Die Buchmacher

Thalia und die Buchpreisbindung

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
29.09.2007. Wer wem ein "Feuerwerk an Sprechblasen" vorwirft. Warum Thalias Einsatz für die Preisbindung ein Lippenbekenntnis ist. Warum die Branche nach fünf Jahren gesetzlich verankerter Preisbindung nicht in Feierlaune ist. Und weshalb dem Buchhandel 40 Prozent an Umsatz entgeht.

buchreport.express

Das Buchpreisbindungsgesetz besteht seit fünf Jahren. "In der Buchbranche herrscht aber keine Feierlaune", zieht buchreport eine Zwischenbilanz: "Die Gesetzesautorität hat die Buchpreisbindung nur nach außen sicherer gemacht, vor allem gegen die Angriffe der Preisliberalisierer der EU." In der Buchbranche selbst gelte die Gesetzesregelung dagegen als zu unflexibel, weil sie weniger Preismarketing und pragmatische Ausnahmen zuließen als vor dem Gesetz. Offene Verstöße, aber auch zulässige Preisoffensiven beim Verkauf der englischen "Harry Potter"-Ausgaben erweckten den Anschein, "dass die Preisbindung die Handlungsfreiheit des Buchhandels in einer Weise beeinträchtigt, die ihm selber gar nicht mehr recht ist", zitiert buchreport den Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels. Aktuell eskaliere die Auseinandersetzung mit dem Club Bertelsmann, der jetzt auch die Besorgung von Buchhandelsausgaben anbiete. Hier ein Interview mit Wallenfels aus dem aktuellen buchreport.magazin.

Zum 1. Januar 2008 übernimmt die Fachbuchhandelskette Schweitzer Sortiment (Umsatz: 135 Millionen Euro, Marktführer im Bereich Recht, Wirtschaft, Steuern) die C. Boysen Buchhandlung in Hamburg. Vor allem das Industriegeschäft und den Ausbau des RWS-Segments wollten die Hamburger unter dem Dach der Schweitzer-Gruppe in den nächsten Jahren deutlich ausbauen, schreiben die Dortmunder.

Der Verlagskonzern Reed Elsevier (in dem über 400 medizinische und sonstige wissenschaftliche Zeitschriften erscheinen) testet ein neues Erlösmodell für die eigenen Zeitschriften und hat das Portal www.OncologySTAT.com gestartet, das Ärzten freien Zugang zu aktuellen Artikeln aus 100 Medizin-Zeitschriften bietet. "Die Fachverlagsgruppe will das Angebot durch den Verlauf von Werbung und Kundendaten finanzieren; dabei hat der Verlag besonders pharmazeutische Firmen im Auge, die Medikamente gegen Krebs verkaufen", schreibt buchreport.

Die niederländische Fachinformationsgruppe Wolter Kluwer (Umsatz 2006: 3,7 Milliarden Euro) startet einen Pilotversuch zum Vertrieb von elektronischen Büchern; in Kooperation mit Koert Media (niederländischer Partner des deutschen Verlagsdienstleisters juni.com) hat die Verlagsgruppe laut buchreport für die niederländische Fachverlagstochter Kluwer Niederlande einen E-Book-Shop eingerichtet, der offiziell zur Frankfurter Buchmesse startet.

Im Interview mit buchreport erklärt der Verkaufstrainer Marco von Münchhausen (vertrauenserweckender Name), dass dem Buchhandel durch schlechten Service ein Umsatz von 40 Prozent entgeht; "Haben Sie Mut, den Kunden an Ihrer persönlichen Lebenswelt teilhaben zu lassen", lautet einer der weisen Ratschläge des Trainers.

Weitere Themen: Der endgültige Name des Börsenvereins-Volltextsuche-Portals (Arbeitstitel: "Volltextsuche Online") lautet nach Recherchen des Bloggers Mathias Schindler libreka.de. Der Börsenverein hat zur Buchmesse eine außerordentliche Hauptversammlung zur Zukunft der Buchhändler Abrechnungsgesellschaft (BAG) einberufen. Dressler erhöht die Startauflage von "Tintentod" (Cornelia Funke) auf 500.000 Stück - die Gesamtauflage der erste beiden Bände liegt bei 1,2 Millionen Exemplare. Der französische Verleger Antoine Gallimard hat in einer Studie zur Reform des unabhängigen Buchhhandels in Frankreich vorgeschlagen, die Sortimenter von der Gewerbesteuer zu befreien. Die Private-Equity-Firma Risk Capital Partners hat die britische Buchkette Borders für 35 Millionen Euro übernommen - ein Schnäppchen bei einem Jahresumsatz von 348 Millionen Euro. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Nachdem Weltbild-Chef Carel Halff in der letzten Ausgabe im Interview (hier nachzulesen) gesagt hat, dass der Handel mehr für Bücher tut als Verlage, protestieren Verleger wie auf Ansage in der Börsenblatt-Umfrage. Transit-Verleger Rainer Nitsche schimpft über das "Feuerwerk an Sprechblasen" und den "zirkustauglichen Schleiertanz um die wirklichen Absichten." Demgegenüber übt sich Random House-Vertriebsleiterin Claudia Reiter wie immer in Political Correctness: "Wir schätzen uns glücklich, mit vielen kreativen und innovativen Geschäftspartnern zusammenzuarbeiten..."

Zum fünfjährigen Bestehen des Buchpreisbindungsgesetzes mahnt der Tübinger Sortimenter Heinrich Riethmüller: "Wir sollten alle die Spielregeln des Marktes einhalten, den Geist des Preisbindungsgesetzes immer vor Augen haben und partnerschaftlich miteinander umgehen." By the way beklagt sich der Osiander-Chef über die Versuche von Wettbewerber Thalia, bei Verlags-Vertriebsleuten "Rabattforderungen von 50 Prozent plus" durchzusetzen und diese an den Investitionen der Megastores zu beteiligen. "Uns allen hallt noch der flammende Appell des Thalia-Chefs auf den Buchhändlertagen in den Ohren, wie wichtig die Preisbindung für uns Buchhändler sei und dass wir uns doch alle für ihren Erhalt einsetzen sollten - auch nur ein Lippenbekenntnis?"

Christina Schulte berichtet vom Buchmarktforum, bei dem Jan Schmüser, Geschäftsführer Unternehmensführung vom Zentralverband gewerblicher Verbundgruppen erklärt hat: "Mit dem Einstieg von Douglas in den Buchhandel hat es die Branche erstmals mit richtigen Händlern zu tun." Der Konzern wisse aus seinen anderen Geschäftsfeldern, wie Filialsteuerung oder Regalpflege funktionierten. "Die Gepflogenheiten aus anderen Branche halten nun auch im Buchhandel Einzug", so Schmüser. Vorreiter sei der Lebensmitteleinzelhandel: "Alles, was dort passiert, wird irgendwann auch einmal im Buchhandel eintreten."


Weitere Themen: Das Landgericht Wiesbaden hat hat dem Antrag von Preisbindungsbindungstreuhänder Dieter Wallenfels stattgegeben und eine einstweilige Verfügung gegen den Club Bertelsmann verhängt. Danach wird es dem Club untersagt, preisgebundene Bücher auf die Quartalsabnahme anzurechnen (hier die Meldung).
Im "Menschen"-Ressort porträtiert Eckart Baier den vorzeigelinken Prolit-Chef Jochen Mende. Der Verleger Klaus G. Saur gratuliert dem Bibliothekar Georg Ruppelt zum 60. Geburtstag. Hier das Inhaltsverzeichnis.
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Stichwörter: Political Correctness