Vom Nachttisch geräumt

Wer erfindet was?

Von Arno Widmann
17.10.2016. Nicht nur Materie, auch kulturelle Höchstleistungen klumpen. Das lernt man im Buch der "1001 Erfindungen".
1001 Erfindungen sollen es sein. Auf 960 Seiten. Nach 246 Seiten ist man bereits im Jahre 1800. So wird einem schnell die Bedeutung der industriellen Revolution klar. Das Buch hat einen Index der Erfindungen und einen Index der Erfinder. Das schafft Überblick. Amerika hat offenbar so gut wie nichts beigetragen zum Fortschritt der Menschheit. Nein, nein: Die Stangenschleife, jene A-förmige Holzkonstruktion, bei der die zu transportierende Ladung auf dem Querholz befestigt wird, und der Hartgummiball - das sind, folgt man dem Band, die einzigen Erfindungen der beiden Amerikas vor dem 18. Jahrhundert. Lisa Randall bemerkt in ihrem neuesten Buch, ein Merkmal von Materie sei es, dass sie klumpe. Das gilt auch für kulturelle Höchstleistungen. Einen ersten Überblick dazu bietet Eric Weiners 2016 bei Simon and Schuster erschienenes Buch "The Geography of Genius. A Search fort he World's most Creative Places, from Ancient Athens to Silicon Valley".

Doch zurück zu "1001 Erfindungen: Von den 757 mit Namen aufgeführten Erfindern sind nur 19 Frauen. Die erste hier erwähnte war Hypatia von Alexandria. Die Mathematikerin und Philosophin lebte von 355 bis 416 in der ägyptischen Stadt. Sie wurde ermordet, ihr Leichnam zerstückelt von einem christlichen Mob. Der spanische Regisseur Alejandro Amenábar drehte 2009 den Film "Agora - Die Säulen des Himmels" über sie. 2002 veröffentlichte Peter O. Chotjewitz den Reportagekrimi "Der Fall Hypatia". In den "1001 Erfindungen" hat sie einen Auftritt als Erfinderin der Destillation. Mary Anderson erfand den Scheibenwischer, Melitta Bentz den Kaffeefilter, Herminie Cadalle den Büstenhalter. Mandy Haberman die Anywayup Cup, Margarete Steiff den Teddy, Sarah Mort das Bügelbrett usw. usw.


Nelson Mandela und Erfinder Trevor Baylis mit dem batterielosen Aufziehradio

Klingt alles ein wenig zu sehr nach Haushalt? Es geht auch ganz anders. Haben Sie schon einmal etwas von Ada Byron Lovelace gehört? Hier können sie es lernen: Ada Byron war die Tochter des englischen Dichters Lord Byron. Von klein auf wurde sie auf Betreiben ihrer Mutter in Mathematik und Naturwissenschaft unterrichtet. Mit 19 heiratete sie den Earl of Lovelace. Ein Jahr später wurde sie Charles Babbage vorgestellt. Er erzählte ihr von seiner geplanten "analytischen Maschine". Als er einen italienischen Vortrag über sie gehalten hatte, bat er Ada Lovelace, ihn ins Englische zu übersetzen. Sie fügte so viele Anmerkungen und Kommentare hinzu, dass ihr Text deutlich länger wurde als das Original. "In der letzten ihrer sieben Anmerkungen beschreibt Lovelace einen Algorithmus, mit dem die 'analytische Maschine' in der Lage gewesen wäre, Bernoulli-Zahlen zu berechnen. In Anbetracht des Umstands, dass sie ihren Algorithmus gezielt für eine computerähnliche Rechenmaschine schrieb, kann man sie als Verfasserin des ersten Computerprogramms bezeichnen. Doch da die Maschine nie gebaut wurde, konnte der Algorithmus nie getestet werden." Da Frauen damals keinen Zugang zu Bibliotheken und Universitäten hatten, ließ ihr Gatte sich in die Royal Society aufnehmen und schrieb dort wissenschaftliche Artikel für sie ab. Ada Lovelace, das wird einen Kollegen von mir sehr freuen, wettete gerne auf Pferde. Sie soll viel Zeit und viel Talent dafür aufgebracht haben, sichere Wetten abzuschließen.

1001 Erfindungen, die unsere Welt veränderten, ausgewählt und vorgestellt von 55 Wissenschaftlern. Herausgeber: Jack Challoner, Edition Olms AG, Zürich 2015, Mit einem Vorwort von Wolfgang M. Heckl, Deutsches Museum München. Übersetzung aus dem Englischen von Stefanie Kuball, 960 Seiten mit über 700 farbigen Illustrationen und Fotografien, broschiert, 29,95 Euro

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