Sybille Bedford

Ein Vermächtnis

Roman
Cover: Ein Vermächtnis
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Berlin 2003
ISBN 9783821845197
Gebunden, 360 Seiten, 27,50 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen und mit einem Dossier von Reinhard Kaiser. Die Jahre, bevor in Europa die Lichter ausgingen, sind merkwürdig unterbelichtet geblieben. Nicht zufällig ist es eine Emigrantin, gebürtig in Berlin, aufgewachsen zwischen Deutschland, Frankreich und England, die diese Lücke geschlossen hat. Vertraut mit der Atmosphäre der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, mit dem jüdischen Großbürgertum Berlins ebenso wie mit dem badischen Landadel, entwirft Sybille Bedford ein Diorama dieser fernen Welt. Sie verbindet Elemente des Bildungs- und des Familienromans mit der politischen Kolportage. Boom und Ruin, Antisemitismus und Kulturkampf, militärischer Wahn und liberales Aufsteigertum bilden den historischen Hintergrund des Romans, dessen Handlung ein halbes Jahrhundert umspannt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.12.2003

Gewissermaßen zu ihren Wurzeln zurückgekehrt sei Sybille Bedford in ihrem bekanntesten Buch, dem 1956 erstmals veröffentlichten "Vermächtnis", erläutert Renate Wiggershaus. Die 1911 geborene Bedford verdankt ihre Existenz, wie diese selbstironisch vermerkt haben soll, der Heirat ihrer englischen Mutter mit einem jungen Mann aus ostpreußischen Adel, den diese aus Mitleid oder Solidarität geehelicht haben muss, nachdem sein Bruder in einem Duell erschossen worden war. Dieses Duell ging als die "Allenstein"-Affäre in die deutsche Geschichte ein, informiert Wiggershaus. Sybille Bedford wuchs dann in England auf, schrieb Romane und berichtete u.a. von den Auschwitz-Prozessen in Frankfurt. Ihr "Vermächtnis", so Wiggershaus, sei weit mehr als eine Dokumentation jener Ereignisse um die Allenstein-Affäre oder die Dokumentation einer verschwundenen Epoche, jener (ost)preußischen Adelswelt vor dem Ersten Weltkrieg. Bedford ging es darum, betont Wiggershaus, das Wesen dieser Epoche, dieser Schicht zu ergründen, gerade auch im Hinblick auf den Nationalsozialismus. Indem die Autorin die realen Namen verändert habe, gebe sie ihren Erinnerungen ein fiktives Element, das einen freien Umgang mit ihnen erlaube und für Wiggershaus zu einer vorteilhaften Verdichtung und Essenzialisierung des Romangeschehens beiträgt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.09.2003

Als dieser Roman unter dem Titel "Das Legat" (im Original "A Legacy") in den 60er Jahren zum ersten Mal auf Deutsch erschien, hatte er kaum eine Chance, meint Verena Auffermann, weil die Zeit damals so ausgesprochen humorlos war. Ganz anders eben als der Roman, der nun in einer ausgezeichneten Neuübersetzung von Reinhard Kaiser vorliegt. Der Roman erzählt deutsche Familiengeschichte - genauer gesagt die Geschichte dreier durch Heirat miteinander verbundener, aber höchst unterschiedlicher Familien - im19. Jahrhundert. Familien mit solch herrlichen Spleens und eigentlich unvereinbaren Widersprüchen würde es heute kaum noch geben, seufzt Auffermann hörbar. Möglicherweise läge es ja auch daran, sinniert sie weiter, dass die Autorin halb Engländerin sei und ihren britischen Sinn für Skurriles ausgelebt habe. Der Roman jedenfalls spielt in der Zeit zwischen 1870 und 1917 und hat alle Qualitäten eines Fontane-Romans, lobt Auffermann: ironisch und illusionslos. Bedfords Blick auf die deutsche Gesellschaft sei scharf, aber nicht gehässig, zugleich liege diese voremanzipatorische Epoche so lange zurück, dass man mit wahrem Vergnügen in ihrem Seelenleben spazieren gehe.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.07.2003

Voller Hochachtung schreibt Rezensent Sebastian Handke über diesen wilhelminischen Gesellschaftsroman von Sybille Bedford. Bedford, 1911 in Berlin als Tochter des badischen Adeligen Maximilian von Schoenebeck geboren, wuchs in Italien und Frankreich auf, bevor sie nach England ging und dort als Verfasserin einer Biografie von Alduos Huxley zu Ehren kam, die noch heute als Standardwerk gilt. In ihrem Klassiker "Ein Vermächtnis" aus dem Jahr 1956 erzählt sie "in eleganter Sprache", mit Humor und großzügiger Distanz, wie Handke meint, die Geschichte dreier Familien: Da sind die Feldens, eine alte landadlige Familie, in der französisch gesprochen und Preußen verachtet wird, die katholisch-aufgeschlossenen, gräflichen Bernins und da ist die jüdisch- großbürgerliche, dabei doch ein wenig provinzielle Familie Merz. So wenig sie gemein haben, so eng führt das Schicksal sie zusammen und in diesem Schicksal kündigt sich der Niedergang eines Landes an. Der naheliegende Vergleich mit den "Buddenbrooks" sei ein wenig unfair, findet der Rezensent, doch nicht ganz abwegig.