Antonio Lobo Antunes

Der Tod des Carlos Gardel

Roman
Cover: Der Tod des Carlos Gardel
Luchterhand Literaturverlag, München 2000
ISBN 9783630870625
Gebunden, 326 Seiten, 24,54 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Alvaro ist ein besessener Bewunderer des Tangosängers Carlos Gardel. Er sammelt Andenken an sein längst verstorbenes Idol und hüllt sich mit Hilfe alter Tonbandaufnahmen von Gardels markanter, schmachtender Stimme in eine Klangwelt, in die ihm niemand folgen mag - weder seine Frau noch sein drogensüchtiger Sohn.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2000

Martin Lüdke bespricht in einer ausführlichen Doppelrezension zwei Romane des portugiesischen Autors, die in diesem Jahr in deutscher Übersetzung erschienen sind.
1) "Die Rückkehr der Karavellen"
Diesem bereits 1988 im Original erschienenen Roman bescheinigt der Rezensent einen bemerkenswerten "Kunstgriff": Indem er Geschehnisse der Vergangenheit mit der fiktiven Gegenwart durchsetzt und rasche Wechsel der Erzählperspektive verwendet, häufig genug in ein und dem selben Satz, erreicht der Autor eine "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen". Dies hat, so der Rezensent fasziniert, zur Folge, dass Geschichte nicht in chronologischem Nacheinander, sondern als "simultanes Geschehen" erscheint und sich so Beginn und Ende einer ganzen Epoche zum "Kreis schließt". Die "bizarre Logik" der Romanepisoden zeige das Interesse des Autors für "Grenzerfahrungen" und weise nicht nur auf den Irrsinn der "portugiesischen Verhältnisse", sondern nicht zuletzt auf Erfahrungen hin, die der Autor während seiner Tätigkeit als Chefarzt einer psychiatrischen Klinik gesammelt hat.
2) "Der Tod des Carlos Gardel"
Hier sieht Martin Lüdke den Epochen umspannenden Rahmen des zuvor besprochenen Buches zu einer "eng umgrenzten Familientragödie" zusammengezogen. Antunes erzählt hier nach Ansicht des Rezensenten zwar eine eher "schlichte Geschichte", diese sei aber derart kunstvoll aufgebaut, dass es lange dauert - "womöglich einige Wochen" - , bis der Leser ihr "auf den Grund kommt". Nirgends werde die Vielschichtigkeit des Buches auf die "platte Handlung" verkürzt, lobt der Rezensent, der den Schilderungen eine lange Nachwirkung bescheinigt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.07.2000

Friedhelm Rathjen stellt fest, dass neben dem Tod der Titelgestalt viele andere Tode geschildert werden, die diesen Roman zu einer sehr melancholischen Lektüre machen. Grundsätzlich entstünden in dem "Chor von Stimmen" der Protagonisten nicht etwa Dialoge, sondern Monologe, die der Rezensent sogar durchgezählt hat: Auf fünf Haupt- und neun Nebenmonologe ist er gekommen. Er lobt nachdrücklich, wie "raffiniert ineinander montiert" diese Monologe erschienen und sieht in der Struktur des Textes eine logische Entsprechung der Handlungsstränge und Gedankenbewegungen der Figuren. Bewundernd bemerkt Rathjen abschließend, es gelinge dem Autor, "in der Linearität der geschriebenen Sprache ein Gefühl von Simultanität" entstehen zu lassen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.04.2000

Unter der Überschrift ?Tango und Tod? bespricht Claus-Ulrich Bielefeld diesen zehnten Roman des portugiesischen Schriftstellers. Und genau darum geht es auch; den Tod des heroinsüchtigen Jungen Nono nämlich, und die Tango-Obsession seines Vaters, der sich zunächst am Sterbebett seines Sohnes an die Liebe zum Tango - die größer war als zur Mutter des Kindes - erinnert, dann, nach dem Tod des Jungen, auf eine surreale Reise zu seinem Idol, dem frühverstorbenen Tangosänger der dreißiger Jahre, Carlos Gardel, macht. Bielefeld betont in seiner Besprechung die Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit Antunesscher Gestalten, die auch diesen Roman wiederum zu einem seiner ?vielstimmigen, reich instrumentierten Gesänge auf die Vergänglichkeit des Menschen? machen. Allem eingeschrieben ist, so Bielefeld, immer ein ?trotz alledem?, das sich beispielsweise in den unvergeßlichen Beschreibungen der Schönheit von Lissabon manifestiert.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.04.2000

"Heiterkeit darf man nicht erwarten", schreibt Katharina Döbler, vom "Verfasser der traurigsten Romane der Weltliteratur". Dieses bereits 1994 im Original erschienene Buch hat ein eher privates Thema, das ohne große Geschichte, wie sonst bei Antunes, auskommt. Es handelt vom Sterben eines kleinen Junkies, an dessen Krankenhausbett die Familie zusammenkommt. Jeder Person ist ein Kapitel gewidmet, fünfmal Unglück, fünfmal Liebesunfähigkeit, fünf verschiedene Neurosen, fünf verschiedene Tango-Lieder. Aber es gibt auch "komische Stellen" in diesem Roman, der Döbler teilweise zu konstruiert wirkt, dennoch "mitreissend und rhythmisch" erzählt ist.