Emmanuel Carrere

Limonow

Cover: Limonow
Matthes und Seitz, Berlin 2012
ISBN 9783882219951
Gebunden, 416 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Claudia Hamm. Eduard Limonow, spätestens seit der Gründung der Nationalbolschewistischen Partei eine der umstrittensten und widersprüchlichsten Figuren Russlands, lebt sein abenteuerliches Leben mit einer schwindelerregenden Intensität. Er verbrachte seine Jugend als Kleinkrimineller und dann gefeierter Underground-Dichter in Charkow und Moskau, lebte als hungerleidender und partyfeiernder bisexueller Dandy-Autor in New York und Paris, kämpfte als Freiwilliger in den Balkankriegen auf Seiten der Serben, schloss sich mit seiner Partei Kasparow und der Bewegung Neues Russland an und saß im Gefängnis. Eine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2012 wurde ihm verweigert, inzwischen agiert er als einer der führenden Köpfe der demokratischen Opposition. Seine politische Haltung oszilliert zwischen extrem rechts und extrem links - immer in Opposition zum Establishment und immer auch als ästhetische Geste einer Gegenkultur.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.01.2013

Eine gewisse Faszinations kann Jörg Aufenanger dem russischen Irrlicht Eduard Limonow nicht absprechen, diesem russischen Underdog, der sich erst in Paris als Dandy und Provokateur inszenierte, dann in Sarajewo zu den serbischen Tschetniks stieß und in Moskau, die nationalbolschewistische Partei gründete. Solange es Emmanuel Carrère bei der Schilderung dieses wahnsinnigen Lebens belässt, hält er den Rezensenten bei der Stange. Doch wenn sich Carrère selbst neben Limonow rückt, verscherzt er sich Aufenangers Sympathie, der dann nur noch ein "verwöhntes, gelangweiltes" Bürgersöhnchen aus Paris sieht, das sich ins Scheinwerferlicht rückt. "Eitel und flau", findet Aufenanger das.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.10.2012

Roman, Thriller, Biografie? Egal, meint Jochen Schimmang, ein Buch wie dieses ist einfach Literatur, und zwar auf der Höhe der Zeit, basta. Schimmang gibt auch einen Eindruck davon, was das heißt: Nämlich in einer einzigen Passage über das sagenhafte und provokante Leben des Schriftstellers, Frauenhelden, Kammerdieners und kryptofaschistischen Politikers Eduard Limonow das ganze System Putin nahezu erschöpfend darzustellen. Geschehen in diesem Buch, das für Schimmang noch jede Menge weiterer Schmankerl zu bieten hat. Nicht nur dass es spannend ist von der ersten bis zur letzten Seite, wie Schimmang versichert, es beschreibt auch das Verhältnis zwischen dem Autor, dem französischen Intellektuellen Emmanuel Carrère, und seinem Gegenstand, vom Autor auch mal einfach "Drecksack" genannt, und ergründet das Verhältnis von Realität und Fiktion. Mal ehrlich, die Gattungsfrage kann man sich da wirklich schenken.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.09.2012

Dass Frankreich sich die Rückschau nicht ersparen möchte, die Pflege der nationalen Mythen, stellt Fritz von Klinggräff bei der Lektüre von Emannuel Carrères "Limonow" fest. Das Buch nennt er routinierte Nationalliteratur, einen historischen Roman, der es dem deutschen Leser ermöglicht, probeweise die französische Perspektive auf das 20. Jahrhundert einzunehmen. Für Klinggräff ein staunenswertes Unterfangen, da die geballte Manneskraft ihm aus dem Text entgegentritt und ein nationales Wir-Gefühl, vom Autor verstanden als Gegenentwurf zur "laschen Zivilgesellschaft". Nebenher, so scheint es, bietet der Autor dem Rezensenten einen Gang durch die Dissidentenszenen von New York und Paris und ein literarisch-politisches Who-is-Who der Epoche. Damit, dass Carrère seinen Helden, den russischen Faschisten Limonow, jenseits von Gut und Böse ansiedelt, hat der Rezensent kein Problem, wie der Autor selbst hält er sich an die spannende Geschichte, die Historie.