Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
21.05.2002. Atlantic Monthly stellt den Killer der europäischen Kampfflugzeugindustrie vor: Joint Strike Fighter. In der London Review of Books denkt Slavoj Zizek über Krieg und Frieden nach. Der Economist fragt, warum der Westen so verliebt in Putin ist. Umberto Eco erklärt in L'Espresso, wie Politiker die politischen Satire unterhöhlen. Profil bespricht Brigitte Hamanns Buch über Winifred Wagner. Im NouvelObs besingt Amos Oz die Schönheit des Kompromisses. Und Literaturen setzt einen Schwerpunkt Afrika.

New Yorker (USA), 21.05.2002

In dankenswerter Gründlichkeit untersucht Michael Specter die Frage, ob Fingerabdrücke lügen können. Über 100 Jahre hatte sich ihre kriminalistische Analyse zu einer Art sakrosankter Methode der Verbrechensaufklärung entwickelt. Inzwischen, berichtet Specter, gibt es allerdings Zweifel an ihrer Unfehlbarkeit. "Scientific methodology is based on generating hypotheses and testing them to see if they make sense; in laboratories throughout the world, researchers spend at least as much time trying to disprove a theory as they do trying to prove it. Eventually, those ideas that don't prove false are accepted. But fingerprinting was developed by the police, not by scientists, and it has never been subjected to rigorous analysis-you cannot go to Harvard, Berkeley, or Oxford and talk to the scholar working on fingerprint research. ? fingerprinting had become so widely accepted in American courts that further research no longer seemed necessary, and none of any significance has been completed."

Roger Angell taucht in seinem Text - mit in diesem Falle verwirrender Gründlichkeit - in die Freuden und Leiden des Baseballs ein. Wir sehen uns deshalb leider außer Stande, darüber irgend etwas Gültiges oder gar Abschließendes zu sagen.

Besprechungen: "Die deutschen Meister", eröffnet Peter Schjeldahl seine Ausstellungskritik, "erobern in diesem Jahr Amerika". Nach der großen - und begeistert aufgenommenen - Gerhard-Richter-Retrospektive im MoMA, überzeugt nun sein ehemaliger Student, der Fotograf Thomas Struth, mit einer umfangreichen Werkschau im Dallas Museum of Art (mehr hier). Alex Ross schwärmt von Yo-Yo Ma und seinem Silk Road Project, einem Festival zentralasiatischer Muksik und Musiker in der Carnegie Hall, außerdem resümiert er Pavarottis "no-show" in der Met, die von der "Post" am 10. Mai mit der Schlagzeile "Fat man won't sing" quittiert worden war. Besprochen werden die Filme "Insomnia" von Christopher Nolan und "Late Marriage" von Dover Kosashvili. Und für die "kurze Liste der wichtigen zeitgenössischen Stücke" wird "The Distance from Here" von Neil LaBute vorgeschlagen, das am Londoner Almeida Theater (mehr hier) Premiere hatte. Eine lesenswerte Rezension zu zwei Büchern über Philo T. Farnsworth, den Erfinder des amerikanischen Fernsehens, streift neben Teilen der Geschichte des Mediums auch die ur-amerikanische Form des Big Business und die Frage nach dem Mythos vom einsamen Erfinder.

Nur in der Printausgabe: Ein Frontbericht aus dem New Yorker Fast-Food-Krieg, eine Reportage über Milosevics Opferrolleninszenierung in Den Haag, eine Erzählung von Patricia Highsmith und Lyrik von Dorothea Tanning und Zbigniew Herbert.
Archiv: New Yorker

The Atlantic (USA), 01.06.2002

Schwerpunkt in dieser Ausgabe ist das Klonen. Die beiden Artikel dazu ("Cloning Trevor" und "Clones and Clowns") sind leider nur in der Print-Ausgabe veröffentlicht.

Online zu lesen ist James Fallows Report über das größte Rüstungsprojekt aller Zeiten: Der Flugzeugbauer Lockheed Martin wird das neue Kampfflugzeug Joint Strike Fighter (JSF) bauen. Die Vereinbarung, sagt Fallows voraus, werde die Rüstungsindustrie weltweit umkrempeln: "The planners at the Pentagon and at Lockheed Martin imagine that as many as 6.000 of these airplanes may be bought, at a total cost of as much as $200 billion, over the next twenty-five years. If all goes according to plan, about 3.000 of the JSFs will go to the original 'investors' in the program - the U.S. Air Force, Navy, and Marine Corps, plus the Royal Air Force and Royal Navy in Britain. All have shared the cost of developing the plane. The other 3.000 are supposed to go to customers in the rest of the world. The idea is that the JSF will be even more attractive as an export airplane. 'If it succeeds, it will simply dominate world market', Richard Aboulafia, a well-known aviation analyst, says. 'It could do to the European fighter industry what the F-16 almost did: kill it.'"

Des weiteren lobt Michael Kelly "The American Way of War". David Brooks betrachtet die palästinensischen Selbstmordattentate ("Suicide bombing is the crack cocaine of warfare. It doesn't just inflict death and terror on its victims; it intoxicates the people who sponsor it ... Martyrdom has replaced Palestinian independence as the main focus of the Arab media.")

Im Literaturteil rehabilitiert ausgerechnet Christopher Hitchens (mehr hier) den britischen Schriftsteller Rudyard Kipling (mehr hier). "Much of Kipling's work, inarguably, was hasty and poorly written", räumt Hitchens ein, doch täte man Kipling unrecht, ihn nur als Maulhelden und Chauvinisten zu betrachten. "If one were to assemble a balance sheet of Kipling's own explicit contradictions, it would necessarily include ... his staunch Anglo nationalism, and his feeling that England itself was petty and parochial; his dislike of nonwhite peoples, and his belief that they were more honest and courageous; his respect for the working class, and his detestation of the labor movement; his exaltation of the empire, and his conviction that its works were vain and transient."

Weitere Besprechungen widmen sich der John F. Kennedy-Biografie "American Son", den gesammelten Schriften H.L. Menckens "On american literature" sowie Antony Beevors Studie "The Fall of Berlin 1945". Und natürlich gibt es auch noch Gedichte von Robert Pinsky, X.J. Kennedy, W.S Merwin und Juan Carlos Galeano.
Archiv: The Atlantic

London Review of Books (UK), 23.05.2002

Die London Review bringt einen langen Text von Slavoj Zizek. Er analysiert die veränderten Bedingungen, unter denen heute Krieg geführt wird, am Beispiel der Antiterror-Mission und des Nahost-Konflikts und hinterfragt das Vorgehen der USA, "(to) create the climate for what amounts to a state of emergency, with the occasion it supplies for a potential suspension of rule of law, and the state's assertion of its sovereignty without 'excessive' legal constraints". Wie die Grenzen zwischen Krieg und Frieden beziehungsweise einer "Notfall-Situation" neuerdings verwischt werden, Zizek, büßt auch der "Feind" zunehmend seine Konturen ein: "it is no longer the Evil Empire, i.e. another territorial entity, but an illegal, secret, almost virtual worldwide network in which lawlessness (criminality) coincides with 'fundamentalist' ethico-religious fanaticism". Weil aber diese Größe keinen positiven rechtlichen Status besitzt, bedeutet diese Neukonfigurierung das Ende internationalen Rechts. Der Feind wird zum "Homo sacer", wie ihn Giorgio Agamben in seinem gleichnamigen Buch wiederbelebt, zum schutzlosen Verfluchten.

Ferner: Jenny Diski bespricht Prosa von Philip Larkin, und Inga Clendinnen vergleicht Raul Hilbergs scharfsinnige wie akkurate Analyse der "Quellen der Holocaust-Forschung" mit Jan T. Gross' Buch "Nachbarn" über das Jedwabne-Massaker und stellt fest, wie sehr der Hilberg-Stil abfärbt: "moral energy, commitment to accuracy, and the maintenance of a continuing open dialogue between historian, sources and reader" bestimmten das Buch. Keine Spur von der Kritik, die Gross bei uns einstecken musste.

Literaturen (Deutschland), 01.06.2002

Schwerpunktthema ist in diesem Monat Afrika. Unter anderem findet sich ein Gespräch zwischen dem angolanischen Journalist Emanuel Matondo und dem deutschen Schriftsteller Uwe Timm über das Verhältnis von afrikanischen und europäischen Intellektuellen, ein Text von Hans-Christoph Buch über den Hintergrund von Joseph Conrads "Herz der Finsternis" und ein Porträt des somalischen Autors Nuruddin Farah von Sigrid Löffler - nichts davon ist leider online zugänglich. Lesen darf man aber ein Gespräch mit demEthno-Psychoanalytiker Paul Parin, der unter anderem erklärt, was man können muss, wenn man in Afrika auf Expeditionen geht: Autos reparieren. Das Beispiel von Bernhard Grzimek hatte sie gewarnt. "Der schrieb in seinem ersten Afrika-Buch, dass er den Hauptteil seiner Expeditionszeit in Autogaragen verbracht hatte. Also lernten Fritz Morgenthaler und ich, bevor wir losgefahren sind, von Grund auf Automechanik. Wir sind im Ganzen knapp vier Jahre in Afrika unterwegs gewesen und mussten so gut wie nie in eine Werkstatt. Wir konnten unseren Jeep komplett auseinander nehmen und wieder zusammensetzen."
Archiv: Literaturen

Economist (UK), 18.05.2002

Eine Liebesgeschichte erzählt die Cover Story des Magazins: Putin und der Westen. "After 70 years of blind-alley communism, and ten more of drift, Mr Putin is making a determined bid for Russia to end its self-estrangement and join the concert of developed, democratic countries alongside America and Europe ... an economically capable Russia; not the superpower it once was, but a power among others, respected for the contribution it can make, not feared and quarantined for the damage it can do. Such is Russia's opportunity. Will it grasp it?" Ein das Thema vertiefender Special Report bleibt da eher vorsichtig: "Stopping bad habits is one thing. Starting good new ones is harder."

Ein Inland-Artikel befasst sich mit der 100.000 Pfund schweren Parteispende, die Tony Blair von dem britischen Zeitungs- und Pornoverleger Richard Desmond erhalten hat. Heikle Angelegenheit, meint der Economist, wenn auch echte Herzensgründe hinter dem Deal stecken ("Einige von Desmonds Publikationen wie Big & Black, 50 & Over, Working Girls und The Very Best of Mega Boobs lassen die alte Labour-Leidenschaft erkennen, soziale Ausgrenzung zu bekämpfen"). "Blairs mistake is simply that he has done a rotten deal ... The wooing of newspaper proprietors, however vile, is normal politics. But Mr Blair has accepted money that most Labour supporters will regard as tainted. In their eyes, he has been, however slightly, diminished."

Außerdem erläutert ein Überblick über die internationalen Finanzmärkte die Schwachstellen des Kapitalismus (hier der einleitende Beitrag), ein kurzer Artikel findet, dass "Spiderman" eine prima Sozialstudie unserer Städte abgibt, "Books and Arts" empfiehlt wärmstens die Lektüre von Onora O'Neills nüchterner wie kluger Abhandlung über "Autonomy and Trust in Bioethics", und ein Nachruf weint Krokodilstränen um den geltungsbedürftigen Mafiaboss Joseph Bonanno, der einst den "Doppelsarg" erfand und sich doch immer bloß als Gangster behandelt fühlte.
Archiv: Economist

Outlook India (Indien), 27.05.2002

In Outlook wird die Schriftstellerin Arundhati Roy scharf attackiert. Die Schilderungen Roys von den Ereignissen in Gujarat und ihre Vorwürfe gegen hinduistische Vereinigungen wie den Vishwa Hindu Parishad (Outlook vom 6. Mai) seien übertrieben, wo nicht gelogen, behauptet Balbir K. Punj in einem Beitrag: Handelte es sich bei Gujarat wirklich um ein "Pogrom", wie Roy schreibt? Der Verlust von 900 unschuldigen Leben von Moslems und Hindus, so Punj, sei definitiv kein Genozid an irgendeiner Gemeinschaft, sondern vielmehr ein weiteres schändliches Ereignis in der langen, unglücklichen Kette kommunaler Ausschreitungen in Indien. Dämonisierungen wie diejenige Roys seien überhaupt erst schuld an einem makabren Vorgehen wie in Godhra (dem Gujarat folgte). "Die bei den Ausschreitungen tatsächlich Beteiligten müssen für ihre abscheulichen Verbrechen bestraft werden, aber was ist mit denen, die sich an der Wahrheit und an Indien vergangen haben, indem sie seinen Ruf in der Welt ruinierten?" In einem Brief, den das Magazin ebenfalls abdruckt, entschuldigt sich Roy übrigens in aller Form für die unbeabsichtigten Falschinformationen in ihrem Artikel.

Außerdem: Die Cover Story beschreibt das "Geduldsspiel", das Indien mit Pakistan spielt: Das Militär wolle zwar Krieg, der Druck durch die Vereinigten Staaten und Pakistans nukleare Abschreckung seien aber (gottlob!) zu groß. Es gibt einen Nachruf auf den großen Urdu-Dichter und Aktivisten Kaifi Azmi, und besprochen werden Bharati Mukherjees Roman "Desirable Daughters" - eine "bezaubernde, witzige und einfühlsame" Familiensaga um indische Immigranten in den USA - sowie eine ungewöhnlich kritisch geführte Analyse des indisch-pakistanischen Kriegs um den 21000 Fuß hoch gelegenen Stützpunkt Sachen in Kashmir.
Archiv: Outlook India

Espresso (Italien), 23.05.2002

Warum halten wir Verleumdungsklagen gegen seriöse Leitartikler für "normal", würden uns aber wundern, strengte jemand ein Verfahren gegen den Satiriker an? Umberto Eco erklärt's, indem er in seiner Kolumne das Prinzip politischer Satire analysiert. Diese, schreibt Eco, transportiert zwar eine auf einen feststellbaren Urheber zurückgehende politische Botschaft, und die bekannten italienischen Satiriker (Forattini, Giannelli, da Vauro etc.) sind echte Kolumnisten, deren Ansichten durchaus schwerer wiegen können als jeder Leitartikel, richtig verantwortlich sind sie aber trotzdem nicht. Zum einen, weil sie es mit einem Lächeln sagen, zum anderen, weil die Satire in der strikten örtlichen (Hofnarrentum) bzw. zeitlichen (Karneval) Begrenzung gründet. Jenseits davon hört der Spaß auf. Die Schwierigkeit heute, meint Eco, besteht in der zunehmenden Verwischung ebendieser Grenzen, der Vermengung von Ernst und Spektakel durch die permanente Karnevalisierung unsres Lebens. "Karnevalisierung, das ist, wenn Benigni Berlinguer umarmt, wenn D'Alema im Fernsehen über seine Schuhe plaudert, Karnevalisierung sind Berlusconis Betrügereien und Rockkonzerte mit dem Papst." Genau das aber sei die Karikatur aller politischen Satire.
Archiv: Espresso
Stichwörter: Eco, Umberto, Satire, Karneval

New York Times (USA), 21.05.2002

Angesichts eines drohenden neuen Krieges in der Golfregion sicher ein wichtiges Buch, das Fouad Ajami uns in der Times vorstellt: "The Reckoning" von Sandra Mackey - eine, wie Ajami versichert, verständlich geschriebende Geschichte des Irak, die allerdings eine schwerwiegende Schwäche hat: "Mackey has delivered a muddled message because she does not really understand the wellsprings of Arab radicalism. She believes that the radicalism and the anti-Americanism arise from our ties to Israel, when they spring from countless other sources: a deep alienation between ruler and ruled, a rage born of the disappointments of the young, a scapegoating that shifts onto America the blame for the ills of an Arab world unsettled and teased by exposure to a modern civilization it can neither master nor reject."

Im "Close Reader" verteidigt Judith Shulevitz, was sie als das Hans-Castorp-Erlebnis beschreibt: eine Lektüre frei von Weisungen und genährt von reiner Leidenschaft. Was Oprahs Buchclub im US-Fernsehen leisten konnte - "to nurture her fans even after they turned the television off", schreibt Shulevitz, werde durch Lektüreverordnungen wie das ominöse "One Book, One City program" wohl kaum erreicht. "What they have in mind is what economists call social capital, which is the trust between people that lets them get along well enough to build businesses and other useful institutions. One Book, One City people believe that reading as a group will turn us into a unified body of productive citizens." Literatur aber gedeihe auf dem Boden reicher, kritischer Individualität, nicht in irgendwelchen morschen Vorstellungen von gemeinsamer Erbauung.

Ferner freut sich Holland Cotter über die erste vollständige Biografie der Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven alias Else Hildegard Plotz aus Germany, die im New York der zehner Jahre sexuelle Feldforschung betrieb und der Dada-Bewegung frische Impulse verlieh (zum Beispiel schenkte sie Marcel Duchamp ein Urinal, die spätere "Fountain"). Und ein Kulturwissenschaftler legt eine Apologie des Graffitos vor, das er als artikulierten "sozialen Aufschrei" verstanden wissen will. Ja, als was den sonst!
Archiv: New York Times

Profil (Österreich), 18.05.2002

Sie nannte ihn liebevoll Wolf, er sie Winnie. Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann spürt in ihrem neuesten Buch "Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth" dieser innigen Beziehung zwischen der Herrin des Grünen Hügels und des größten Feldherren aller Zeiten auf 688 Seiten nach. Nach ihrem Bestseller "Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators" (1996) korrigiert sie nun manche liebgewordenen Klischees über Hitlers Musen-Freundin. In der aktuellen profil-Ausgabe (und im neuen Spiegel-Heft) wird ihr Werk groß herausgestellt. "Zweifellos wieder ein Meisterstück dieses Genres", schreibt der Rezensent, der Kulturpublizist und Professor für Philosophie Konrad Paul Liessmann. Der marktgerechte Untertitel des Buches sei jedoch irreführend - nicht "Hitlers Bayreuth" müsste es heißen, sondern "Bayreuths Hitler". Was Hamann vorlege, sei "nicht eine Analyse von Hitlers Verhältnis zur Kunst Richard Wagners, sondern eine detailverliebte und etwas geschwätzige Schilderung, wie man in Bayreuth Hitler sah. (...) Eine schier unendliche Kette von Geschichten, Anekdoten, Briefen, Gerüchten, Verhältnissen und Namen." Eine kleine Leseprobe finden Sie beim Verlag.
Archiv: Profil

Spiegel (Deutschland), 21.05.2002

Zum "Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes" erscheint der Online-Spiegel im schlanken Feiertags-Look. Weil der Titel Gott in einer wissenschaftlich bestimmbaren Hirnregion vermutet (wo womöglich auch die für dergleichen Einfälle verantwortlichen Synapsen angesiedelt sind) und weder das Gespräch mit Francis Fukuyama (über Biotechnik) noch dasjenige mit Andre Glucksmann (über Le Pen) freigeschaltet wurde, wenden wir uns einem Interview mit Joschka Fischer zu:

Fischer legt hier seine Visionen vom Verhältnis zwischen den USA und Europa dar und eine in seiner Zeit als Frankfurter Taxifahrer (die GIs zahlten so gut) gründende Sympathie für die Staaten an den Tag: Nicht ein Zuviel an Amerika sei das Problem, sondern die Schwäche Europas müsse in der europäischen Integration, in der Vollendung des politischen, des demokratischen Europa überwunden werden. Die transatlantischen Beziehungen jedoch blieben "der zentrale Eckpfeiler für Frieden und Stabilität im 21. Jahrhundert". Einer transatlantischen Diskussion für würdig erachtet Fischer allerdings den Unilateralismus und ob nicht "Nation Building", die Ausdehnung der Hilfe für arme Länder sowie eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung und Ressourcenverteilung sinnvollere Maßnahmen für Frieden und Sicherheit darstellen als die Expansion der Rüstungshaushalte, "in den Größenordnungen, wie wir es gegenwärtig erleben."
Archiv: Spiegel

Express (Frankreich), 16.05.2002

In einem Gespräch mit Denis Rosano erzählt George Lucas, wie er während seines Studiums an der Filmhochschule die Filme von Lang, Eisenstein und Kubrick entdeckte. Auf den Vorwurf, sein Kino sei reines Hollywoodkino, antwortet Kubrick: "Obwohl ich selbst etwas ganz anderes mache als Lars von Trier, mag ich die Dogma-Filme. Die Leute, die versuchen, das Kino auf bestimmte Kategorien festzulegen, sind vergleichbar mit denjenigen, die versucht haben, den Impressionisten zu unterstellen, dass ihre Kunst keine Malerei sei."

Auf dem Filmfestival in Cannes hat sich Sophie Grassin nach Frauen im Filmgeschäft umgesehen und Kurzporträts verfasst. Vorgestellt werden die Regisseurin Nicole Garcia, deren Film "L'Adversaire" einer der vier französischen Filme im Wettbewerb ist, die Produzentin Frederique Dumas, die für den Film "No Man?s Land" von Danis Tanovic gearbeitet hat, Antoinette Boulat, Casting-Chefin, sie wählte die Schauspielerinnen für Francois Ozons "Huit femmes" aus, Carole Scotta und Caroline Benjo, beide Produzentinnen, Delphine Gleize, Regisseurin, und Jeanne Lapoir: Sie blickte als Kamerafrau unter anderem für Francois Ozon durch die Linse.

Weitere Artikel: Setzen Sie schon mal die Taucherbrille auf, denn die Bücherschau schlägt diese Woche Wellen und widmet sich allem, was sich auf dem Buchmarkt dem Meer verschrieben hat. Unter den maritimen Büchern: "Des bateaux et des hommes" von Jean Michel Barrault, "Dictionnaire d?histoire maritime" herausgegeben von Michel Verge-Francesci, "Dictionnaire des marins francais" von Etienne Taillmite (lesen Sie hier), "L?archipel des heretiques" von Mike Dash (lesen Sie hier). Benoit Heimermann geht in seinem Buch "Tabarly" dem mysteriösen Verschwinden eines Seemanns nach. Auf Hawaii spielt der Roman "L?hotel des miseres" von Paul Theroux, den Andre Clavel empfiehlt. "Menschen in Scheißhotels" steigen in diesem Roman im "Hotel Honolulu" ab.
Archiv: Express

Nouvel Observateur (Frankreich), 17.05.2002

Amos Oz, israelischer Autor und Veteran der Friedensbewegung hat einen Roman in Versen geschrieben, französischer Titel: "Seule la mer" ("Nur das Meer" - auf deutsch scheint das Buch noch nicht erschienen zu sein). Im Interview spricht er über die Wüste und Schubert und über die Schönheit des Kompromisses in der Kunst und im Leben: "Als ich jung war, hasste ich diese Idee, die mir mit Unehrlichkeit, Opportunismus, Feigheit gleichzusetzen schien. Mit den Jahren habe ich begriffen, dass der Kompromiss ein Synonym für Leben ist ist. Und dass das Gegenteil des Kompromisses nicht Integrität oder Idealismus ist, wie ich dachte, sondern Fanatismus und Tod. Zusehends fasziniert mich heute nicht nur die Notwendigkeit, sondern die Schönheit des Kompromisses. Jedes Kunstwerk ist eine Summe von Kompromissen. Eine Sinfonie ist ein Kompromiss unter verschiedenen Instrumenten. Glauben Sie mir, ich habe 42 Jahre lang mit der selben Frau gelebt, ich weiß, was ein Kompromiss ist..."