Jens Andersen

Hans Christian Andersen

Eine Biografie
Cover: Hans Christian Andersen
Insel Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783458172512
Gebunden, 808 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg. Mit vielen farbigen Zeichnungen, Collagen, Scherenschnitten, Gemälden und Fotografien. Als im Jahr 1835 die ersten beiden Hefte der Märchen, erzählt für Kinder von Hans Christian Andersen erschienen, hatten sie keineswegs den Erfolg, den sich ihr Autor erhofft hatte; nur wenige Leser erkannten das radikal Neue seiner Erzählweise. Vor allem die Kritiker reagierten negativ, und in den wenigen Rezensionen waren Vokabeln wie "verderblich", "unzweckmäßig", "schädlich", "unverantwortlich " oder sogar "unappetitlich" zu lesen.
Noch war auch der Autor dieser neuen Märchen über Dänemark hinaus kaum bekannt. Doch bereits ein paar Jahre später lag ihm die literarische Welt des Kontinents zu Füßen; sein Ruhm hatte sich in Windeseile verbreitet. Heine in Paris nannte ihn einen "wahren Dichter ", und der Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar wollte ihn als "neuen Goethe" etablieren. Edvard Grieg und Henrik Ibsen, Carl Maria von Weber, Clara und Robert Schumann, Jacob Grimm, Charles Dickens und Richard Wagner erkannten das literarische Genie des Dänen, der schon in jungen Jahren mit einer schier unglaublichen Durchsetzungskraft seinen Weg eingeschlagen und verfolgt hatte und dessen Leben selbst zum Märchen wurde. Geboren am 2. April 1805 in Odense auf der Insel Fünen, hat sich Andersen aus ärmlichsten Verhältnissen gegen eine Vielzahl von Widerständen, aber mit dem unerschütterlichen Willen, berühmt zu werden, in die höchstdekorierten Kreise emporgeschrieben.
Längst kennt jeder "Des Kaisers neue Kleider", "Die Prinzessin auf der Erbse", den "Fliegenden Koffer", "Das Feuerzeug" und "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern ". Doch - abgesehen davon, daß viele der Märchen aus dem umfangreichen Gesamtwerk Andersens noch zu entdecken sind - ist seine abenteuerliche Lebensgeschichte bis heute großenteils kaum bekannt. Die neue und umfassende Biografie unterscheidet sich wesentlich von ihren Vorgängern. Ihr Ziel ist es, den Menschen H. C. Andersen gegen jede Romantisierung so zu zeigen, "wie er war". Im Vordergrund stehen seine Persönlichkeit, seine Weltanschauung, seine Sexualität, über die viel gerätselt und geschrieben wurde, sowie die historische Situation, in die er hineingeboren wurde, und die Gesellschaft, in der er sich behauptete.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.04.2005

Ob es die Namensverwandschaft war, die Jens Andersen so beflügelt hat, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass seine Hans-Christian-Andersen-Biografie "vorzüglich" gelungen ist, findet Rezensent Aldo Keel. Zum einen lese sie sich wie ein "Roman mit Fußnoten", zum anderen beziehe sich der Autor auf Andersens autobiografische Schriften und gleiche diese mit dokumentarischen Funden ab. So trete Andersens Mythomanie auf das Lebhafteste zutage. Bemerkenswert findet der Rezensent, wie der Biograf die Spannung zwischen Realität und Fiktion in Andersens Leben deutlich macht, die Spannung nämlich zwischen der fiktionalen Autobiografie - die im schroffen Gegensatz zu Andersens tatsächlicher Kindheit "geordnete Familienverhältnisse" und "idyllisierte Armut" bereithält - und seinen seiner Kindheit viel ähnlicheren Märchen - mit ihren "chaotischen, zerrütteten und traumatischen Familienmustern". Desweiteren veranschauliche der Biograf, inwiefern der Dichter mit seinen Märchen "etwas vollkommen Neues" geschaffen hat. Zum einen, indem er seine Geschichten in einer Stimmung "leiser Wehmut" getaucht habe, zum anderen, indem er die "Regel des versöhnlichen Schlusses" aufgekündigt habe, und schließlich, indem er die Kinder für voll nimmt und sie darüber hinaus zum Inbegriff der "Reinheit" machte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2005

Der Biograf Jens Andersen ist nicht mit dem dänischen Märchendichter Hans Christian Andersen verwandt, versichert Sybille Lewitscharoff, die von Andersen juniors Lebensgeschichte des Andersen senior sehr angetan ist. Vor allem, weil er Taktgefühl walten lässt. Zwei Beispiele führt die Rezensentin an: das eine ist die lebensbestimmende Freundschaft Andersons mit Edvard Collin; statt sich in Spekulationen über Andersens homoerotische Neigungen zu ergehen, informiere der Verfasser über das schwärmerische Element in männlichen Brieffreundschaften oder über die Verehrung des Androgynen zur Zeit der Romantik. Auch was Andersens soziale Herkunft angehe, lasse der Biograf keinen Zweifel daran, dass sie keineswegs arm und ehrlich, sondern arm und schäbig war. Der Dichter hatte alle Brücken zu seinen Verwandten abgebrochen, er unterstützte sie auch nicht, als er Geld hatte; es ist wohltuend, meint Lewitscharoff, dass sich der Biograf in diesem Punkt jedes moralischen Urteils enthält. Die Biografie hebe "wahre Schätze", lobt sie, manch Unbekanntes - wie eine Fehde mit Kierkegaard - träte zutage, vor allem aber bekämen die Leser ein Gespür dafür - weil der Biograf begeistert und behutsam zugleich vorgehe -, wie anarchisch und frisch Andersen geschrieben hätte.
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