger Eugen Diederichs, der neue "Lebensformen und Kulturpraktiken" in die bereits naturwissenschaftlich renommierte Stadt einführte und den elitär-studentischen, jugendbewegten Serakreis etablierte, dessen Praktiken die Autorin "als gelebte genuin moderne Geselligkeit im altdeutschen Gewand" beschreibt. Damit gelinge es ihr, so Hübinger, "den Eigensinn dieser romantischen Moderne" herauszustellen, wo sonst oft nur gerade Linien zur Naziideologie gezogen werden. Der Rezensent vergisst aber auch nicht, den Skeptiker zu erwähnen, der schon seinerzeit vor "mystischer Selbstflucht" warnte: Max Weber. Wobei die Autorin, wie er findet, dieser Skepsis einiges entgegenhalten könne.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.05.2003

Ein Herz für die Provinz zeigt Maike G. Werners in ihrer Studie "Moderne in der Provinz". Im Unterschied zur geläufigen Auffassung, in der Provinz sei Kultur ein Fremdwort, führt Werner vor Augen, dass es auch anders ging. So geschehen im Jena des Fin des Siècle: Dort profilierte sich die Provinz "nicht als Widerspruch, sondern im Gegenteil als ?Experimentierfeld der Moderne'", wie Rezensentin Ulrike Baureithel schreibt. Im Mittelpunkt von Werners Studie steht nach Auskunft Baureithels der Kreis um den umtriebigen Verleger Eugen Diederichs und seiner Frau, die sich gegen die festgefahrenen Schul-, Religions- oder Wissenschaftspolitik des Wilhelminismus wandten, um, im weitesten Sinne, ein "lebensreformerisches" Programm in die Praxis umzusetzen. Trotz "gelegentlicher Wiederholungen" und "mitunter verwirrend wirkendem Name-Dropping" hat Werners Studie der Rezensentin gut gefallen. Ihr Resümee: eine "außerordentlich kenntnisreiche, materialreich belegte und sensibel vorgeführte ?Rehabilitation' der Provinz."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2003

Eine spannende Arbeit ist diese Monografie über das kulturelle Leben an der letzten Jahrhundertwende in Jena nach Meinung des Rezensenten mit dem Kürzel "upj" In dem Buch geht es unter anderem um die Schriftstellerin Helene Voigt-Diederichs und um den Eugen-Diederichs-Verlag. Doch dem Rezensenten gefällt vor allem der Ansatz der Autorin Meike G. Werner, die "apodiktisch statuierte" Analyse Georg Simmels über das Großtadtleben einer Revision zu unterziehen. Denn Simmels implizite Gegenthese zu seinen soziologischen Theorien über die Großstadt besagt, dass in der Provinz zwangsläufig ein "innovationsfeindlicher Traditionalismus" herrsche, der "die kulturgeschichtlichen Bewegungen mehr verschleiern denn erhellen" mag.