Julius H. Schoeps (Hg.)

Preußen

Geschichte eines Mythos
Cover: Preußen
be.bra Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783898090032
Gebunden, 240 Seiten, 30,63 EUR

Klappentext

Mitherausgegeben durch das Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz. Die längste Zeit seines Bestehens war Preußen reaktionär und modern zugleich: Preußen bedeutete Militarismus und Bürokratie, aber auch Reformstreben, Liberalismus, weit gehende Asylpraxis und Religionsfreiheit. Die Vielzahl der unverwechselbaren Persönlichkeiten, die der preußische Staat im Politischen wie im Kulturellen hervorbrachte, die verlustreichen militärischen Feldzüge und Kriege wie die so genannten "preußischen Tugenden", die bis heute nachwirken, begründeten einen Mythos, der bis in unsere Tage ungebrochen ist. Anlässlich des 300. Jahrestages der preußische Staatsgründung gehen namhafte Historiker diesem Mythos nach und beschreiben anschaulich die prägenden Aspekte preußischer Geschichte zwischen 1134 und 1947.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.11.2001

Die meisten Publikationen anlässlich des Preußenjahres haben bei Hans-Albrecht Koch den schalen Eindruck der Beliebigkeit hinterlassen. Sie seien brav, diffus und werfen nur selten einen neuen Blicke auf die Kultur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Preußen, klagt der Rezensent. Aber immerhin hat er in der Flut der Publikationen dann doch noch vier Bände entdeckt, die seine Enttäuschung manchmal in helle Lesefreude verwandelt haben.
1) Julius Schoeps: "Preußen. Geschichte eines Mythos"
Reich bebildert und zugleich belehrend findet Koch den Sammelband des Potsdamer Historikers Julius Schoeps. Der Rezensent hält seine Kritik daran sehr knapp, wenngleich er sich trotzdem gewünscht hätte, Schoeps hätte es verstanden, den Band ganz alleine zu verfassen. Schade, meint Koch, eine historische Gesamtdarstellung aus nur einer Feder ist auch dieser Sammelband nicht geworden.
2) Eberhard Straub: "Eine kleine Geschichte Preußens"
Der Band ist instruktiv und dabei in einer lockeren Sprache geschrieben, lobt Koch. Aber der Umfang gibt zum Bedauern des Rezensenten nicht mehr her, als eine wie im Titel angekündigte wirklich nur kleine Geschichte Preußens zu sein. Immerhin aber versteht es Straub, erkennt der Rezensent an, schwierige Inhalte knapp auf den Punkt zu bringen. Der Autor hat lange, weiß der Rezensent, Pressearbeit für den Stifterverband der Deutschen Wissenschaft verrichtet und wohl gerade da gelernt, mutmaßt Koch, große Stoffmengen geschickt in kleine Portionen einzuteilen. Das Buch empfiehlt Koch auch den wirklich Gestressten: jeden Abend ein Kapitel, und in vierzehn Tagen ist die Geschichte Preußens verinnerlicht. Das sei dem Autor vorzüglich gelungen, und Richtiges und Wichtiges habe er vortrefflich mit "Überpointierungen" hervorgehoben. Auf einen wissenschaftlichen Apparat muss der Leser allerdings verzichten. Kürze hat auch ihren Preis, so Koch.
3) Bernhard Ruetz: "Der preußische Konservatismus im Kampf gegen Einheit und Freiheit"
Wenn man es zulassen kann, Preußen nicht unter dem Aspekt der Kontinuität und des Scheiterns von Liberalismus und Konservatismus zu betrachten, kann man dem Buch von Bernhard Ruetz viele interessante neue Sichtweisen abgewinnen, behauptet Koch. Denn dann nimmt der Leser das politisch-soziale und ökonomische Spannungsverhältnis im Kaiserreich wahr, referiert der Rezensent. Die Abhandlung über Konservatismus und Liberalismus als Verfassungsbewegungen, klar und begriffsscharf geschrieben, hat Koch die Augen geöffnet für einen differenzierteren Blick auf die Stände- und die Staatsbürgergesellschaft, die am Ende die konservativen Kräfte besiegt habe.
4) Patrick Bahners / Gerd Roellecke (Hrsg.): "Preußische Stile. Ein Staat als Kunststück"
Von einem preußischen Stil kann man nur im Plural reden, das verdeutlicht allein nur ein Spaziergang durch Berlin, weiß der Rezensent. Und so haben die Autoren, für Koch zu Recht, ihren Sammelband nach verschiedenen Themen sortiert, die sie allesamt im Plural halten, seien es Traditionen, Visionen, Konstitutionen oder Reformationen, berichtet der Rezensent. Das Buch wendet sich nicht an die Leser, die allein an Geschichte interessiert sind, warnt Koch. Es ist anspruchsvoll, unkonventionell und weitläufig. Dem Rezensenten ist aber gerade diese Herangehensweise besonders gut bekommen, wird er nicht müde zu betonen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.01.2001

Bevor er sich drei neuen Büchern über Preußen zuwendet, warnt Rezensent Thomas Krüger die "Berliner Republik" erst mal davor, auf der Suche nach "Legitimation" allzusehr auf Preußen zu schielen. Der Mythos von Preußen als "Hort der Aufklärung" ist nämlich nach Krügers Ansicht wenig begründet. Die drei vorgestellten Bücher kann er daher durch die Bank empfehlen, weil keines am Mythos weiterstrickt.
1) Julius Schoeps (Hrsg.): "Preußen. Geschichte eines Mythos"
Der Band ist "vorzüglich bebildert, sehr sachlich geschrieben und klar gegliedert", lobt Krüger. So hebe ein Beitrag das demokratische Preußen hervor - für Krüger ist das vor allem die Zeit zwischen 1920 und 1932, in der fast ununterbrochen eine sozialdemokratisch-liberale Koalition den Staat regieren. Andere Beiträge beschreiben dagegen das "reaktionäre" Preußen. Krüger verweist hier besonders auf einen Aufsatz von Jürgen Luh, der die Reformjahre von 1806-12 behandelt und schon in dieser Zeit eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit feststellt. Alles in allem bemühen sich von Julius H. Schoeps versammelten Aufsätze, "Preußens Geschichte aus ihrer Legendenverstrickung herauszulösen", resümeriert Krüger.
2) Bahners/Roellecke (Hrsg.): "Preußische Stile"
Dieses Buch ist mit seinen 28 Aufsätzen, Essays und Reflexionen ist doppelt so dick, und die Autoren, dem postmodernistischen "schaun mer mal" zugeneigt, sorgen dafür, dass jedes denkbare Interessengebiet berührt wird, schreibt Krüger durchaus nicht unfreundlich. Es sei aber auch ein Buch über ein Deutschland, "das sich als wiederauferstanden begreift" und nach seinen "Substanzen" sucht - Beamtenstaat, multikulturelle Tradition (`Jedem das Seine`) oder auch Pressefreiheit. Die Auffassungen gehen dabei weit auseinander, schreibt Krüger. Während der eine Autor die deutsche Beteiligung an der Bombardierung Jugoslawiens in der Tradition einer Politik sieht, die ohne Not den deutsch-französischen Krieg vom Zaun gebrochen hat, sehe ein anderer Autor Preußen als Bollwerk gegen "kommunistische Barbarei". Da wundert es nicht, wenn Krüger als einzigen Nachteil des Buchs die "disparat nebeneinanderstehenden" Standpunkte ausmacht.
3) Günter de Bruyn: "Preußens Luise"
Dieses Buch gefällt Krüger vielleicht am besten. Ein "unprätenziöser Essay" sei das, der zugleich mit der Biografie Luises ein Porträt jener Kräfte zeichne, "die Preußen konstituieren". Dass de Bruyn das Bild von der progressiven, mitfühlenden Preußenkönigin als Mythos entlarvt, findet Krügers uneingeschränkte Zustimmung. Leser, die de Bruyn jetzt für einen Spielverderber halten, tröstet Krüger mit dem versöhnlichen Satz des Autors: `Wir können uns für aufgeklärt und immunisiert halten - dabei aber genauso wenig wie jene, die wir belächeln, wissen, dass die Entlarvung von Mythen nicht deren Ende, sondern nur ihren Wechsel bringt.`

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.12.2000

Reinhard Lebe empfiehlt den "attraktiven Band" als "ausgewogenes Bild des janusköpfigen Preußen". Junge und alte Historiker hat Julius H. Schoeps im Jahr 300 des Krönung des ersten Preußenkönigs zusammengeholt. Dessen schwaches Bild wird mit einigen Farben angereichert. Viel ist auch über die Zeit nach 1871 zu erfahren.

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