Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
08.03.2004. In dieser Woche: Wer der größte Buchhändler ist. Welcher Buchhändler um 49 Prozent wuchs.Wie es kommt, dass Harry Potter V immer billiger wird. Und warum Weltbild seine Beschwerde gegen die Fusion von Random House und Heyne zurückzieht. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Weltbild hat seine Beschwerde gegen die Fusion von Random House und Heyne beim OLG Düsseldorf zurückgezogen und damit findet die "Elefantenhochzeit" statt. Gründe für die Aufgabe ließ Weltbild nicht verlauten. Unter anderem hätte die Augsburger Verlagsgruppe befürchtet, der neue Branchenriese würde bei der Lizenzvergabe seine Konzernschwester Bertelsmann Club - direkter Konkurrent von Weltbild - bevorzugen, schreibt der Buchreport, der von Gesprächen zwischen Kläger und Angeklagtem weiß. "Möglich ist auch, dass die Augsburger einen Fingerzeig von den Düsseldorfer Richtern erhalten haben, dass die Erfolgsaussichten ihrer Klage gering waren."

Die beiden großen Billigheimer entdecken den Wert des Taschenbuchs neu. Sowohl Weltbild als auch der Bertelsmann Club bauen ihr Taschenbuchangebot aus und nutzen den Preisvergleich mit der Hardcover-Originalausgabe. Die Differenz erreiche oft bis zu 60 und 70 Prozent, erläutert der Buchreport. "Wenn Novitäten, die auf der Spiegel-Bestsellerliste stehen, mehr als 20 Euro kosten, verwundert es nicht, dass Kunden, die früher bereitwillig gebundene Ausgaben gekauft haben, jetzt bis zum Erscheinen des preiswerteren Taschenbuchs warten."

Englischsprachige Originalausgaben werden billiger. Der Hamburger Petersen Buchimport hat die Preise für US-Bücher um bis zu 20 Prozent gesenkt und begründet dies mit der "Stabilisierung des Dollarkurses" und dem "Ziel, den Preisvorteil an Buchhändler und Endkunden weitergeben zu wollen". Viele amerikanische Taschenbücher rutschten nun unter die 10-Euro-Schwelle, rechnet der Buchreport vor.

Für 7,40 Euro fand der Buchreport das Hörbuch zu "Harry Potter V" (Hörverlag) letzte Woche bei Ebay. 99,95 Euro ist die Preisempfehlung. Die Preiskämpfe gelten Hörverlags-Chefin Claudia Baumhöver als warnendes Menetekel: "Sie zeigen, was mit Büchern passieren würde, wenn wir die Preisbindung nicht hätten."

Personalien: Dr. Siv Bublitz wechselt zum 1. Mai als Nachfolgerin von Doris Janhsen an die Spitze der Verlage Claassen / List.

Meldungen: Die Süddeutsche Zeitung wird den ersten Teil der SZ-Bibliothek, Milan Kunderas "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", ab 20. März als Köder an 3000 Zeitungskiosken und im Bahnhofsbuchhandel verschenken. Im Februar verzeichnet der Buchhandel nach Buchreport-Umsatztrend mit einem Minus von 0,43 Prozent eine rote Null.

Börsenblatt

Die illegale Preisreduzierung von neuwertigen - aber als Mängelexemplare gekennzeichneten - "Harry Potters" in jüngster Vergangenheit, hat Preisbindungs-Kommissar Dieter Wallenfels auf den Plan gerufen. Das Thema sei so alt wie die Preisbindung selbst und es habe schon zahlreiche Versuche der Branche gegeben, diesbezügliche Missstände in den Griff zu bekommen. Scheinbar vergeblich. Verbindlich, so Wallenfels, gelte: Verlage handeln rechtswidrig, wenn sie Remittenden ungeprüft ins Moderne Antiquariat wandern lassen - es könnten auch einwandfreie Bücher darunter sein. Buchhändler dürfen nur Bücher mit "für den Kunden auf den ersten Blick erkennbaren Makeln" unter dem Preis verkaufen.

"Der Augenblick der Liebe", Martin Walsers nächster Roman, erscheint nicht mehr bei Suhrkamp, sondern bei Rowohlt. Soviel ist klar. Nun drängt Walser beim Suhrkamp Verlag auch auf die Rückgabe der Rechte. Die sollen vertragsgemäß fünf Jahre nach dem Ausscheiden von Siegfried Unseld als geschäftsführendem Gesellschafter des Verlags (er verstarb 2002) an ihn zurückfallen. "Die Vereinbarung ist jedoch an die Voraussetzung gebunden, dass Walser dem Verlag innerhalb der Fünf-Jahres-Frist alle Buchmanuskripte zur Veröffentlichung anbietet", weiß das Börsenblatt. Suhrkamp wolle das bislang erschienene Werk, mehr als 150 Titel, weiter betreuen und sei entschlossen, mit dem Autor hart zu verhandeln.

Cheflektor und Bestsellerautor in Personalunion - geht das gut? "Ja", sagt Frederic Beigbeder ("Windows on the World" bei Ullstein), "aber in verschiedenen Verlagen." Er betrachte andere Autoren nicht als Konkurrenten im Literaturbetrieb und verlege als Programmchef bei Flammarion alles, was ihm gefalle. Es sei, das habe auch Victor Hugo schon so gesehen, genug Platz für alle da und gebe keinen Wettbewerb in der Kunst.

Den Begriff "Literaturkritiker" mag Elmar Krekeler nicht. Lieber als Literatur kritisiert er wohl Kollegen. Der Literaturchef der Welt, der Ende März mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet wird, predigte schon vor Jahren, dass die abnehmende Leselust und der zurückgehende Einfluss der feuilletonistischen Literaturkritik auch in ihr selbst und einem oft "unfrohen Unterton" zu suchen seien. Krekeler sieht sich als "Dienstleister für Leser". Damit treffe er gerade in krisenhaften Buchmarktzeiten den rechten Ton, meint das Börsenblatt.

Der Schweizer Manesse Verlag, seit 1983 Tochter der DVA, wird 60. Der erste Manesse-Band in 1944, damals schon im Jackentaschenformat und exquisit hergestellt, galt einem deutschen Dichterfürsten: Eduard Korrodis Auswahl "Goethe im Gespräch". Als 600. Band erscheint in 2004 eine überarbeitete Übersetzung von Henry Fieldings "Tom Jones". Nach wie vor setze man auf sorgfältige Neuübersetzungen sowie hochwertige Begleittexte und Kommentare, beschreibt das Börsenblatt die Manesse-Programmlinie. "Dass die Neuentdeckungen vergessener Klassiker von den Medien nicht immer erkannt werden, hat auch mit dem Image zu tun: Manesse-Titel gelten stets als kanonisch."

Thomas Sparr, derzeit Siedler-Cheflektor, übernimmt zum 1. September die Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung bei Suhrkamp. In den Neunzigern gehörte er bereits neun Jahre zur Suhrkamp-Belegschaft - als Lektor des Jüdischen Verlags. Personalberaterin Irene Naumczyk tritt zum 15. März als Leiterin des Buchprogramms und Mitglied der Geschäftsführung in die Verlagsgruppe Weltbild ein. Peter Dempewolf, Geschäftsführer der Aufbau-Verlage, geht Ende diesen Monats in den Ruhestand. Mehr Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: Der DuMont Monte Verlag hat seine Buchproduktion zum 31. Dezember 2003 eingestellt. Der bisher bei Monte angesiedelte Programmbereich Kalender firmiert ab sofort als eigenständiges Unternehmen unter dem Namen DuMont Kalenderverlag. Die amerikanische Verlagsbranche verzeichnet nach ersten Schätzungen des US-Verlegerverbands AAP für 2003 ein Umsatzplus von 3,3 Prozent. Laut US-Statistikbehörden erzielte der Sortimentsbuchhandel im gleichen Zeitraum eine Umsatzsteigerung von 2,4 Prozent und verkaufte Bücher im Wert von 16,18 Milliarden Dollar.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.magazin

Den Buchhandel als Schauplatz zweier konkurrierender Konzepte nimmt Peggy Voigt in ihrem Einleitungskommentar unter die Lupe: "Noch haben beide, große Buchkaufhäuser wie kleine Filialen, ihre Berechtigung." Das aktuelle Buchreport Ranking "Die 100 größten Buchhandlungen" zeige zwei Königswege, die zum Erfolg führten: ein üppiges Angebot auf großen Verkaufsflächen oder, wie beim Discounter, eine Spezialisierung auf kleine Flächen und das Niedrigpreissegment. Beide Entwürfe seien nicht vergleichbar, bemerkt Voigt. Gäbe es keine Preisbindung, dann ließe sich das "Aldi-Prinzip" auf kleinen Flächen schneller umsetzen, früher oder später würden aber die Filialisten mit großen Flächen folgen.

Die 100 größten Buchhandlungen im deutschsprachigen Raum sind 2003 im Gegensatz zur Branche gewachsen - ein Ergebnis des Buchreport Rankings (mehr). Marktführer bleibt nach Buchreport-Recherchen Thalia mit einem Jahresumsatz von 382,9 Millionen Euro (plus 18 Prozent), gefolgt von Hugendubel mit 216,2 Millionen Euro (plus 3,2 Prozent) und Weltbildplus mit 216 Millionen Euro (plus 16,8 Prozent). Die größte Internet-Buchhandlung Deutschlands ist Amazon mit einem geschätzten Umsatz von 520 Millionen Euro (plus 49 Prozent). Der Anteil der "Top Ten"-Buchhandlungen am Gesamtumsatz der Branche liegt in Deutschland bei 14,3 Prozent. Verglichen mit dem Buchhandelsriesen Fnac in Frankreich, der einen Marktanteil von 15,8 Prozent hält, ist das wenig.

Das Prinzip "zwei Drittel Marketing, ein Drittel Inhalt" gewinnt Überhand, wenn man Trendforscher Andreas Steinle, vom Buchreport nach seinen Aussichten für 2004 befragt, Glauben schenkt. Bücher, insbesondere von Prominenten, würden per medialem Durchlauferhitzer (zum Beispiel Bild) ins Gespräch gebracht. "Andererseits werden Bücher zunehmend wie Wurst und Obst von Discountern vertrieben - eine bruale Ausrichtung nach Geschmack und Kaufverhalten ist daher zu erwarten." Peter Wippermann, Geschäftspartner von Steinle, ahnt: "Bücher drehen sich nicht mehr um die Welt, sondern um Themen, die mehrheitsfähig sind."

Mit der "romantischen Vorstellung", dass es in kleineren Verlagen um hehre Kunst, in Konzernen nur um Kapital und Rendite gehe, will Goldmann-Chef Georg Reuchlein im Buchreport-Interview aufräumen. "Verlegerisches Ziel ist allein das gute Programm." Kleinverleger müssten ebenso sensibel Geschäft und Qualität ausbalancieren wie große Verleger - auch wenn er selbst, das Gütersloher Netz unter sich, auf etwas sichererem Fuß stehe.