Martin Walser

Ein liebender Mann

Roman
Cover: Ein liebender Mann
Rowohlt Verlag, Reinbek 2008
ISBN 9783498073633
Gebunden, 284 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Der 73-jährige Goethe - Witwer und so berühmt, dass sein Diener Stadelmann heimlich Haare von ihm verkauft - liebt die 19-jährige Ulrike von Levetzow. 1823 in Marienbad werden Blicke getauscht, Worte gewechselt, die beiden küssen einander auf die Goethe'sche Art. Er sagt: Beim Küssen kommt es nicht auf die Münder, die Lippen an, sondern auf die Seelen. "Das war sein Zustand: Ulrike oder nichts." Aber sein Alter holt ihn ein. Auf einem Kostümball stürzt er, und bei einem Tanztee will sie ein Jüngerer verführen. Der Heiratsantrag, den er Ulrike trotzdem macht, erreicht sie erst, als ihre Mutter mit ihr nach Karlsbad weiterreisen will. Goethe, mal hoffend, mal verzweifelnd, schreibt die "Marienbader Elegie".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2008

Mit diesem Buch erweist sich Martin Walser zunächst einmal als Oscar Wilde unserer Tage. In diesem Buch, in dem es um Goethe geht, den man aber auch einfach als sprachverliebten alten Mann nehmen darf, der sich in ein junges Ding verliebt, in diesem Buch macht Walser Goethe und Goethe Walser zum Meister in der "undeutschen", wie Johanna Adorjan betont, "Kunst der Konversation". Und sonst: die Liebe. Über das Innere des alten Mannes, der Goethe heißt, erfährt man viel. Sehr bedauert es Goethe, dem sonst alles gelang, zum Beispiel, dass er dem männlichen Geschlechtsteil in der deutschen Sprache kein unverdächtiges Wort zu geben versteht. Hundert Seiten lang findet die Rezensentin Johanna Adorjan diese Liebesgeschichte einfach nur "herrlich". Ja: "Screwball-Comedy". Ganz genau gesagt: bis Seite einhundertelf. Dann aber: Skandal, Abschied, lange Briefe. Die jedoch stammen leider sehr eindeutig von Walser, der nun weder nach Oscar Wilde noch nach Goethe klinge. Vielmehr seien sie voller unbegreiflicher "Larmoyanz", klagt Adorjan. Sehr schade sei dieser jähe Absturz eines Buches, das mehr als viel versprechend beginnt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 03.03.2008

Wiebke Porombka hat die jüngsten Romane von Philip Roth und Martin Walser über alternde Schriftsteller gelesen und dabei nicht wenig gelitten, doch gerade wegen der schonungslosen, mitunter gar quälenden Darstellung sieht sie die literarischen Projekte als gelungen an. Martin Walser erzählt von der glühenden Passion des greisen Goethe für die 19-jährige Ulrike von Levetzow, wobei die junge Frau im Grunde gar nicht richtig in Erscheinung tritt, wie die Rezensentin betont. Dafür lasse der Autor Goethe "auf Gedeih und Verderb" vor sich hin schwadronieren, während der Dichter gleichzeitig darum bemüht ist, die Schäden, die ihm das Alter bereits zugefügt hat, zu kaschieren, so Porombka mitfühlend. Insbesondere die "Ambivalenz" Walsers gegenüber dem alternden Goethe, die unentscheidbar macht, ob es sich bei dem Buch um eine "Demontage" oder im Gegenteil um eine mitfühlende "Aneignung" des greisen Dichterfürsten handelt, macht diesen Roman so reizvoll, streicht die Rezensentin hervor. Allerdings nähert sich Walser in seinem redseligen Mitteilungsbedürfnis insbesondere in der zweiten Hälfte des Romans mitunter allzu sehr seinem Helden an, kritisiert die Rezensentin sanft, die insgesamt aber doch fasziniert ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.03.2008

"So diskret, so zart!" für Rezensent Martin Lüdke ist dies Martin Walsers schönster Roman geworden. Woran Jean Paul Sartre mit seinem Flaubert-Buch scheiterte, Walser ist es aus seiner Sicht gelungen: nämlich ein fiktiv-biografisches Buch über ein nationales Literaturmonument, genauer Johann Wolfgang von Goethe zu verfassen. Und obwohl Walsers erster historischer Roman in der Vergangenheit spielt, genauer gesagt im Juni 1823, als es zur literaturgeschichtlich äußerst relevanten Marienbader Begegnung des fast vierundsiebzigjährigen Dichterfürsten mit der neunzehnjährigen Ulrike von Levetzow kam, handele er für Lüdke doch ganz von der Gegenwart. Walser habe sich vorgenommen, das Thema "Greis liebt Mädchen" ohne jede Peinlichkeit zu verhandeln und versetze sich zu diesem Zweck tief in das Objekt seiner Anschauung, den Herrn von Goethe herein. Dennoch ahme Walser nie Goethes Sprache nach, bleibe ganz bei sich. So wird Walser für den Rezensenten selbst dann noch nicht peinlich, wenn er veritable Goethe-Briefe erfindet, erweist sich durch seinen Roman als "letzter Platoniker" unserer Tage : als einer der "unbeirrt an die ewige Kraft des Eros" glaube, an die Liebe, die alles bewege und auch vom Alter nicht zu besiegen sei.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.02.2008

Tief bewegt zeigt sich Joachim Kaiser über den Roman eines berühmten alten Mannes über einen anderen berühmten alten Mann. Martin Walsers Goethe-Roman steckt für ihn übervoll mit "Erstaunlichem". Und ist gar nicht peinlich, wie Kaiser versichert, sondern anmutig in der Schilderung von Goethes später "Liebes-Passion" zu Ulrike von Levetzow. Walsers Sprachgewalt findet Kaiser hier auf ihrem Höhepunkt, die Darstellung inspirierter noch als in Thomas Manns "Lotte". So "authentisch geglückt" Goethes Passion durch "lebendigstes Zeitkolorit" und "Dichter-Gescheitheit" dem Rezensenten auch erscheint, so eindeutig ist es für ihn eine Schöpfung "Walser'scher Spiritualität, Bilder- und Übertreibungsfülle". Gut so, meint Kaiser, der dem Autor "sprachliche Anachronismen" und eine, wie er zu denken gibt, nicht unproplematische Drift hin zum "grimmigen Goethe-Essay" im Schlussteil durchgehen lässt. Lieber als ödes Historisieren ist Kaiser das allemal, zumal der Stil des Meisters eh "unerfindbar, unnachahmlich" sei.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.02.2008

Dies sei einer von Martin Walsers schönsten Romanen geworden, befindet Rezensent Ulrich Greiner noch voll des Leseglücks. Es gehe um die Liebesgeschichte des 73-jährigen Goethe zu Ulrike von Levetzow, die gut ein halbes Jahrhundert jünger war. Literaturgeschichtlich relevant wurde die Liebe von 1823, die so recht keine werden sollte, in Goethes "Marienbader Elegien", die auch bei Walser, wie wir lesen, vollständig abgedruckt sind. Doch weil dieser, wie uns Greiner versichert, keinen Augenblick lang der Versuchung erlag, Goethes Ton zu imitieren, sondern ihn höchstens "subtil orchestrierte" wie einst Mussorgskij Ravels Klavierstück "Bilder einer Ausstellung", lese man Goethes Elegien ganz wie einen natürlichen Teil des Walser-Romans. Im Übrigen begeistert der Roman den Rezensenten mit dem darin so vollendet vorgenommenen Versuch, den Leser mit der Peinlichkeit zu versöhnen, die das Begehren eines alten Mannes nach einer sehr jungen Frau bedeutet. Auch lernt Greiner von Walsers Goethe, dass sich für die "denkende, empfindsame Seele" in der Peinlichkeit die Kluft zwischen Ich und Welt auftut.