Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
30.09.2002. Das TLS rühmt eine neue Puschkin-Biografie, die den russischen Nationaldichter als selbstmörderischen Hitzkopf zeichnet. Die LRB widmet drei Artikel dem drohenden Krieg gegen den Irak. Literaturen feiert den Schund. Im Nouvel Obs stellt Jacques Le Goff ein neues Standardwerk über Bilder im Mittelalter vor. Hanif Kureishi erklärt in L'Espresso, warum uns die Islamisten hassen: zu viel Sex. Für den Economist ist der Crash noch lange nicht zu Ende. 

Times Literary Supplement (UK), 28.09.2002

Titelthema der neuen Ausgabe ist die neue Puschkin-Biografie von T.J. Binyon. Online lesen dürfen wir allerdings nur einen Auszug von Clive James' Lobgesang. Am besten gefällt ihm, dass Binyon nicht darum herumredet, dass Puschkin ein schrecklich "ordinärer" und "obszöner" Mensch gewesen ist: "Admirers of the poise, refinement and balance of 'Eugene Onegin' can?t help thinking of its author as poised, refined and balanced too, the raw facts say that the man was less than that. He was a suicidal hot-head, an indefatigable tail-chaser, a prolific spender of other people's money, a ranting imperialist, a gambler who could never rest until he lost, and altogether a prime candidate for perdition." Besprochen wird außerdem eine neue Kulturgeschichte Russlands von Rachel Polonsky (nur im Print).

Weiteres: Lavinia Greenlaw gibt sich alle Mühe, ihre Enttäuschung über Zadie Smith' zweiten Roman "The Autograph Man" zu verhehlen. Zu viel Selbst-Ironie und zu wenig gelungene Metaphern, bemerkt Greenlaw, behilft sich aber mit mit nahezu mütterlichem Wohlwollen: "Zadie Smith can be so lucid and graceful that it is hard to understand the crisis of confidence which makes her simultaneously overwrite and undermine."

Peter Stothard empfiehlt eine - wie er meint - sehr aufschlussreiche Biografie über den Tory-Politiker Willie Whitelaw, angeblich der Zement, der die Regierung Maggie Thatcher zusammen gehalten hat: "Without him, Margaret Thatcher's revolutionary British architecture would never have risen above its foundations." Und Stephen Burt schließlich stellt Carol Ann Duffys neuen Gedichtband "The Feminine Gospel" vor, in dem die Probleme moderner Frauen in den Himmel wachsen.

London Review of Books (UK), 03.10.2002

Die LRB wartet mit gleich drei Artikeln zum drohenden Krieg gegen den Irak auf. Zum einen versucht Anatol Lieven von der Internationalen Carnegie-Friedensstiftung in Washington mit "The Push for War", hinter die Gründe eines, wie er meint, katastrophalen Krieges gegen den Irak zu kommen. Auf den ersten Blick sähen die langfristigen Vorzüge eines schnellen Sieges über den Irak für die USA wahrlich begrenzt aus, argumentiert er, während "the consequences of failure would be catastrophic. A general Middle Eastern confligration and the collapse of more pro-Western Arab states would lose us the war against terrorism, doom untold thousands of Western civilians to death in coming decades, and plunge the world economy in depression." Aber genau dies scheint in gewissem Sinne das Ziel zu sein, denn die wirklichen Gründe für diesen Krieg, so Lieven, seien eine "unilaterale Herrschaft über die Welt durch absolute militärische Überlegenheit" der USA, ein Land, so schließt er deprimiert, das sich anschickt zu einer "Bedrohung für sich selbst und die Menschheit" zu werden.

Der Artikel zum selben Thema von Charles Glass ist in ganzer Länge nur im Druck zu lesen, macht jedoch mit einem Teaser deutlich, worum es geht: einer historischen Erklärung britischer Prioritäten im Nahen Osten: "Iraq must go!" Und schließlich lässt uns der israelische Schriftsteller Yitzak Laor teilnehmen an seiner Besorgnis, dass ein Krieg gegen den Irak Anlass für Israel sein wird, einen großen Teil der Palästinenser aus dem Land zu werfen: "For when the Western press is full of reports of Anglo-American war aims defined in moral terms, who will notice towns and villages suddenly disappearing? How many noticed during this long and exhausting summer that most of the Palistinian people were under house arrest!"

Des weiteren schreibt James Wood über Zadie Smith (mehr hier) und Perry Anderson über Eric Hobsbawms (mehr hier) autobiografische Aufzeichnungen "Interesting Times", die er als eine Art fünften Band des epochalen Werks von EJHs empfindet und aufs Wärmste empfiehlt.

New Yorker (USA), 30.09.2002

Viel Lesestoff in dieser Ausgabe. Jane Kramer analysiert in einem Kommentar den "Wortkrieg" zwischen Gerhard Schröder und George W. Bush und die Wurzeln des deutschen "Unwillens" gegen Amerika. "There's no doubt in Germany that the election was a three-way contest between two German politicians and one American President. But the people who saw Schröder as somehow transformed by his opposition to what he called Bush's 'adventure' in Iraq couldn't have been following him very closely over the past four years. Schröder discovered the soul of Germany early on, and played it. He knew the resentments. The fact that Germans responded so compassionately to the tragedy of September 11th (?) doesn't alter the reality that in Germany, as in much of Europe, there is a great deal of resentment of the United States, and of its messianic high-handedness. 'Schadenfreude' may be a German word, but it is not exclusively a German feeling. Some Germans explain the resentment by saying that for them history is over."

Außerdem zu lesen: ein Gespräch mit zwei Spielern über die stärkende Wirkung von Haschisch im Baseball, ein umfangreiches Porträt des Sängers Willie Nelson von Adam Gopnik sowie ein Porträt von Michael Powell und dessen Arbeit als Chairman des F.C.C. World (Federal Communications Commission) und die Erzählung "Drummond & Son" von Charles D'Ambrosio. Und natürlich Besprechungen: Paul Goldberger fragt sich, ob das neue Westin Hotel in New York womöglich das hässlichste Gebäude der Stadt ist. Judith Thurman schwelgt in neuen Biografien über Madame Pompadour, Kurzbesprechungen widmen sich u.a. einem Buch über die Geburt des Atomzeitalters anhand der Biografien der Atomphysiker Robert Oppenheimer, Ernest Lawrence und Edward Teller. Alex Ross hörte Konzerte der beiden "neuen Maestros" von Berlin und New York, Simon Rattle und Lorin Maazel, und Hilton Als sah das Musical "Littel Ham". David Denby war wie immer im Kino und stellt den Dokumentarfilm "The Trials of Henry Kissinger" von Eugene Jarecki und Alex Gibney vor sowie den an das Drama von Londonderry erinnernden Film "Bloody Sunday" von Paul Greengrass.

Nur in der Printausgabe: ein Text des Neurologen Oliver Sacks ("Der Mann, der seine Frau mit einem Regenschirm verwechselte") über eine Frau, die nicht sehen kann, was andere sehen; eine Reportage über einen neuen "besten", weil ölreichen Freund Amerikas und Lyrik von Mary Kinzie und Dan Chiasson.
Archiv: New Yorker

Literaturen (Deutschland), 01.10.2002

Zeitgemäß oder nicht, jedenfalls ist das neueste Heft ausgerechnet im heiligen Büchermonat Oktober dem Schund gewidmet, frei nach Susan Sontag "Es ist gut, weil es furchtbar ist." Viel lesen darf man online nicht, so auch nicht das Streitgespräch zwischen Hera Lind und Bodo Kirchhoff.

Frau Löffler untersucht den Umsatz-Einbruch auf dem deutschen Buchmarkt, den sie vor allem den Konzernen anlastet. "Die Großen, namentlich Bertelsmann, Holtzbrinck und Axel Springer, schluckten, was sie kriegen konnten. Sie kauften Verlage gleich reihenweise auf ... Zwei bis vier Prozent Ertrag, wie es bisher rechtschaffener Verleger- und Buchhändler-Brauch gewesen war, sollten da nicht länger genügen." Kein Wunder, dass dabei keine attraktive Literatur gedeihen konnte. "Gefragt ist vielmehr das globalisierte Massenbuch, ein Lesestoff, der sich für eine möglichst 'kataraktartige Totalverwertung' eignet, so die Formel eines hohen Bertelsmanns - also leicht löslich und rückstandsfrei im Kopf, benutzerfreundlich, anwendungsorientiert, weltweit anschlussfähig und leserkompatibel, verfilmbar, besser noch: überhaupt multimedial weiter verformbar, womöglich mit großem Merchandising-Potenzial. Ein Stoff wie 'Harry Potter' eben." Doch damit, hofft Löffler, ist es jetzt hoffentlich erstmal vorbei.

In den Kolumnen verbreitet sich Richard David Precht über persönliche Bestenlisten und offizielle Lieblingsbücher, die ihn nerven; Franz Schuh schreibt über Giuseppe Ferrandinos Roman "Pericle der Schwarze", den er nicht mag, und Boris Langendorf stellt den schwäbischen Buchhändler Jäger vor, dessen erfolgreiche Buchhandlung zu 80 Prozent modernes Antiquariat anbietet. Doch diese 80 Prozent sind "keine lieblos zusammengeschütteten Billigbücher, sondern sorgfältig ausgewählte Titel, größtenteils Restbestände aus den Verlagshäusern, persönlich dort abgeholt und gut präsentiert".

Robin Detje berichtet "Mitten aus New York" von einem auf der erste Seite der "New York Times" versteckten Artikel über den wohl nicht so gelungenen Krieg in Afghanistan, von der Angemessenheit Orwell?scher Angst-Fantasien im heutigen post-11. September-Amerika, einer Schauergeschichte aus den Kinderzimmern der Superreichen und einer wirklichen Schriftstellerin, Paula Fox, deren "A Servant?s Tale" wieder aufgelgt wurde.

Als Bücher des Monats werden besprochen Richard Sennetts "Respekt", Georg Kleins "Von den Deutschen", Oriana Fallacis "Die Wut und der Stolz", Michel Houellebecqs "H.P. Lovekraft", Heinrich Harrers "Mein Leben" - und Christinae Zintzen "begräbt", wie es dramatisch heißt, in der Besprechung von Zoe Jennys "Ein schnelles Leben" eine "literarische Hoffnung".
Archiv: Literaturen

Nouvel Observateur (Frankreich), 26.09.2002

In dieser Woche lohnt eigentlich nur die Lektüre eines einzigen, dafür geradezu hymnischen Textes: "Wer wird, nachdem er diese Bilder gesehen und diese Texte gelesen hat, noch leugnen wollen, dass das Mittelalter außerordentlich kreativ, strahlend und farbenprächtig war?" Mit diesem Satz endet das Loblied des französischen Historikers und Mittelalterexperten Jacques Le Goff (mehr hier) auf "Le Moyen Age en lumiere", ein neues Standardwerk zum Thema. Das Werk, er- und bearbeitet von zehn namhaften französischen Historikern unter der Leitung des Duby-Schülers und Manuskriptexperten Jacques Dalarun, zeigt und kommentiert auf 400 Buchseiten und einer CD-ROM 500 bisher unveröffentlichte Miniaturen und Bilder.

In seiner ausführlichen und sehr differenzierten Besprechung geht Le Goff auch auf die Entstehungsgeschichte des Werkes ein, die nebenbei fast ein ganzes Jahrhundert französischer Mediävistik spiegelt. Denn viele Dokumente waren während der Revolution aus Kirchen- und Klosterbibliotheken konfisziert worden und seither auf Gemeinde- und Stadtbibliotheken im ganzen Land verstreut. Auf insgesamt 300.000 Bilder, von denen bisher immerhin 80.000 systematisch erfasst seien, belaufe sich "dieser Schatz". Laut Dalarun wolle das Buch "die historische Macht der Schönheit" zeigen. Und auch Le Goff geht es bei den Bildern vor allem darum, "ihre Schönheit" zu sehen. Dass sie "fast alle eine religiöse Bedeutung oder Form" kann dabei nicht sonderlich verwundern; schließlich gab es laut Le Goff im Mittelalter, "das Wort religiös gar nicht, weil nichts existierte, das nicht religiös gewesen wäre. Dennoch zeigt das Bild hier etwas, das der Text nicht sagen kann. Die profanen Bilder entwischen dem religiösen Rahmen, um zu zeigen, dass sich die Menschen des Mittelalters mehr und mehr für das irdische Leben, seine Vergnügungen und seine Früchte interessierten. Und eben diese zunehmende irdische Verführung lässt sich in den Bildern beobachten."

Outlook India (Indien), 06.10.2002

Indien kommt nicht zur Ruhe. Das aktuelle Heft beschäftigt sich mit dem Massaker von Gandhinagar, wo am 24. September zwei angeblich muslimische Fundamentalisten einen hinduistischen Tempel gestürmt und 31 Menschen umgebracht haben. Die Titelgeschichte schildert die Angst der muslimischen Minderheit vor einem Rachefeldzug der Hindus und die politischen Folgen für die Provinz und die internationale Politik. Denn wenn die Attentäter wie vermutet in Pakistan trainiert worden sind, könnten nationalistische Brandredner wie Praveen Togadia einen verheerenden Einfluss gewinnen. Der sagt immerhin Sätze wie: "The people of Gujarat will have to be trained to be like soldiers to teach a lesson to the terrorists from Pakistan. India should declare a war on Pakistan, which should be blown into 40 pieces."

Saba Naqvi Bhaumi schreibt über den BJP-Führer in Gujarat, Narendra Modi, für den das Attentat ein politisches Geschenk ist. Prem Shankar Jha bezeichnet die schwelenden religiösen Konflikte in seinem Kommentar als "Indiens Achillesferse". Des weiteren wird die hinduistische Swaminarayan-Sekte vorgestellt, die den Tempel in Gandhinagar betreibt. Gemeldet wird außerdem, dass jetzt Polizisten alle größeren Tempel Indiens bewachen.

Weitere Artikel: Sanya Suri berichtet besorgt von den Umtrieben eines dubiosen "Sikh-Sekretariats" (hier der Webauftritt), das in England die Anerkennung der Sikhs als eigene ethnische Gruppe neben der indischen erreichen will. Ihr Fernziel aber, argwöhnt Suri, ist die Errichtung eines Sikh-Staates auf indischem Gebiet. Soma Wadhwa meldet erfreut, dass laut dem neuen Fünfjahresplan der indischen Regierung endlich mehr für die von politischer Seite bisher vernachlässigten Jugendlichen getan werden soll. S. Anand liefert mehrere bunte Porträts von Tamilen, die neben ihrem Beruf ganz unterschiedlichen Passionen nachgehen und sich etwa als Dokumentarfilmer oder radikale Publizisten verwirklichen.

Besprochen werden Anita Anands Betrachtungen über das "Beauty Game" der indischen Gesellschaft, Raghu Rais Abrechnung mit den Verantwortlichen der Katastrophe von Bhopal, einem indischen Seveso, und Sham Futehallys eleganter Report über eine Zugfahrt nach Bombay.
Archiv: Outlook India

Espresso (Italien), 02.10.2002

In einem Interview spricht der in England lebende Schriftsteller Hanif Kureishi (mehr hier) über den nie aussterbenden Rassismus in England, die Schwierigkeiten der Immigranten und den Stein des Anstoßes zwischen dem Westen und den muslimischen Fundamentalisten: den Sex. "Ein wichtiger Aspekt des Fundamentalismus ist sein Puritanismus, sein Hass auf die Sexualität. Die Situation hat sich verschärft durch die Ausbreitung der Medien, insbesondere durch die Art des Fernsehens, wie es von Berlusconi oder Murdoch betrieben wird. Die Dritte Welt bekommt dank der Satellitenübertragungen den Eindruck, dass es sich in den Medien der Ersten Welt vor allem um Sex und Vulgäres dreht. (...) Es ist eine Art neuer Gewalt, ein medialer Imperialismus, der unerträglich anmutet. Und der dafür verantwortlich ist, den Westen als gottlosen Sündepfuhl darzustellen, bevölkert von unmoralischen Triebtätern."

35 Kilometer vor Doha, mitten in der Wüste Qatars, haben die Amerikaner in den vergangenen zwei Jahren für vier Milliarden Dollar eine gigantische Luftwaffenbasis errichtet. Gianni Perrelli notiert erstaunt, wie die Soldaten dort den American Way of Life hochhalten. "Sie erfrischen sich in einem Schwimmbad, das sie mit Eiswasser und sogar Eiswürfeln herunterkühlen. Sie bekämpfen den Wahnsinn der Wüste indem sie mit voller Lautstärke das amerikanische Urgestein Bruce Springsteen hören. Und sie warten." Wie es aussieht, werden sie bald etwas zu tun bekommen.

Außerdem: Jeremy Rifkin berichtet, wie europäische Ölkonzerne angesichts der unsicheren Weltlage versuchen, möglichst bald alternative Energiequellen wie Wasserstoff zu erschließen, während ihre amerikanischen Kollegen mit Macht in neue Fördergebiete drängen, etwa in Sibirien. Dina Nascetti schreibt vom Wahlkampf in Jugoslawien, wo zwei Jahre nach dem Sturz Milosevics drei Kandidaten mit nationalen Tönen um die Macht kämpfen: Präsident Vojislav Kostunica, Vizepremier Miroljub Labus und der Ultranationalist Vojislav Seselj. Und Giacomo Leso beobachtet, wie Frankreichs Rechte das Land verändert: weniger Lehrer und mehr Polizei, einen größeren Verteidigungsetat und die Abschaffung der 35-Stunden Woche.
Archiv: Espresso

Prospect (UK), 01.10.2002

Der wahrscheinlich interessanteste Artikel in dieser Ausgabe ist nur in der Print-Version zu lesen: Ian Burumas Antwort auf die Frage, "why did Eric Hobsbawm remain loyal to the blood-soaked communist cause for so long?"

In der Titelgeschichte unternimmt Toby Mundy, Verleger bei Atlantic Books, einen ausführlichen Streifzug durch die britische Verlagsgeschichte, um all jene Pessimisten zu widerlegen, die sagen, dass die Kommerzialisierung des Buchmarkts auch eine Verschlechterung der Qualität mit sich bringt. Offensichtlich glaubt er, dass die Dominanz der großen Buchhandelsketten und Verlagsgruppen sogar nützt: "Contemporary books are often printed on better paper, the jackets are better designed and, despite occasional disasters... editorial standards remain high. Writers are better rewarded for their work and the media is bursting with book reviews and related features (the Guardian has recently launched a new book review section of formidable ambition and seriousness). Consider the media attention devoted to recent works of some gravitas such as Francis Fukuyama's 'Our Post-Human Future'? For the first time the consumer can look forward to real price competition." Hm, vielleicht sollte man Toby Mundy mal zu einer Podiumsdiskussion in Frankfurt einladen?

Interessant auch die Rezension von Malcolm Rifkind (der sich als "rechter Unionist" bezeichnet und früher als Minister unter Margaret Thatcher bekannt war) über "Stone Voices", das neue Buch des schottischen "Linksnationalisten" Neal Ascherson. Es geht um Schottland, jedenfalls eigentlich, aber Rifkind, selbst Schotte, nimmt die Gelegenheit wahr, die Eiserne Lady noch einmal gegen den "Polemiker" Ascherson in Schutz zu nehmen. Immerhin, er konzediert: "I have no difficulty with his analysis. Where I part from Ascherson is in his attempt to use this background (der schottischen Geschichte) to suggest the desirability and inevitability of the dissolution of the United Kingdom". Eine kräftigere Umarmung hätte sich Ascherson sicher auch verbeten...

Außerdem gibt es einen Text vom derzeitigen Außenminister Jack Straw über den neuen Islam in Europa und seinen Wahlkreis. Nur im Druck zu lesen sind die Beiträge zur britischen Linken von Michael Jacobs, Dick Leonard und John Gray.

Archiv: Prospect

Economist (UK), 28.09.2002

Economist-Redakteurin Pam Woodall glaubt, die Rezession ist noch längst nicht vorbei: "This is no normal business cycle, but the bursting of the biggest bubble in America's history. Never before have shares become so overvalued (see chart 1). Never before have so many people owned shares. And never before has every part of the economy invested (indeed, overinvested) in a new technology with such gusto. All this makes it likely that the hangover from the binge will last longer and be more widespread than is generally expected." Weiter gibt es viel Lesefutter (im Druck) zur ökonomischen Krise in Europa, Japan und Amerika und wie sie gemeistert werden könnte.

In einem Special fragt der Economist, ob Entwicklungsländer mehr gewinnen oder verlieren, wenn ihre besten Arbeitskräfte emigrieren. Obwohl der Wegzug einige Vorteile bringt - die Emigranten überweisen viel Geld nach Hause, die Daheimgebliebenen werden besser bezahlt - überwiegen doch die Nachteile. "What should developing countries do about the loss of skilled workers? Retention is the first line of defence. No country (North Korea and Cuba apart) now tries to stop its people from leaving. A few, such as China, lean heavily on the families of students studying abroad to ensure that they return. But most need to consider ways to make it more attractive to stay at home."

Von besonderem Intreresse mag der leider nur im Druck lesbare Artikel über die Vergiftung des amerikanisch-deutschen Verhältnisses sein. Immerhin bekommen wir auch so einiges über die USA im freigegebenen Leader geboten: "Pre-empting threats, threatening pre-emption". Darin wird die "new security strategy" von Bush analysiert und die Frage, ob man sich nun ängstigen soll oder, im Gegenteil, froh sein sollte über die amerikanische Wehrhaftigkeit. Das hängt davon ab, so der Autor, "whether you trust America to act more-or-less wisely or if you think it (or Mr. Bush personally) is in fact a Wild West cowboy". Aber weil Bush sich letztlich doch der UN unterwerfe, sollte außer Saddam keiner Angst haben müssen, meint der Economist.
Archiv: Economist

New York Times (USA), 01.01.1970

Eigentlich bin ich ein Erzähler von Kurzgeschichten, sagt William Trevor von sich, "der nur Romane schreibt, wenn er sie nicht in Kurzgeschichten hineinbekommt." Wenn es nach Thomas Mallon ginge, kann das ruhig öfter passieren, denn Trevors ruhiger, kompakter und klarer Stil bleibt auch in seinen Romanen bestehen, wie der Rezensent dankbar vermerkt. Der neue, "The Story of Lucy Gault", beginnt 1921 in den Wirren des irischen Unabhängigkeitskampfes und verknüpft souverän das Drama einer Familie mit achtzig Jahren irischer Geschichte. Und spannend noch dazu. "There is no quieter narrative voice than Trevor's impersonal but irreducible one, and none that so demands a reader's strict attention. Enormities come without warning, never a decibel louder than anything else, from this writer who has long had more in common with Alfred Hitchcock than some of the chroniclers of Irish life with whom he is frequently grouped."

Andrea Barrett lobt Daniel Masons Debütroman "The Piano Turner" (hier eine Leseprobe) als eine "exzellente frühe 21. Jahrhundert-Reproduktion eines späten viktorianischen Romans". Der Klavierstimmer Edgar Drake unternimmt eine Reise nach Burma, um das Piano eines Offiziers mitten im Dschungel zu stimmen. Die Rezensentin ist erstaunt, wie wenig Fehler dieses Buch hat und wie gekonnt Mason das koloniale Burma wieder auferstehen lässt. "His powerful prose style and his ability to embrace history, politics, nature and medicine within a fully imagined 19th-century fictional world would be notable in any writer and are astonishing in one who is just 26 and still in medical school."

Weiteres: Bruce Mc Call porträtiert den Autor und "barside conspiracist, solitary sulker, prowler of bookstore" John Jerome, der, so vermutet Mc Call, vor allem schrieb, um sich von den schlechten Verkaufszahlen seiner Bücher abzulenken. Brillant und beunruhigend zugleich findet Abraham Verghese die Betrachtungen über die Natur des Krieges des Kollegen Chris Hedges, der 15 Jahre im Auftrag der New York Times von einem Kriegsschauplatz zum nächsten gereist ist. Laura Miller empfiehlt Stephen Kings neuen Roman (hier eine Leseprobe) eher wegen der Atmosphäre, nicht der Story. Andrew Delbanco stellt drei Bücher vor, die sich mit den mörderischen, da Qualität suggerierenden und damit prestigefördernden Aufnahmekriterien der Elite-Colleges beschäftigen, bei denen die Studenten oft auf der Strecke bleiben.

Kurz besprochen werden unter anderem der neue leicht melancholische Erzählband von Ellen Gilchrist, der leicht zu unterschätzende Debütroman von Russell Rowland und der leicht mechanische Roman von Christopher Brookmyre. Außerdem werden neue Kinderbücher vorgestellt, die den Kleinen den Wert der Freiheiten in der amerikanischen Gesellschaft nahebringen.

Und zum Abschluss ein November-Gedicht von J.D. McClatchy.
Archiv: New York Times

Spiegel (Deutschland), 30.09.2002

Im kostenpflichtigen Titelpaket geht es diesmal um das angespannte Verhältnis mit den USA. So befürchtet etwa der amerikanische Publizist Jeffrey Gedmin eine neue transatlantische Eiszeit, während Alexander Osang von den Deutschen in New York berichtet, die um ihren guten Ruf bangen.

Gratis zu lesen gibt es unter anderem Artikel über die skandalöse Heiligsprechung des Opus-Dei-Gründers Josemaria Escriva (mehr hier), die Angst vor einem Jahrzehnt der weltwirtschaftlichen Stagnation, die Rebellion der Strauß-Anhänger in der CSU sowie ein Gespräch mit dem Schachweltmeister Wladimir Kramnik vor seinem Duell mit dem stärksten Computerprogramm der Welt. Besprochen wird Nelly Arcans Roman "Hure" (hier die Website dazu).
Archiv: Spiegel

Express (Frankreich), 26.09.2002

"Es war die Zeit der ersten Ausgaben von 'Inrocks', des 200. Geburtstags der Revolution. Jeder glaubte, der Geschichte mehr oder weniger entkommen zu sein", so beschreibt Daniel Rondeau das Frankreich der siebziger Jahre. Nichts schwieriger als das in einem Roman zu schildern, findet er. In Frankreich sind nun gleich zwei Bücher über die Zeit nach 68 erschienen, "Tigre en papier" von Olivier Rolin (einen Auszug lesen Sie hier) und "Exhibition" von Michka Assayas.

In der Bücherschau freut sich Olivier Le Naire desweiteren, dass der Roman "Leur histoire" von Dominique Mainard, ganz und gar nichts mit realistischem Trash gemeinsam habe. Einen Auszug aus dem modernen Märchen, das die Geschichte der 6jährigen Anna erzählt, lesen Sie hier.

Der Express berichtet außerdem vom Ausgang der Wahlen in Deutschland: "La drole de victoire de Schröder", so der Titel von Blandine Milcents Kommentar zu dem Ergebnis der Bundestagswahlen. Die SPD - eine Partei "en panne d'idees", stellt sie fest. Bernard Guetta erklärt, warum Deutschland ein wenig französischer und Frankreich ein wenig deutscher geworden ist.

Weitere Artikel: Thierry Gandillot hat Schamanen auf dem Festival d?Automne in Paris gesehen, das in diesem Jahr den Schwerpunkt Korea hat. Laurence Liban porträtiert den Schauspieler Fabrice Luchini. Er ist derzeit in "Knock" im Theatre de l?Athenee zu sehen. Steven Spielberg erzählt in einem langen Interview, warum er nach 33 Jahren seiner Karriere noch ein Diplom im Fach Film abgelegt hat. Und Eric Conan hat sich durch verschiedene Weinführer gelesen: Es gibt ihn nun endlich, den Petit Larousse des vins.
Archiv: Express