Außer Atem: Das Berlinale Blog

Neigt zur Makellosigkeit: 'True Grit' von den Coen-Brüdern

Von Thomas Groh
11.02.2011. Ist "True Grit", der Eröffnungsfilm der Berlinale, nun ein Remake von "True Grit" (1969), Henry Hathaways spätem Hollywoodwestern mit einem 62-jährigen John Wayne, der für diese Rolle mit dem einzigen Oscar seines Lebens ausgezeichnet wurde, oder eine weitere Verfilmung des beiden Filmen zu Grunde liegenden Romans von Charles Portis? Für die Coen-Brüder, die mit "True Grit" gerade den größten kommerziellen Erfolg ihrer bisherigen Karriere feiern, liegt die Antwort klar auf der Hand: Mehrfach betonen sie auf der Pressekonferenz, dass der John-Wayne-Western für sie nur eine blasse Kindheitserinnerung darstelle, der Roman sie aber sehr fasziniert und gereizt habe. Und dennoch, stets aufs Neue, die Fragen nach ihm, dem einzigen, dem großen: John Wayne. Wie man sich in dessen Fußstapfen fühle, was er für das heutige Kino bedeute, wie man denn persönlich zu ihm stehe und was nicht noch. Es ist eine sonderbare Pressekonferenz: Enorm gute Stimmung auf dem Podium (mit 10 Oscarnominierungen locker leistbar), dann wieder ausweichende Antworten, allgemeine Verwirrung, manche Fragen werden gar nicht erst beantwortet und um jede Ecke lugt John Wayne.

Ist "True Grit", der Eröffnungsfilm der Berlinale, nun ein Remake von "True Grit" (1969), Henry Hathaways spätem Hollywoodwestern mit einem 62-jährigen John Wayne, der für diese Rolle mit dem einzigen Oscar seines Lebens ausgezeichnet wurde, oder eine weitere Verfilmung des beiden Filmen zu Grunde liegenden Romans von Charles Portis? Für die Coen-Brüder, die mit "True Grit" gerade den größten kommerziellen Erfolg ihrer bisherigen Karriere feiern, liegt die Antwort klar auf der Hand: Mehrfach betonen sie auf der Pressekonferenz, dass der John-Wayne-Western für sie nur eine blasse Kindheitserinnerung darstelle, der Roman sie aber sehr fasziniert und gereizt habe. Und dennoch, stets aufs Neue, die Fragen nach ihm, dem einzigen, dem großen: John Wayne. Wie man sich in dessen Fußstapfen fühle, was er für das heutige Kino bedeute, wie man denn persönlich zu ihm stehe und was nicht noch. Es ist eine sonderbare Pressekonferenz: Enorm gute Stimmung auf dem Podium (mit 10 Oscarnominierungen locker leistbar), dann wieder ausweichende Antworten, allgemeine Verwirrung, manche Fragen werden gar nicht erst beantwortet und um jede Ecke lugt John Wayne.

Was eigentlich sehr schade ist, denn der Coen-Grit fügt sich recht nahtlos ins bisherige Schaffen der beiden Wunderbrüder aus Indie-County: Zum einen wirkt Jeff Bridges als versoffener einäugiger Marshall Rooster Cogburn schon aus personellen Gründen, vor allem aber, wenn er - in verschmierter Unterwäsche auf einer Matraze zwischen Geröll im Hinterzimmer eines chinesischen Ladens liegend - recht unsanft geweckt wird, wie eine allerdings auf rechts gestrickte Fortführung von Dude Lebowski, mit dem die Coens vor 13 Jahren schon in Berlin waren. Auch an Männern, die ihre Kompetenzen auf sehr souveräne, und deshalb lächerliche Weise heillos über- oder falsch einschätzen, herrscht bei den Coens kein Mangel: Wenn ein sternhagelvoller Cogburn und der in recht alberner Wäsche steckende und aus dieser albern herausblickende Texas Ranger LeBoeuf (gesprochen LeBeef - Matt Damon) mitten in der Prärie vergeblich auf in die Luft geworfene Maisfladen schießen, um einander höchstens im Scheitern zu übertrumpfen, ist das vom Scheitern des Steve Buscemi in "Fargo" (1996) nicht allzu weit entfernt. Und schlussendlich der Gejagte in dieser Geschichte, ebenfalls eine Coenfigur: Tom Chaney (Josh Brolin), ein rechter Tölpel von einem miesen Kleinganoven, dem das große Verbrechen eher zufällig in den Schoß fällt, als er den Vater der vierzehnjährigen Mattie Russ (Hailee Steinfeld) im Suff erschießt. Diese beauftragt nun das Rauhbein Cogburn mit der Jagd auf Chaney - unter der listenreich erkämpften Bedingung, dass sie daran selber teilnehmen und, wenn es die Situation nicht anders will, Chaney eigenhändig richten darf.

Nicht zuletzt ist dies aber auch, wie viele Filme der Coens, ein Film über Sprache und Artikulationsbegabung: Dass man Jeff Bridges' kaum verständliches Gemurmel und Gehuste eigentlich auch in den USA nur untertitelt auf das Publikum loslassen kann, räumt der Oscarpreisträger auf dem Berlinalepodium freimütig schuldbewusst ein. Demgegenüber steht die überartikulierte, hinreißend naseweise und altkluge Hailee Steinfeld (man muss das kurz sagen: eine echte Entdeckung!), die mit puritanischer Sturheit ihr Racheprogramm durchführen will und dabei mit allerdeutlich nuancierten Vokalen Pferdehändler, Cowboyrecken und Texaner locker in die Tasche steckt. Das Werk der Coens mutet mittlerweile wie ein Lexikon von "Americana" und deren idiomatischer Entsprechungen an, in "True Grit" wird diese Sammlung nun um eine weitere Facette bereichert.



Allen Beteuerungen zum Trotz ist es dennoch hilfreich, die Variante von 1969 an diesen Film anzulegen. Es spricht Bände, dass diese gerade mal einen Monat vor "Easy Rider" ins Kino kam, der das damals ohnehin krisengeschüttelte klassische Hollywood endgültig für beendet erklärte, und noch viel mehr, dass in "True Grit" mit Dennis Hopper, Hauptdarsteller und Regisseur von "Easy Rider", und Robert Duvall zwei der prägnantesten Protagonisten von "New Hollywood" in Nebenrollen einen gewaltsamen Tod finden, während die klassische Hollywoodikone schlechthin, John Wayne unter seiner Augenklappe hervor beide auf Kimme und Korn nimmt. "True Grit" '69 ist ein Krisenfilm, der eigentlich schon über das Ende einer Ära hinauslappt und sich, insbesondere im insistierenden Freeze-Frame, der unter dem Abspann liegt (John Wayne im besinnungslos fröhlichen Galopp), dies nur nicht eingestehen will. Dabei sind die Zeichen überall im Film zu finden: In der seltsamen Ausleuchtung mit mehrfachem Schattenwurf, die kaum mehr an die Meisterschaft der Lichtsetzung in den an bewegte Gemälde erinnernden, klassischen Studiowestern erinnert, in der manchmal holprig geratenen Montage, von der sich nicht sagen lässt, ob sie im Sinne des "Continuity System" schlampig oder ein bewusster künstlerischer Kontrapunkt ist, im sonderbaren Klang des Tons, der sich zwischen Studioästhetik der Nachvertonung und Set-Naturalismus nicht recht entscheiden kann, und schließlich in Mattie Russ selbst, die in ihrer burschikos-androgynen Uneindeutigkeit wie ein Echo der zeitgenössischen Frauenbewegung erscheint.

Von solchen Einbrüchen und Krisen ist in "True Grit" '11 freilich nichts zu merken. Der Western ist hier keine Schaubühne mehr, auf der Symptome bildhaft greifbar werden, sondern eine nostalgische Form, die zur Makellosigkeit und damit Könnerschaft strebt. Jedes Bild, jede schmutzige Textur, jeder am Mund verschleifte gutturale Laut aus Jeff Bridges' unrasierter Kehle gerät präzise zur Aufführung und schwelgt in eigener Detailverliebtheit. Die wuchtigen Landschaften - im Wayne-Film noch mit der trotzigen Insistenz ins Bild gerückt, dass die große Zeit des Westerns, entgegen allen Anzeichen, nicht vorbei ist - bleibt hier vor allem närrische Blickbezirzung. In all dem ist "True Grit" in der neuen Variante ungeheuer schön anzusehen und mitzuverfolgen, aber doch der deutlich uninteressantere Film.

Hier John Wayne in Action:



Hier bekommt er seinen Oskar von Barbra Streisand, ganz in rosa, überreicht. Junge, hat er sich gefreut! Und guckt, wie er auf die Bühne schlenkert!

"True Grit". Regie Joel und Ethan Coen. Darsteller: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin u.a. USA 2010, 111 Minuten (Wettbewerb, Vorführtermine)