Außer Atem: Das Berlinale Blog

Transportiert ein gewisses Männerideal: David Gordon Greens 'Prince Avalanche' (Wettbewerb)

Von Elena Meilicke
14.02.2013. Es heißt ja, der diesjährige Wettbewerb sei einer voller "Frauenfilme" (was immer das sein mag). "Prince Avalanche" von David Gordon Green ist nun endlich ein Männerfilm – ein richtig großartiger. Alvin (Paul Rudd mit hochgezogenen Tennissocken und Tom-Selleck-Schnurrbart) und Lance (Emile Hirsch, der hier an Jack Black erinnert) verbringen den Sommer 1988 als Straßenarbeiter in einem Waldgebiet in Texas, das vor kurzem von einer Feuerkatastrophe heimgesucht wurde. Nie sah Texas untexanischer aus: statt Sonne, Öl und Cowboys gibt es halbverkokelten Laubmischwald, kleine Tümpel mit schmutzig-braunem Wasser und gelbe Blumen, die an Mitteleuropa erinnern. Ziemlich unpittoresk. Auch die Arbeit ist monoton: kilometerweit müssen Alvin und Lance gelbe Fahrbahnmarkierungen auf die Straße malen und Reflektorenposten aufstellen. Ganz genau nimmt "Prince Avalanche" das dafür nötige Gerät und die Handgriffe in den Blick, zeigt die zähe Textur der dickflüssigen Farbe auf dem Asphalt. Banales und Bodenständiges, in Großaufnahme.


Es heißt ja, der diesjährige Wettbewerb sei einer voller "Frauenfilme" (was immer das sein mag). "Prince Avalanche" von David Gordon Green ist nun endlich ein Männerfilm – ein richtig großartiger. Alvin (Paul Rudd mit hochgezogenen Tennissocken und Tom-Selleck-Schnurrbart) und Lance (Emile Hirsch, der hier an Jack Black erinnert) verbringen den Sommer 1988 als Straßenarbeiter in einem Waldgebiet in Texas, das vor kurzem von einer Feuerkatastrophe heimgesucht wurde. Nie sah Texas untexanischer aus: statt Sonne, Öl und Cowboys gibt es halbverkokelten Laubmischwald, kleine Tümpel mit schmutzig-braunem Wasser und gelbe Blumen, die an Mitteleuropa erinnern. Ziemlich unpittoresk. Auch die Arbeit ist monoton: kilometerweit müssen Alvin und Lance gelbe Fahrbahnmarkierungen auf die Straße malen und Reflektorenposten aufstellen. Ganz genau nimmt "Prince Avalanche" das dafür nötige Gerät und die Handgriffe in den Blick, zeigt die zähe Textur der dickflüssigen Farbe auf dem Asphalt. Banales und Bodenständiges, in Großaufnahme.

In einem ganz wörtlichen Sinne ist "Prince Avalanche" damit ein Straßenfilm, ein Roadmovie – aber eines, das nicht von Reise und Aufbruch handelt, sondern von Rückzug und Einkehr. Eine andere mögliche, ähnlich paradoxe Beschreibung wäre: "Prince Avalanche" ist ein Kammerspiel im Freien, das sich auf wenige Figuren (außer Alvin und Lance gibt es nur zwei alte Leute, die vielleicht Phantome sind) und einen einzigen Schauplatz (den Wald) beschränkt. Darüber hinaus ist "Prince Avalanche" schlicht und einfach eine Komödie, die einem sehr alten Komödienrezept folgt, indem sie ein ungleiches Paar aufeinander loslässt: Lance ist ein unbedarfter Jungspund und leidet im Wald unter schrecklicher Langweile, die er mit Comics und Sexfantasien bekämpft. Die Wochenenden verbringt er in der nächstgelegen Stadt, wo er möglichst viele Mädchen flachlegen will. Alvin dagegen liebt die Einsamkeit, und während der Arbeit hört er Sprachtrainingskassetten, um (ausgerechnet!) Deutsch zu lernen. Im Herzen trägt er treu seine ferne Freundin, der er lange Briefe schreibt. Voneinander halten Alvin und Lance nicht viel, und dabei zuzusehen, wie sich die beiden gereizt anzicken und über Kleinkram in die Haare kriegen, ist eines der Hauptvergnügen dieses Films.

Zwei gegensätzliche Männer also und auch zwei Liebeskonzeptionen: während Alvin die eine und einzige vergöttert, folgt Lance einem eher quantitativ-technischem Verständnis von der Liebe. Schön ist, dass "Prince Avalanche" keineswegs das eine Modell gegen das andere ausspielt: echten Herzschmerz produzieren sie beide, den Herzschmerz eben, der im Buddy Movie nötig ist, damit Männer sich näherkommen können. Letztlich handelt "Prince Avalanche" wahrscheinlich gar nicht so sehr von Mann-Frau-Beziehungskisten, sondern von Problemen des Zusammenseins überhaupt: Lance, der nicht alleine sein kann, und Alvin, der nur alleine sein will, müssen dieses Zusammensein immer wieder neu aushandeln: soll man reden oder "die Stille genießen", miteinander sein oder nebeneinander, zusammen oder getrennt?

Ganz am Ende des Films tauchen plötzlich ein paar typische David-Gordon-Green-Einstellungen auf: ein paar Kinder, die im Sonnenuntergang über braches Gelände tollen, ein paar Waldarbeiter, die Äste absägen. Es ist, als ob "Prince Avalanche" zum Ende hin seine Helden aus der Waldeinsamkeit entlässt, sie gestärkt und gereift (ja, der Film transportiert ein gewisses Männerideal) zurückschickt in das große Miteinander – das, wo auch Frauen sind; im Film übrigens ein lokaler Schönheitswettbewerb niederen Ranges.

Elena Meilicke

"Prince Avalanche". Regie: David Gordon Green. Mit Paul Rudd, Emile Hirsch u.a., USA 2013 (alle Vorführtermine)