Stanley Cavell

Die andere Stimme

Philosophie und Autobiografie
Cover: Die andere Stimme
Diaphanes Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783935300094
Broschiert, 312 Seiten, 23,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Antje Korsmeier. Stanley Cavell zieht in diesen drei Essays eine eindrucksvolle Bilanz seines Lebens und Denkens. Auf der Suche nach der inneren Verknüpfung von Philosophie und Autobiografie erhellt er das Spannungsfeld zwischen der Stimme der Metaphysik und der Stimme des Gewöhnlichen. Seine philosophischen Erkundungen führen ihn dabei zur "anglo-amerikanischen" wie zur "kontinentalen" Philosophie, zum Film wie zur Oper. In der Auseinandersetzung zwischen Emerson und Nietzsche, Austin und Derrida, Verdi und den Marx Brothers präsentiert sich Stanley Cavell somit als eine der bedeutendsten und originellsten Stimmen der amerikanischen Philosophie der Gegenwart.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.09.2002

Stanley Cavells Essay "Die andere Stimme" ist im wesentlichen eine Kritik an Jacques Derrida, die Rezensent Tilman Reitz nur teilweise überzeugt. Zunächst zeichnet Reitz den komplizierten Aufbau von Cavells Essay nach, um dann auf den Kern von Cavells Angriff auf Derrida zu kommen, der sich an Derridas Lektüre von John L. Austin entzündet: Mit seinem Leitgedanken, dass sich Selbst und Sinn im Sprachgebrauch permanent entziehen, fliehe Derrida vor dem Gewöhnlichen, meint Cavell. In diesem Punkt stimmt Reitz zu, betrachtet er Derrida doch als Beispiel dafür, wie sich eine raffinierte Kritik der Metaphysik dem annähert, was einmal Metaphysik hieß: "dem Versuch, die Evidenzen des Alltagsverstandes auszuhebeln und auf andere, verborgene Wahrheiten zurückzuführen." Reitz hebt indes hervor, dass Cavell mit diesem Argument nur Austin verteidigen könne, während seine eigene Konzeption der Stimme einen ausgezeichneter Gegenstand für Derridas Kritik abgäbe. Für Reitz macht dies ein Vergleich des Tonfalls der beiden Denker besonders klar: Auf der einen Seite Derridas Spiel mit den kommunikativen Regeln und der Verweis auf die notwendige Unvollständigkeit des sprachlich Aktualisierten, auf der anderen Seite Cavells Glaube an den Autor und die Eigenständigkeit der Stimme. Wenn Cavell überrascht feststellt, früher Begriffe gebraucht zu haben, die nun eine ganz andere Bedeutung erhalten, so sieht Reitz darin eher einen Beleg für das Eigenleben der Schrift, für die Position Derridas also, als für die Eigenständigkeit der Stimme. Diese Schwäche schlägt sich in weiteren schlechten Eigenheiten des Buches nieder, kritisiert Reitz. Neben fehlenden Begründungen und Verknüpfungen in der Argumentation bemängelt der Rezensent "fragwürdige Herleitungen" (für Nietzsche behauptet Cavell etwa Anleihen bei Emerson) und - durch den ständigen Selbstbezug - "schweres Pathos", das durch die bisweilen holprige Übersetzung kaum erträglicher werde.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.06.2002

Man könnte fast meinen, Jörg Lau imaginiere sich als Herausgeber zukünftiger Cavell-Essays, so sehr zeigt er sich einerseits begeistert über das Erscheinen - auf Deutsch - der Essays des amerikanischen Philosophen und andererseits enttäuscht darüber, dass alle seine "Lieblingsstücke", in denen sich die Besonderheit und die Größe des Denkers Cavell zeige, außen vor geblieben sind. Er wird daher nicht müde, zur Übersetzung der noch fehlenden Essays aufzurufen. Für den Rezensenten ist Cavell unter anderem herausragend, weil er seine Denkimpulse der Welt des Films verdanke und weil er mit seinen Filmerfahrungen so ungewöhnlich umgehe. Cavell entziehe sich "der falschen Alternative zwischen einer Rückkehr zur Metaphysik und einem radikalen Skeptizismus" und finde eher als bei Freud, Wittgenstein, Heidegger oder Derrida gerade in den Hollywoodkomödien der dreißiger und vierziger Jahre die ersehnte "Überwindung der Unheimlichkeit des Gewöhnlichen". Diese Filme nennt Cavell "Komödien der Wiederverheiratung", erklärt Lau, weil hier der Ehe nicht der spießige Begriff der Häuslichkeit zugrunde liege, sondern die - durchaus problembewusste - Freude am Zusammenleben. Fern von jeglicher "medienphilosophischen Bedeutungshuberei", begreift Cavell den Film als "intellektuelles Stimulans", lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.03.2002

Dem Autor, der hierzulande selbst nur in Fachkreisen dem Namen nach bekannt ist, geht es nach Martin Hartmann darum, die autobiografische Dimension der Philosophie und die philosophische Dimension der Autobiografie auszuloten. Dabei biete jedoch nur das erste Kapitel einen wirklichen Einblick in das Leben des Philosophen, der in Fachkreisen der USA schon längst zum intellektuellen Star avanciert sei. Der Stil des Buches sei teilweise manieriert, wie Hartmann bemerkt, und eine schwere Aufgabe für die Übersetzerin gewesen. Das Vorhaben des Autors, die Stimme des Kindes im Erwachsenen zu bewahren sei das zentrale Motiv dieses Buches und vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Kritik an Derrida verstehen, die Cavell im zweiten Kapitel des Buches vorträgt. Cavell wolle gegenüber Derrida die gewöhnliche Stimme stark machen und so dem kindlichen Erwachsensein zum Ausdruck verhelfen.