Spätaffäre

Es ist genug Gold da

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17.04.2014. Zehn Jahre nach den Skandalfotos aus Abu Ghraib spürt das SZ Magazin die beteiligten Täter und Opfer auf. The Nation macht tiefsinnige Anmerkungen zur Gegenwartsmanie der Kunsthistoriker und dem Passeismus der Künstler. Roméo Dallaire erinnert an das Versagen der Weltgemeinschaft in Ruanda. Und Claus Guth läuft im Theater an der Wien mit Händels "Messias" zu hoher Fantasieform auf.

Für die Augen

"Es ist wie ein Goldrausch", sagt Nader Kabbani, Vize-Präsident von Amazons Self-Publishing-Plattform: "Und es ist genug Gold da, um alle glücklich zu machen." Brigitte Kleines sehr interessante Dokumentation "Storyseller" verdeutlicht am Beispiel von vier Autoren, wie Self-Publishing den Buchmarkt umwälzt, und ist in der Mediathek von Arte zu sehen. (53 Minuten)

Vor zwanzig Jahren ermordeten Hutu-Extremisten in Ruanda fast 800.000 Menschen. UN-Blauhelmtruppen standen daneben und sahen zu. Ihr Kommandeur, der niederländische General Roméo Dallaire versuchte, die UN von der Notwendigkeit einer bewaffneten Intervention zu überzeugen, doch er hatte keinen Erfolg. 2002 drehte der südafrikanische Regisseur Steven Silver seine später preisgekrönte Doku "Zur Schuld verdammt. General Dallaire und das Massaker von Ruanda". Dallaire blickt im Gespräch noch einmal zurück auf die Ereignisse von damals. Dabei wird hinter der Fassade des hochdekorierten Soldaten ein gebrochener Mann sichtbar, den die Last von Verantwortung und Schuld niederdrückt. (71 Min.)


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Für die Ohren

Ulrich Wickert unterhält sich im NDR mit Saša Stanišić über dessen neuen Roman "Vor dem Fest" - eine ungewöhnliche Dorfchronik aus der Uckermark, die bis in die Gegenwart reicht. Stanišić, der für seinen Roman den Leipziger Buchpreis bekam, erzählt von den Recherchen zu seinem Buch, philosophiert über die Macht der Mythen und Märchen und gibt Einblicke in den Leipziger Literaturbetrieb. Hier zum Nachhören (35 Minuten).

Gerade wird im Theater an der Wien Claus Guths Bühnenfassung von Georg Friedrich Händels "Messiah" aus dem Jahr 2013 wiederaufgeführt. Walter Weidringer lobt die Inszenierung in der Presse als "kühne säkular-existenzielle Neudeutung des sakralen Stoffes". Im Standard schreibt Ljubisa Tosic: Guth läuft "zu hoher Fantasieform" auf, er stülpt "dem biblischen Text eine Geschichte über..., welche die letzten Fragen aufleuchten lässt, indem heutige Figuren existenziellen Grenzsituationen ausgesetzt werden." Auf Youtube finden wir die Aufführung vom 30. September 2013. Mit Susan Gritton, Cornelia Horak, Richard Croft, Bejun Metha, Florian Boesch, dem Ensamble Matheus und dem Arnold Schoenberg Chor. Es dirigiert Jean-Christophe Spinosi. (154 Min.)


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Für Sinn und Verstand

Barry Schwabsky ist in einer großen Doppelbesprechung für The Nation nur mäßig begeistert von den künstlerischen Hervorbringungen des italienischen Futurismus, dem gerade eine große Ausstellung im New Yorker Guggenheim-Museum gewidmet ist. Im zweiten Teil seines Artikels wendet er sich darum der jüngsten Whitney Biennale zu, die viele früh verstorbene Künstler der jüngsten Vergangeheit zeigt und Schwabsky zu einer tiefsinnnigen Bemerkung veranlasst: Stellt er zu Beginn seines Artikels fest, dass sich junge Kunsthistoriker immer weniger für die Kunst der Vergangenheit interessieren, "so haben sich Künstler immer eifriger in Historiker verwandelt, ja in Archivare und sogar Sammler. Stilistisch hat die neueste Kunst ihr Auge fest auf die Vergangenheit geheftet und ist darum nicht schlechter. Dawoud Beys Schwarzweißporträts über die Zeit der Bombenattentate in Birmingham, Alabama, 1963 haben den nüchternen und doch empathischen Blick August Sanders; Alma Allens biomorphe Skulpturen blicken zurück zu Arp und Brancusi."

Christoph Cadenbach sucht für eine Reportage des SZ Magazins nach den Personen, die 2004 auf den Skandalfotos aus Abu Ghraib zu sehen waren - Täter und Opfer. Zum Beispiel Janis Karpinski, damals Kommandierende von Abu Ghraib "und damit verantwortlich für den Skandal. So stand es auch im offiziellen Bericht des Militärs, in dem ihr 'schwacher Führungsstil' vorgeworfen wird: Karpinski habe sich nicht dafür interessiert, ob sich ihre Soldaten an die Regeln und Prinzipien der Armee halten. ... 'Sie brauchten einen Sündenbock', sagt Karpinski im Bahnhofsrestaurant. Sie trägt einen flauschigen weißen Wollpullover, Lippenstift, die Haare hat sie noch immer fest zu einem Pferdeschwanz gebunden, ansonsten wirkt die 60-Jährige gar nicht mehr streng, eher aufgebracht. Sie spricht so laut, dass die Gäste an den Nachbartischen sich umdrehen."