Laurent Binet

HHhH

Himmlers Hirn heißt Heydrich
Cover: HHhH
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
ISBN 9783498006686
Gebunden, 448 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Mayela Gerhardt. Beim Spaziergang durch Prag entdeckt Laurent Binet an der Krypta eine Gedenktafel für tschechische Widerstandskämpfer. Sie versteckten sich dort nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich bis deutsche Soldaten, nachdem sie auf der Suche nach ihnen schon ganz Prag auf den Kopf gestellt hatten, die Krypta fluten ließen. Der Ich-Erzähler Binet ist so elektrisiert von dieser Geschichte, dass er beschließt, von Paris nach Prag zu ziehen und ihr nachzugehen. Wie ein Detektiv verfolgt er die sich kreuzenden Spuren der Nationalsozialisten und der Widerstandskämpfer bis zu dem Tag, auf den alles zuläuft: Am 2. Juni 1942 soll der Chef der Gestapo Reinhard Heydrich von dem Tschechen Jozef Gabcik, der an den braven Soldaten Schwejk erinnert, auf offener Straße in Prag erschossen werden. Doch als der Mercedes mit Heydrich naht, klemmt der Abzug ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.12.2011

Jörg Aufenanger macht eine neue literarische Strömung aus: Franzosen um die Vierzig, die Romane über den Holocaust schreiben. Auch Laurent Binet rechnet er dazu, der in seinem Roman "HHhH" die Geschichte vom Attentat auf den SS-Führer Reinhard Heydrich. Im Wechsel erzählt Binet die Geschichte Heydrichs und die Geschichte der beiden tschechischen Widerstandskämpfer Jozef Gabcik und Jan Kubis, die für das Attentat von der Exilregierung zurück nach Prag geschickt wurden.Leider, meint Aufenanger, plagen den Autor entsetzlich viele Skrupel, dass er mit seiner Fiktion der historischen Wahrheit nicht genüge tun könnte. Diese unablässig zur Schau gestellten Zweifel nerven den Rezensenten enorm, denn eigentlich hätte er lieber die spannende Geschichte von Binet so erzählt bekommen, wie er es zum Schluss ja doch tut: mitfühlend, beklemmend und sehr packend.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.11.2011

Jeannette Villachica hat ihre Mühe mit der Form, die Laurent Binet der Geschichte des Attentats auf Reinhard Heydrich in seinem Roman "HHhH" gegeben hat. Vielleicht durch die Vorwürfe der "Geschichtsfälschung", die man Jonathan Littell und Yannick Haenel gemacht hat, sensibilisiert, geht der französische Autor sehr skrupulös mit seinem Material um. Während er für Heydrich nicht viel erfinden muss, um ihn als ganze Persönlichkeit zu zeichnen, weil es reichhaltige Quelle dazu gibt, ringt er bei der Charakterisierung der Attentäter Jozef Gabcik und Jan Kubis um größtmögliche Authentizität. Unaufhörlich kommentiert er in einem Erzählerbewusstseinsstrom seine eigenen Ausführungen, stellt in Frage, zweifelt oder nimmt zurück. Das stört den Erzählfluss enorm und nervt die Rezensentin. Auch steigt sie nicht recht dahinter, warum sich der Autor so vehement und geradezu "kindlich" mit den Widerstandskämpfern identifiziert, und es fällt ihr zunehmend schwer, Binet in seinem Eifer "ernst" zu nehmen. Als würde sie ihrem eigenen Urteil nicht trauen, verweist sie aber darauf, dass man den Roman auch anders aufnehmen kann, immerhin hat Binet für ihn 2010 den Prix Goncourt du Premier Roman erhalten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.10.2011

Rezensent Burkhard Müller hofft angesichts zweier Neuerscheinungen auf Deutsch auf sich gegenseitig befruchtende und ergänzende Publikationen über den Organisator des Holocausts Reinhard Heydrich, den Roman von Laurent Binet allerdings findet er völlig misslungen. Es erstaunt ihn, wie unbefangen der Autor sich auf dieses "heikle" Unterfangen einlässt und kann sich dann insbesondere mit der Wahl seiner Erzählinstanz in keiner Weise anfreunden. Dass sich ein "koketter" und sich selbst viel zu wichtig nehmender Erzähler in den Vordergrund drängt, dem es überhaupt nicht gelingt, ein überzeugendes Porträt Heydrichs zu zeichnen, verzeiht der Rezensent umso weniger, als diese "Plaudertasche" noch nicht einmal Spannung zu erzeugen vermag. Angesichts des dramatischen Höhepunkts des Attentats auf Heydrich jedenfalls kann Müller dem Autor nur "jämmerliches" Versagen attestieren, und so verweist der Rezensent lieber gleich auf die Heydrich-Biografie von Robert Gerwarth, die in seinen Augen nicht zuletzt den "besseren Roman" abgibt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2011

Mit gemischten Gefühlen hat Rezensent Lorenz Jäger Laurent Binets doku-fiktionalen Roman "HHhH", eine Abkürzung für "Himmlers Hirn heißt Heydrich", gelesen. Einiges erfährt der Kritiker - durch Binet noch einmal neu untersucht -  über den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der als "kalter und intelligenter" Geist Grausamstes mit der größten "Perfektion" durchführte. Der Schwerpunkt des Romans liege dabei vor allem auf dem Attentat auf Heydrich und dem unmittelbar darauffolgenden Massaker von Lidice. Die auch in diesem Buch aufgegriffenen Gerüchte, unter Heydrichs Vorfahren seien Juden gewesen, weist der Rezensent allerdings entschieden zurück. Dass Binet seinen Roman mit einem vordergründig "anspruchsvollen poetologischen Überbau" versehen musste, hat den Kritiker aber geärgert. Prätentiös lasse Binet Namen wie Jorge Luis Borges oder Roland Barthes fallen, lobe sich immer wieder für seine Empathie und verfalle letztendlich völlig in eine identifikatorische Subjektivität, wenn er sich in die Rolle eines Augenzeugen beim innertschechischen Widerstand begebe.
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