Außer Atem: Das Berlinale Blog

Will das Drama, aber keinen Konflikt: Jayro Bustamantes 'Ixquanul' (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
07.02.2015. Brautschau bei den Maya. Zwar möchte die Auserwählte lieber mit Pepe in die USA, aber das würde die Harmonie trüben in Jayro Bustamantes "Ixquanul".


Wenn der angehende Bräutigam kommt, wird die Sau erst angelockt und dann ordentlich mit Rum abgefüllt. Das macht sie scharf. Dann darf der Eber sie unter martialischem Gequieke ein letztes Mal begatten, bevor er geschlachtet wird. Mutter und Braut steigen derweil auf den Vulkan, um den Geistern für ihre Wohltaten zu danken und für die junge Frau ein glückliches und behütetes Leben erbitten. Und während der Eber entbeint wird und die Blutwurst angerührt, wird das junge Mädchen für den Besuch in die farbenprächtigen Kleider gehüllt und und mit Tüchern umwickelt, ihr Gesicht wird geschmückt und umflochten.

Immer schön gegengeschnitten erleben wir die Vorbereitungen der Maya-Familie auf die Brautschau, auf die sich die junge Maria freut wie die Sau auf ihre Besamung. "Es wird ihr an nichts fehlen", versichert die künftige Schwiegermutter. "Dann bin ich ja beruhigt", antwortet die Mutter. Und Maria will nur weg, mit Pepe in die USA. Der junge Nichtsnutz verspricht ihr, sie mitzunehmen, verlangt dafür aber entsprechende Gegenleistungen. Gemeinsam sitzen sie oben auf dem Vulkan und blicken ebenso sehnsuchtsvoll wie ahnungslos nach Norden. Als Maria die Mutter fragt, was hinter dem Vulkan sei, antwortet sie: "Die Kälte."



"Ixcanul" erzählt vom Leben der Mayas im abgelegenen Hochland von Guatemala, die meisten von ihnen können nicht lesen und schreiben, kaum jemand spricht Spanisch. Wenn sie nicht aufpassen, werden ihnen die Kinder weggenommen oder Pestizide verkauft, die dem Menschen mehr als dem Ungeziefer schaden. Regisseur Jayro Bustamante findet sehr opulente Bilder für die armen Campesinos, die Vulkanlandschaft strotzt vor Schönheit, die Gewänder der Maya-Frauen leuchten in allen Farben. Die beiden Darstellerinnen María Mercedes Coroy und María Telón sind toll, aber auch sie können den Film nicht immer davor bewahren, ins Folkloristische abzugleiten. Denn Maria und ihre Mutter sind nie ganz Individuen, sondern immer Prototypen, Trägerinnen ihrer Kultur.

Nur einmal prallen ihr Leben und die städtische Moderne aufeinander, da muss die Familie ins Krankenhaus, weil Maria nach einem Schlangenbiss in Lebensgefahr schwebt. Doch nicht krasse Gegensätze erweisen sich hier als das Problem, sondern die totale Unfähigkeit zur Kommunikation. Niemand spricht die Sprache des anderen. Der Dolmetscher erzählt aus Eigennutz den größten Blödsinn. Es scheitert am Dialog, das sagt der Film, doch er selbst geht der Auseinandersetzung auch aus dem Weg. Selbst wenn er die Schattenseiten des Maya-Lebens zeigt, bemüht er sich immer zugleich um Erklärung und Verständnis, als dürfe nichts die Harmonie trüben. Der Film will Drama, aber keinen Konflikt.

Eine hübsche Anekdote erzählt Regisseur Jayro Bustamante auf der anschließenden Pressekonferenz: Der Film ist offenbar aus einem Film-Workshop für indigene Frauen hervorgegangen, und als Bustamante dort aufgeregt verkündete, dass sie nach Berlin kommen würden, herrschte natürlich sofort großer Jubel. Hurra, wir fahren nach Berlin! Bis eine Frau fragte: Was ist das eigentlich, Berlin?

Jayro Bustamante: "Ixcanul". Mit María Mercedes Coroy, María Telón und Manuel Antún. Guatemala/Frankreich 2015, 90 Minuten. (Vorführtermine)