Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
21.07.2003. In The New Republic zeigt sich Cynthia Ozick erschüttert über die Memoiren der Iranerin Azar Nafisi, die einen Einblick in die Situation der Frauen im Iran geben. In L'Espresso  fordert Tahar ben Jelloun eine europäische Immigrationspolitik. Die Literaturnaja Gazeta findet, dass China in einem Vergleich mit Russland besser abschneidet - dort gibt es nämlich keinen "Werteverfall". Outlook India warnt: Könnte sein, dass eine Bombe tickt.

New Republic (USA), 28.07.2003

Erschüttert zeigt sich Cynthia Ozick von der autobiografischen Erzählung "Reading Lolita in Tehran" der iranischen Literaturwissenschaftlerin Azar Nafisi. Nafisi beschreibt den unerträglichen Zustand in der iranischen Hauptstadt während des Kriegs zwischen Irak und Iran, der insbesondere unerträglich für die Frauen war, erzählt Ozick. Denn mit der Einführung der Sharia durch Khomeini wurde das "Heiratsalter für Frauen von achtzehn auf neun Jahre heruntergesetzt. Prostitution und Fremdgehen wurde von nun an durch Steinigung bestraft. Frauen mussten sich von Kopf bis Fuß verschleiern, im Bus hinten sitzen und durften keine farbigen Mäntel, Schals oder Schnürsenkel tragen." Nafisi praktizierte ihren persönlichen Aufstand gegen das repressive Regime durch konspirative Treffen mit sieben ihrer ehemaligen Studentinnen, berichtet Ozick. Bei Tee und Keksen lasen sie "Lolita", "Der große Gatsby" oder auch "Geschichten aus 1001 Nacht" und bewahrten sich so ihre Individualität und den Glauben an Demokratie und Selbstbestimmung, wie Ozick schildert. 1997 nutzt Nafisi die Lehren der großen Literatur, nämlich das Recht auf die freie Wahl ihrer Lebensumstände, für sich, meint Ozick: sie emigriert in die USA.

Archiv: New Republic

Espresso (Italien), 24.07.2003

Der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun (Bücher) fordert eine neue europäische Immigrationspolitik angesichts der immer stärker anschwellenden Flüchtlingsströme, die sich nach Italien und Spanien ergießen. "Ein Punkt ist eine neue Politik der Kooperation zwischen Nord und Süd herauszuarbeiten, ein anderer in den Ländern des Südens zu investieren. Damit die Männer und Frauen dieser Länder keine Lust mehr haben, alles aufzugeben und ihr Leben zu riskieren, um illegal nach Europa einzuwandern, ist es notwendig, ihnen eine Arbeit in der Heimat zu beschaffen."

Umberto Eco hält es in seiner Bustina für keine gute Idee, eine staatliche Schule für Fernsehmodels einzurichten. "Das ist wie eine öffentliche Schule für Poeten einzurichten. Wenn man für hundert Personen einen Poesiekurs abhält, (...) ist es nicht unmöglich, dass einer der Teilnehmer ein ernstzunehmender Dichter wird. Sicher ist aber, dass die anderen neunundneunzig danach ein frustriertes Leben führen, ihre Arbeit in der Bank verdammen und die Verlagshäuser hassen, die ihre Manuskripte regelmäßig zurückweisen."

Weiteres: Auch in Italien beschäftigt man sich mit der bauchfreien Mode, allerdings auf entspanntere Weise als hiesige Magazine. Dante Mantelli liefert eine kleine Kulturgeschichte des Bauches, Instrument der Verführung und der Jungfräulichkeit, von Platon bis Matrix. Francesca Tarissi untersucht High-Tech-Fetischismus im Netz und findet den virtuellen Sex zwischen Roboterfrauen und Maschinen zugleich ironisch und paradox. Alessandro Longo berichtet mit besorgtem Unterton, dass nun schon Neugeborene mit Mikrochips in Berührung kommen, etwa in Gestalt des intelligent-debilen Miracle Babys.
Archiv: Espresso

New Yorker (USA), 28.07.2003

Warum folgen Menschen Diktatoren? Wie werden die Abstraktionen "Totalitarismus, Autoritarismus, der Mob und die Masse" zu Realitäten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Louis Menand in einer weit ausholenden Besprechung mehrerer Studien zum Thema, darunter "Dictators, Democracy, and American Public Culture" (North Carolina Press, hier ein langer Auszug) von Benjamin Alpers, "Talk of the Devil: Encounters with Seven Dictators" (Walker) des italienischen Journalisten Riccardo Orizio und "The Future of Freedom: Illiberal Democracy at Home and Abroad" (Norton) von Fareed Zakaria. Besonders interessant zu lesen ist Menands gegenüberstellender Abgleich etwa zwischen Orizios Befund ("Der sicherste Weg eines Möchtegern-Diktators besteht darin, den Menschen zu versichern, dass ihr Schicksal von Fremden bestimmt wird, die in ganz wesentlichem Maße anders sind als sie selbst") und verschiedenen Analysen zur Begründung des amerikanischen Kriegs gegen den Terror. Des weiteren gibt es Kurzbesprechungen, darunter einer Biografie des Fotografen Robert Capa.

In einem wunderbar nüchternen Text berichtet Judith Thurman von den Schauen für die kommende Männersommermode in Mailand und Paris. So beobachtete sie, dass es für die meisten Designer letztlich "am lohnendsten" sei, für "die begeisterte und kenntnisreiche Klientel zu arbeiten, die ihre Talente am besten zu schätzen weiß - Frauen".

Seymour M. Hersh untersucht, ob die Bush-Regierung in Syrien womöglich eine "nützliche Al-Qaida-Quelle verbrannt" hat. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "View from a Headlock" von Jonathan Lethem, und David Remnick kommentiert die anstehende Neubewertung der Gründe für den Irak-Krieg.

John Lahr stellt die Theaterinszenierungen "Henry V" und "Flesh and Blood" vor, und David Denby sah im Kino die Disneyproduktion "Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl" von Gore Verbinski mit Johnny Depp ("aus der Luft gegriffen"), "gut beobachtet und wahrhaftig" beurteilt er dagegen "The Housekeeper" von Claude Berri.

Nur in der Printausgabe: Oliver Sacks (mehr hier) beschreibt, wie Blinde sich ihre "Vorstellung erfinden", ein Text über das Schicksal eines Meisterwerks der Aborigines, ein Porträt von Sankt Petersburg, dem "300 Jahre alten Traum des Zaren", ein Überblick über neue TV-Produktionen und Lyrik von Lawrence Raab und Katha Pollitt.
Archiv: New Yorker

Times Literary Supplement (UK), 18.07.2003

Große Anerkennung zollt Thomas Laqeur dem Kompendium "Colonialism and Homosexuality", mit dem Robert Aldrich nicht nur sein "Who's Who" der schwul-lesbischen Geschichte fortschreibt, sondern auch anschaulich macht, wie homosexuelle Entdecker, Abenteurer und Schriftsteller - von Alexander von Humboldt über T.E. Lawrence bis Arthur Rimbaud - ihre Freiheiten in den Kolonien suchten. Oder wie Laqeur Rudyard Kipling zitiert: "Oh, East is East, and West is West, and never the twain shall meet. / But there is neither East nor West, Border, nor Breed, nor Birth, / When two strong men stand face to face, / tho' they come from the ends of the earth!"

Mit staunender Bewunderung hat Simon Goldhill ein Buch gelesen, "das Borges wie einen Realisten aussehen lässt": Eine "Genealogie der griechischen Mythologie", die in einem einzigen Stammbaum zeigt - oder zeigen will -, wie die 3.673 wichtigsten Gestalten miteinander in Verbindung stehen. Ganze achtunddreißig Jahre hat das Vater-Sohn-Duo Harold und Jon O. Newman daran gearbeitet. Würde man den Stammbaum in einem einzigen Diagramm zeigen, wäre dieses 54 Meter lang.

Weitere Artikel: Lindsey Hughes empfiehlt eine Reihe von neuen Publikationen zu Sankt Petersburg, die alle mit klugen Essays oder wunderbaren Fotografien aufwarten können, vor allem aber Kyril Zinovieff unübertroffenen "Companion Guide to St Petersburg", dessen Erinnerungen immerhin "von Putin bis Rasputin" reichen. Als ein ganz "ganz reizendes" Buch lobt Raleigh Trevelyan "Chasing Churchill", für das sich Celia Sandys auf die Spuren ihres reiselustigen Großvaters Winston Churchill begeben hat und mit dessen noch lebenden Kumpanen aus Frankreich, Südafrika oder Cuba ber die alten Zeiten geplaudert hat.

Nur im Print: Robert Irwin erklärt uns, wie wir persische Malerei lesen müssen. Und Peter Robinson schreibt über den Dichter William Empson (1906-1984, hier ein Gedicht) und seine Muse, deren hübsches Gesicht das Cover ziert.

Literaturnaja Gazeta (Russland), 16.07.2003

Alexej Kiwa preist "das chinesische Reformmodell", das sich im Vergleich zu dem seinerzeit von Jelzin eingeschlagenen Reformweg als Erfolg auf der ganzen Linie erwiesen habe. China hat es geschafft, sein Potenzial unter Bewahrung "einer ethisch und moralisch intakten Gesellschaft" zu nutzen, schreibt er. "Eigeninitiative, Selbstständigkeit und Unternehmergeist von kleinen und mittleren Betrieben im Produktionssektor" haben "allen Schichten der Gesellschaft zu Wohlstand verholfen". In Russland dagegen hat das "liberal-autoritäre Modell" der staatlich gelenkten Wirtschaft zur Herausbildung einer Zweiklassengesellschaft, zu Korruption und Kriminalisierung geführt. In China werde einem Werteverfall vorgebeugt: "Das Krebsgeschwür, insbesondere die Metastasierung, wird adäquat therapiert. (?) Wie sonst ist es zu erklären, dass es in China bei einer zehnmal größeren Bevölkerung nicht mehr Haftinsassen gibt als in Russland"?

Beim diesjährigen Internationalen Tschechow-Bühnenfestival in Moskau gaben sich vergangene Woche neben 16 Theaterensembles aus Europa und Asien auch hochrangige deutsche Regisseure, wie etwa "der radikale ("radikalny") Frank Castorf und der noch radikalere Christoph Marthaler" die Ehre (mehr hier).

Waleri Burt sieht mit Schrecken "Galerien in Diskotheken und Museen in Kasinos umgewandelt", nachdem der russische Kulturminister "per Gesetz die Privatisierung russischer Kulturdenkmäler unabhängig von deren Zustand und deren künftiger Erhaltung erlauben will." Denn "ist es nicht oft so, fragt sich Burt, "dass finanzieller Reichtum geistigem Reichtum diametral entgegensteht?" Wenn auch "in Frankreich, Italien, Deutschland und anderen Ländern der Verkauf von ganzen Schlössern" gängige Praxis ist, gibt es doch im Gegensatz zu Russland "ausgesprochen hohe Auflagen", die mit dem Erwerb einer solchen Immobilie verbunden sind. Eine Nachbesserung des Gesetzes tut also Not, sonst könnte die Ermitage schon bald in ein Freudenhaus und das Bernsteinzimmer in eine After-Work-Lounge umfunktioniert werden.

Nouvel Observateur (Frankreich), 17.07.2003

In einem langen Dossier wird noch mal der Streik der Bühnenkünstler und -arbeiter resümiert, der die Existenz einiger Festivals dauerhaft gefährdet. Der Schluss ist bitter:"'Bei dieser Gelegenheit', so sagt ein Beobachter, 'haben die Hauptpersonen nicht ihre Rolle, sondern ihre Karikatur gespielt'. Die kommunistische Gewerkschaft CGT ist im Korporatismus versunken, die sozialistische Gewerkschaft CFDT ist immer nur hintergelaufen. Der Arbeitgeberverband Medef war zu arrogant, die Regierung autistisch, die Künstler unrealistisch. Alle leben in ihrer jeweiligen Blase, ohne die Botschaft zu verstehen, die an sie gerichtet war."

Der Laizismus ist im Gegensatz zur Toleranz "inkompatibel" mit jeder Form einer "offiziellen Religion" erklärt die Philosophiedozentin Catherine Kintzler in einem Debattenbeitrag. "Die Übereinstimmung zwischen Toleranz und Laizismus besteht in der Fähigkeit zur Umsetzung der drei Sätze: 1) Niemand ist verpflichtet, religiöser zu sein als ein anderer, 2) niemand ist verpflichtet, religiöser zu sein als irgendjemand, 3) niemand ist verpflichtet, überhaupt religiös zu sein. Diese Bestimmung setzt voraus, dass ein öffentliches Recht die Koexistenz dieser Freiheiten regelt: es resultiert darin, dass die den Glauben betreffenden Dinge privat bleiben und dank des Schweigens des Gesetzes zivile Freiheit genießen."

Weitere Artikel: Didier Jacob porträtiert Beatrice von Rezzori und die Santa Maddalena Foundation (wunderschön!) in der Nähe von Florenz, in der die Frau von Gregor von Rezzori schon unzählige Schriftsteller zu Arbeitsaufenthalten zu Gast hatte, darunter Michael Ondaatje, Zadie Smith, Edmund White oder Bruce Chatwin. Vorgestellt werden Tagebücher und eine Auswahl von Briefen des Schriftstellers und Jünger-Übersetzers Henri Thomas (1912-1993, mehr hier). Nach dem Houston-Familienclan porträtiert Francois Forestier in dieser Woche die Brando-Familie ("sein Leben gleicht einem Ruinenfeld"). Und in der Serie über kleine Museen in der Provinz wird mit der Fondation Angladon-Dubrujeaud in Avignon und Le Cabanon von Le Corbusier in Roquebrune-Cap-Martin auf zwei weitere versteckte Schätze hingewiesen.

Outlook India (Indien), 28.07.2003

Erst jetzt wurde bekannt, dass es vor einem halben Jahr in einer indischen Anlage zur Wiederaufbereitung von Plutonium zu einem Unfall kam, bei dem sechs Personen hohen Dosen radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. Outlook recherchierte und stieß auf Sicherheitsmängel und grassierende Bedenkenlosigkeit. S. Anand teilt die Ergebnisse mit und warnt: "Sicherheitsbestimmungen wurden missachtet, um in aller Eile Plutonium zu produzieren, möglicherweise für Waffenprogramme. Einhalt ist geboten - ansonsten könnte es sein, dass eine Bombe tickt."

Weitere Artikel: In der Titelgeschichte berichtet Paromita Shastri, dass ein Aufatmen durch Indien geht: Es regnet! Nach der Dürre im vergangenen Jahr herrscht allerorten großer Optimismus - nicht nur bei den Bauern, die nach wie vor vom Niederschlag abhängig sind, sondern auch bei den anhängigen Industrien, an der Börse, beim Einzelhandel, bei den Goldimporteure, den Analysten, den Politikern und überhaupt allen. Die Redaktion schließt sich an. Prem Shankar Jha hat zwei scheinbar ganz verschiedene Artikel gelesen, die ihm zusammengenommen als Vorboten eines Friedensschlusses zwischen Indien und Pakistan erscheinen. In einem geht es um politische Vernunft, im anderen um das Potential der Zusammenarbeit. Und Krishna Baldev Vaid lobt die Autobiografie und das gesamte Werk des kürzlich verstorbenen Hindi-Autors Bhishma Sahni in derart hohen Tönen, dass man sofortige Übersetzungen fordern möchte.
Archiv: Outlook India

Economist (UK), 18.07.2003

War der Irak-Krieg ein berechtigter Krieg? Um diese Frage rückblickend zu beantworten, so der Economist, reicht es nicht aus, nach der Stichhaltigkeit der von den USA und Großbritannien vorgelegten Beweise zu fragen. In der Tat, "hinterfragt man die Berechtigung dieses Krieges am wirksamsten, indem man sie in drei Fragen gliedert: 1) Gab es gute Gründe, Saddam Hussein unmittelbar mit einem militärischen Angriff zu drohen, für den Fall, dass er sich den UN-Resolutionen nicht beugen sollte? 2) Gab es gute Gründe, als er sich den Resolutionen nicht beugte, diese Drohung wahr zu machen? 3) Haben die Alliierten nach dem militärischen Sieg so gehandelt, dass sich eine positive Entwicklung für den Irak und die gesamte Region abzeichnet?" Letztlich, schließt der Economist, der an seiner Linie festhält und die zwei ersten Fragen mit Ja beantworten, kommt es ganz auf die dritte Frage an und darauf, ob sich die USA langfristig im Mittleren Osten engagieren werden.

Passend dazu stellt der Economist den frisch eingesetzten irakischen Regierungsrat in seiner Zusammensetzung vor und empfiehlt ihm wärmstens, er solle sich eher mit der Errichtung eines neuen Systems als mit dem Begräbnis des alten beschäftigen. Leichter gesagt als getan, denn die Ratsmitglieder erinnern an "25 Spieler aus verschiedenen Mannschaften, die am Tag der Weltmeisterschaft zusammengebracht werden".

Weitere Artikel: Bald geht es in die erste Runde der amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Doch wer kommt als Kandidat für die Demokraten in Frage? Der Economist tippt auf den Vietnam-Veteranen John Kerry. Es könnte gut sein, so der Economist weiter, dass die europäische Union düsteren Zeiten entgegensieht, denn mit dem stetigen Rückgang der Geburtenrate und der gleichzeitig steigenden Lebenserwartung muss es unweigerlich zum finanziellen Fiasko kommen. Es sei denn, man setze eine Art Geburtenförderung in Gang, doch das weckt böse Erinnerungen.

Mit Hartley Shawcross, so der Economist, ist einer der Größten unter den Anwälten gestorben, die in den Nürnberger Kriegsprozessen die Anklage vertraten. Sehr interessant findet der Economist, wie der südafrikanische Historiker Hermann Giliomee in seinem Buch "The Afrikaners: Biography of a People" versucht, der südafrikanischen Entwicklung von kultureller Selbstbehauptung zur Apartheid nachzugehen. Außerdem erfahren wir, was die derzeitigen Schwierigkeiten des jungen russischen Öl-Magnaten Michail Khodorovski über Russlands Probleme sagen, und welche neuen Werbestrategien sich im Internet bewähren.

Schließlich liefert der Economist ein Dossier zur weltweiten Trinkwasserversorgung und den politischen Herausforderungen, die sich für die Zukunft abzeichnen.

Leider nur in der Printausgabe zu lesen: wie Frankreich seine kulturelle Eigenheit verteidigt.
Archiv: Economist

Spiegel (Deutschland), 21.07.2003

Der Titel beschäftigt sich wieder einmal mit dem Irakkrieg, denn "er will nicht enden, und er wird die Welt mehr verändern als den Irak." Versprochen wird Aufklärung darüber, "was wirklich geschah zwischen Euphrat und Tigris und was das bedeutet für die Kriege im 21. Jahrhundert".

Sylvia Schreiber gibt einen Ausblick darauf, wie der Umgang mit den weltweiten Migrationsbewegungen künftig aussehen könnte: "Bevor Fremde überhaupt nach Europa hineinkommen, so meint die britische Labour-Regierung, sollen sie erst einmal in 'geschützten Zonen' in ihren Herkunftsregionen Zuflucht nehmen. In aller Ruhe könnten sie dort die Entscheidung abwarten, ob und auf welcher Grundlage sie Einlass finden". Trotz zahlreicher Proteste von Menschenrechtsorganisationen "wollen die Briten gemeinsam mit den Dänen, den Niederländern und den Österreichern noch 2003 erste Pilotprojekte in Afrika, Asien oder auf dem Balkan starten. Eine 'neue Koalition der Willigen' auf europäischer Ebene sei das, stichelt ein Sprecher der britischen EU-Botschaft". Aber auch das Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) etwa macht sich, erfährt man, "schon länger dafür stark, die Migranten in ihren Herkunftsregionen zu halten."

Ein Interview mit dem amerikanischen Kulturhistoriker Peter Gay "über das Verhältnis der USA zum 'alten Europa' sowie seine Erinnerung ans Nazi-Regime" durften wir online leider nicht lesen. Und auch einen Vorabdruck aus Martin Walsers neuem Buch gibt es nur im Print.
Archiv: Spiegel

Express (Frankreich), 17.07.2003

Eine erste Bilanz aus dem Streik der Intermittants ziehen David Benoussan und Eric Chol. Der Ausfall der beiden Festivals in Avignon und Aix-en-Provence hat zu erheblichen finanziellen Verlusten geführt. Stephane Lissner, künstlerischer Leiter des Festivals in Aix-en-Provence, versucht die roten Zahlen positiv zu sehen: "Die Streiks hatten zumindest ein Gutes: Sie haben gezeigt, dass die Festivals einen hohen ökonomischen und touristischen Stellenwert für die Regionen haben, für Aix im konkreten Fall einen Wert von 10 Millionen Euro." Ob auch anderen Festivals wie dem Festival interceltique de Lorient oder den Vieilles Charrues in diesem Sommer das Aus droht, ist noch offen.

In der Sommerserie über Schönheit unterhält sich in dieser Woche Annick Colonna-Cesari mit der französischen Kunsthistorikerin Nadeije Laneyrie-Dagen (mehr hier) über die Schönheitsvorstellungen in der Renaissance. Sie ist Autorin des Buches "L?invention du corps" (Flammarion), das in Kürze auch als Taschenbuch erhältlich sein wird. Sie erklärt, warum in der Renaissance das Schönheitsideal ausgerechnet männlich war und warum es geradezu eine Welle von pornografischen Kupferstichen gab, die so manchen Zeichner hinter Gitter brachten. Der nackte Körper erlebte im wahrsten Sinne eine Renaissance und selbst die Jungfrauen sahen laut Madame Laneyrie-Dagen auf bildlichen Darstellungen aus, als ob "sie an einem Wet-T-Shirt-Contest teilnehmen würden." Im Herbst wird von Nadeije Laneyrie-Dagen eine Monographie über Rubens erscheinen.

Weitere Artikel: In der Nähe nackter Frauenkörper fühlt sich der französische Sänger Arthur H sichtlich wohl, auch wenn er sich das nicht anmerken lassen will. Das könnte man zumindest meinen, wenn man einen Blick auf das Cover seines neuen Albums "Negresses Blanches" wirft. Gilles Medioni war bei einem Konzert in den Pariser Bouffes du Nord, dem Auftakt der Frankreich-Tournee. Ferner erzählt Pierre Daum die Geschichte einer spektakulären Wiederentdeckung. Es geht um den berühmten Plakatmaler Alfons Mucha, der Ende des 19. Jahrhunderts die Plakate für den Theaterstar Sarah Bernhard entwarf. Er kehrte 1910 nach Mähren zurück, um in 18 Jahren Arbeit das "slawische Epos" in Fresken zu erzählen, die jahrzehntelang in einem Depot in Prag lagerten. Jetzt erst werden sie wieder ausgestellt. Einige schöne Fotos sind auf der Website des Express zu sehen. Mehr Informationen hier.

Und: Anne Maillis nimmt Sie mit auf einen Streifzug durch die "litterature tauromachique". Für alle, die immer schon mal wissen wollten, was Frauen in Stierkampfarenen zu suchen haben.
Archiv: Express

New York Times (USA), 20.07.2003

Als 1854 Commodore Perry mit seinen schwarzen Schiffen die Öffnung Japans erzwang, war das der Auftakt für einen sechzigjährigen - fruchtbaren - Clash of Civilizations, wie Christopher Benfey in seinem wunderbaren Buch "The Great Wave" (erstes Kapitel) beschreibt. William Deresiewicz preist Benfeys Studie herausragender Protagonisten der japanisch-amerikanischen Annäherung als eine "Symphonie von Charakteren und Ideen" und lobt den Autor, der sein Subjekt mit "der Gründlichkeit eines Gelehrten, der Schärfe eines Kritikers und dem erzählerischen Gefühl eines Schriftstellers" gemeistert habe. Benfey zeige die vielfältigen gegenseitigen Einflüsse der beiden Nationen anhand von Personen auf. "Kakuzo Okakura, der Connoisseur, Kurator und Kulturhistoriker hatte bei Ernest Fenollosa gelernt, dem Tokioter Philosophieprofessor, der für die japanische Kunstpolitik verantwortlich zeichnete, und war selbst wieder der Mentor von John La Farge, dem Maler, der am meisten dafür sorgte, dass japanische Ideen und Methoden der Ästhetik die amerikanische Kunst beeinflussten."

Michel Houellebecq ist ein hässlicher Schriftsteller, vulgär, oft dumm, sexbesessen, urteilt Jenny Turner nach der Lektüre von "Platform". Aber, fragt sie, "ist es fair von einem Roman zu verlangen, dass er artikuliert und verständlich daherkommt? Wenn ja, dann ist 'Platform' eine Katastrophe". Abgesehen davon jedoch erkunde Houellebecq in seiner Abrechnung mit dem Sextourismus "ein nicht wegzudiskutierendes aktuelles Schema im europäischen Denken der Jahrhundertwende".

Besprochen wird auch Leslie Epsteins neuer Roman "San Remo Drive" (erstes Kapitel). "Einer der besten Hollywoodromane, die je geschrieben wurden", jubelt Elizabeth Frank. Die Tochter des berühmten Drehbuchautors Philip G. Epstein habe sich aus einer Flut von Kindheitserinnerungen bedient, ohne je in Nostalgie abzudriften. Ganz begeistert ist auch Simon Winchester von "Parting the Desert" (erstes Kapitel), Zachary Karabells großartiger Geschichte des Suez-Kanals und dessen Schöpfer Ferdinand de Lesseps.

Und hier noch die Schlussverse von August Kleinzahlers Gedicht zu Ehren eines schlafenden Terriers:
Sweetie boy,
you lovely little killer-toy:
Willie, hold on.
Archiv: New York Times