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"I'll have to go naked!" Yves Saint-Laurent hört auf

07.01.2002. Nachdem er seine Pret-a-porter-Linie an Tom Ford abgegeben hat, schließt er nun auch sein Couturehaus. Wir sagen traurig "Adieu!"
Yves Saint-Laurent hört auf, lesen wir in einer AFP-Meldung, die wir heute früh in Yahoo! Frankreich gefunden haben. Die Meldung bezieht sich auf einen Artikel aus Le Monde vom Samstag, der die näheren Umstände des Abgangs erklärt: Seine Pret-a-porter-Linie hatte er ja längst verkauft. Sie gehört inzwischen Francois Pinaults Handelsimperium PPR und ist dort der Marke Gucci zugeordnet. Entworfen wird die Pret-a-porter-Linie von Tom Ford, der Gucci in Mode brachte und mit Yves Saint-Laurent bisher eine weniger glückliche Hand hatte. Auch die International Herald Tribune kommentiert das Ereignis und zitiert die langjährige amerikanische Couture-Kundin Nan Kempner: "I'll have to go naked!" Denn nun macht Saint-Laurent auch noch mit der Haute Couture Schluss.

Wir leisten uns den Luxus, die Meldung von Saint-Laurents Abgang traurig zu finden. Heute Vormittag, so lesen wir, gibt es in seinem Couture-Haus in der Avenue Marceau eine Betriebsversammlung. Den 150 Mitarbeitern, die zu den besten Handwerkern der Welt gehören, wird dort wohl die Schließung des Hauses annonciert - denn es scheint, als sollte die Haute-Couture-Marke nicht verkauft werden. Es heißt, dass die Beziehungen zwischen Yves Saint-Laurent und Gucci und PPR nicht gerade zum besten stehen. Ein würdevolles Ende also.

Das Couturehaus von Yves Saint-Laurent hat eine sehr schöne, einfach gestaltete Internetadresse, die vielleicht verständlich macht, warum man über das Ende der Linie traurig sein kann. Wegen der Linie nämlich. Die letzte Couture-Kollektion ist vollständig ins Netz gestellt. Die Modelle sind einfach. Aber man vergleiche den Schnitt einer Couture-Jacke mit dem Schnitt, den Tom Ford für seine Pret-a-porter Kollektion vorschlägt. Da sieht Tom Ford doch ziemlich billig aus, oder? Und woran liegt das (außer am zu tiefen Dekollete)?

Vergleichen Sie die Schulter bei Tom Ford mit der Schulter bei Yves Saint-Laurent. Diese vom Hals abfallende Linie gilt als eins der Geheimnisse der großen Schneiderkunst. Tom Ford versucht es erst gar nicht. Ähnliches gilt natürlich für die Taillierung, die bei Ford ungenauer ist und bei Yves Saint-Laurent auf den Leib geschnitten wirkt. Was ja auch der Fall ist: Die Nähe zum Körper ohne Stretch und Schnürung setzt halt eine genaue Vermessung des individuellen Körpers voraus. Wofür man 150 Mitarbeiter braucht.

Falls sich die AFP-Meldung bestätigt, dann hört Saint-Laurent im Jahr des vierzigjährigen Jubiläums seiner Marke auf, die er zusammen mit seinem Geliebten und Partner Pierre Berge aufbaute. Im Centre Pompidou ist ab dem 22. Januar eine große Retrospektive angekündigt. Und der Sender Canal Plus wird Ende Januar zwei große Dokumentationen bringen, darunter ein langes Interview - eine Seltenheit beim scheuen Couturier.

Wenn Sie noch einen Termin vereinbaren wollen, wenden Sie sich bitte an ysl@ysl-hautecouture.com.

Adieu!

Nachtrag vom 13. Januar

Auch die Pariser Magazine haben jetzt berichtet. Vervollständigen wollen wir unser Dossier durch einen Link auf den Express, der sich Sorgen macht über die "tragiques extases" des "seigneur de la mode" am Ende seiner glanzvollen Karriere. Der NouvelObs bringt gar schon Zitate Saint Laurents aus den beiden brandneuen Dokumentarfilmen, die demnächst bei Canal Plus laufen werden. Über die Mannequins sagt er: "Ich kann nicht ohne lebendes Modell arbeiten. Beim Entwerfen muss ich den weiblichen Körper vor mir haben. Seine Haltung, seine Eleganz. Ich stütze mich auf seine Bewegungen, um ein Kleid zu konstruieren." Ein würdigendes Porträt und eine Analyse der möglicherweise auch wirtschaftlichen Hintergründe seines Rückzugs aus der Modewelt ergänzen das Dossier im NouvelObs.

Aus Anlass eines als schmerzlich empfundenen Abschieds zeichnet im Spiegel Wolfgang Joop den Erfolgsweg Yves Saint Laurents nach und stilisiert den Couturier zum Modeheiligen, der seine Wundmale einigen Wochen beim Militär und in der Psychiatrie verdankt. "Seine Seele konnte den Schaden, den die Zeit in Armee und Klinik ihr zugefügt hat, nie verwinden ... Diese Aura der Angst, Depression und Einsamkeit im Olymp der Hybris und Eitelkeiten machte ihn für seine Anhänger zur mystischen Ikone." Und sogar der Economist, die britische Wirtschaftszeitschrift, nimmt mit bewegten Worten Abschied: "Yves Saint Laurent leaves an industry he helped to change fundamentally."