Sherko Fatah

Der letzte Ort

Roman
Cover: Der letzte Ort
Luchterhand Literaturverlag, München 2014
ISBN 9783630874173
Gebunden, 288 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Die Welt um Albert, einen deutschen Aussteiger, ist geschrumpft, seit er im Irak entführt wurde. Sie besteht nur noch aus dem, was der Zwischenraum zwischen den roh gezimmerten und doch unüberwindlichen Holzlatten des Verschlags zeigt, in den seine Entführer ihn eingeschlossen haben. Nie hätte er sich ausmalen können, wie sich das anfühlt: die Angst, gefesselt in einem Stall zu verrecken, umschwirrt von Fliegen, getrennt von seinem Übersetzer Osama, seiner Brücke in die fremde Kultur. Längst ist Osama, ein Einheimischer, der aus einer liberalen Familie stammt, zum Freund geworden. In der Gefangenschaft, der Willkür ihrer Entführer ausgesetzt, die sie mal getrennt, mal zusammen, von Ort zu Ort schleppen, begannen sie zu reden: über den Hass zwischen den Kulturen, der mit dem Denken beginnt, und über ihre eigenen Leben. Albert wird bewusst, wie wenig Osama, der sein Land im Krieg erlebt hatte und nun als Verräter gefangen gehalten wird, mit seinen Geschichten anfangen kann. Und doch ist das Reden das einzige, was ihnen bleibt am vielleicht letzten Ort ihres Lebens, an dem das Leben der anderen weiter geht, als wäre nichts geschehen. Beide geraten in der aussichtlosen Situation an ihre Grenzen und verlieren sich in ihrer eigenen Angst und im wachsenden Misstrauen gegen den anderen. Als ihnen die Flucht gelingt, ist zwischen ihnen nichts mehr wie zuvor.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.10.2014

Starker Tobak, aber etwas anderes ist bei einem Roman über den Konflikt im Irak wohl nicht zu erwarten - erst recht nicht, wenn er aus der Feder des deutsch-irakischen Schriftstellers Sherko Fatah stammt, meint Christian Thomas. Um zwei von einer Terrormiliz Gefangengenommene geht es, den aus Ost-Berlin stammenden Journalisten Albert und seinen Dolmetscher Osama - das Thema ist so brandaktuell, dass es die gegenwärtige Lage vorwegzunehmen scheint, aber tatsächlich stehen Entführungen und Enthauptungen im Irak bereits seit geraumer Zeit auf der Tagesordnung, weiß der Rezensent. "Radikale Illusionslosigkeit" attestiert Thomas dem Roman, aber auch erzählerische Wucht und bittere Pointiertheit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.09.2014

In dieser Geschichte einer Entführung von zwei Deutschen im Irak kommen nicht nur die intimen Landeskenntnisse des Autors zum Tragen. Für Stefan Weidner liegt der besondere Reiz des Buches von Sherko Fatah in der grundsätzlichen Orientierungslosigkeit der Helden in ihrer eigenen Biografie und in dem fremden Land. Weidner genießt den Roman dann am meisten, wenn der Text das eigentliche Szenario hinter sich lässt und die Innenwelt der Figuren erkundet, laut Weidner eine Suche nach Wahrheit in den DDR-Familiengeschichten mit nahezu mythischen Qualitäten. Die Frage, was eine Entführung mit einem macht, sieht der Rezensent hier auf spannende Weise erkundet.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.08.2014

Zwei Männer werden im Nordirak entführt, in ein Kerkerloch geworfen, gefoltert, einer ist ein konservativer Deutscher, der seiner DDR-Vergangenheit zu entkommen versucht, indem er im Nahen Osten Kulturgüter vor Plünderern rettet, der andere ein liberaler Sunnit, der früher selbst einer dieser Plünderer war, jetzt aber für den Deutschen übersetzt, fasst Florian Kessler die Ausgangssituation von Sherko Fatahs neuem Roman "Der letzte Ort" zusammen. Das Buch beschränkt sich auf eine kalte Chronologie ihrer Gefangenschaft, während der beiden Männern Schicht um Schicht ihr Wertekostüm abgestreift wird, berichtet der Rezensent. Es ist beunruhigend, wie präzise Fatah die Entführung und Ermordung des US-Journalisten James Foley durch ISIS mit diesem Buch vorweggenommen hat, findet der Rezensent, auch wenn das der Autor das Ende der Männer kunstvoll im Ungewissen lässt, verrät Kessler.
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