Peter Brang

Ein unbekanntes Russland

Kulturgeschichte vegetarischer Lebensweisen von den Anfängen bis zur Gegenwart
Cover: Ein unbekanntes Russland
Böhlau Verlag, Köln 2002
ISBN 9783412079024
Gebunden, 471 Seiten, 44,90 EUR

Klappentext

Die Geschichte der "fleischlosen" Ernährung reicht bis in die Antike zurück. Im 19. Jahrhundert entstand in Westeuropa die moderne vegetarische Bewegung, die gegenwärtig eine bemerkenswerte Renaissance erlebt - aus medizinischen, ethischen und ökologischen Gründen. Nach Russland kam der Vegetarismus erst in den 1890er Jahren und breitete sich dann bis zum Ersten Weltkrieg rasch aus. Entscheidend war dabei die prägende, hier erstmals systematisch untersuchte Rolle von Lev Tolstoj, der im Verzicht auf die Tötung von Tieren für Nahrungszwecke die "erste Stufe" zu einer humaneren Welt sah und einen vorwiegend ethisch-religiösen Vegetarismus vertrat. Tolstojs "Lebensreform" führte zur "Tolstojanerbewegung" sowie dazu, dass sich ungewöhnlich viele russische Schriftsteller und Künstler mit dem Vegetarismus auseinandersetzten.Ausführlich ist zudem die Rede von den Vegetariervereinigungen, den vegetarischen Zeitschriften und Restaurants, den Schlachthäusern und Kochbüchern, von der Haltung der russischen Ärzte, der orthodoxen Kirche, der Sekten, der Juden und der Esperantisten gegenüber dem Vegetarismus.Nach der Oktoberrevolution wurde er unterdrückt und totgeschwiegen - nur in wissenschaftlichen Utopien sowie in der Science-Fiction durften vegetarische Modelle diskutiert werden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.08.2003

Mit seiner umfangreichen Studie zum Thema "Vegetarismus im Zarenreich und in der Sowjetunion" betritt, wie ihm der Rezensent (Kürzel U.Sm.) bescheinigt, der Slawist Peter Brang "absolutes Neuland". Bedeutsam war der Kampf gegen den Fleischverzehr in mehr als einer der "gesellschaftsutopischen" Bewegungen schon unter den Zaren, das kann der Autor nachdrücklich belegen. Bereits Lew Tolstoi machte den Verzicht aufs Fleisch zum wichtigen Bestandteil seiner "Liebesreligion im Diesseits", als weitere wichtige Vertreter des Vegetarismus werden der Schriftsteller Leskow, der Utopist Tschernyschewski genannt. Freundschaftliche Beziehungen gab es zur Esperanto-Bewegung; die Bolschewisten freilich witterten im Vegetarismus eine Gegnerschaft zur Todesstrafe und Wehrpflicht und verhinderten seine Ausbreitung. Der Rezensent lobt das Buch als "hervorragend dokumentiert".