Laszlo Krasznahorkai

Seiobo auf Erden

Erzählungen
Cover: Seiobo auf Erden
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010
ISBN 9783100422040
Gebunden, 461 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Heike Flemming. Seiobo ist eine japanische Göttin, deren Pfirsiche nur alle 3000 Jahre blühen, aber Unsterblichkeit schenken. Der Glaube an solche Geschichten ist uns längst abhanden gekommen, nicht aber ihre Sehnsucht. Ihr geht Laszlo Krasznahorkai in seinem neuen Buch nach. Er beobachtet, wie es in jeder Epoche und in allen Kulturen vollkommene Dinge gab und gibt: der im Fluss reglos stehende Reiher, die Grimasse einer No-Maske, die äußerste Nacktheit im Gesicht einer Ikone, die Zerbrechlichkeit einer Buddha-Statue. Seine Helden sind Maler, Schauspieler, Wissenschaftler - Menschen, die erzittern, wenn die Dinge plötzlich die Augen vor uns schließen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.09.2010

Von überwältigenden Erzählungen spricht Andreas Isenschmid in seiner Kritik zu dieser Sammlung mit Prosatexten über Heilige, Künstler und Sonderlinge, mit denen er etwas in die Literatur zurückkehren sieht, was für Dostojewski noch essentiell gewesen sei: die Frage nach dem wahren Leben. Spürbar unter dem Eindruck der suggestiven Prosa des ungarischen Autors treibt der Kritiker im "bald erzählenden" und "bald meditierenden und deutenden" Fluss seitenlanger Sätze, die manchmal nur durch ein Komma unterbrochen sind - begeistert von der Ausrichtung der meisterlichen Geschichten auf die "Erscheinung des Heiligen". Das Medium, durch das Laszlo Krasznahorkai das Heilige sprechen lasse, sei die sakrale Kunst, lesen wir - orthodoxe Mönche im Bann von Ikonen, japanische Buddhisten im Banne einer Buddha-Statue oder ein verzweifelter Westler im "unvermuteten Bann" eines Renaissance-Christus. Immer sieht der Kritiker hochüberzeugend den erleuchteten inneren auf den profanen äußeren Blick treffen. Nie geraten aus seiner Sicht die Geschichten pathetisch, da dieser Autor ihre Thematik durch den "pathoskühlenden Diskurs" eines Kunstexperten auf gegenwärtige Lakonie herunterfahre. Als "überwältigendes Ereignis" feiert Isenschmidt auch die Arbeit der jungen Übersetzerin Heike Flemming.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.07.2010

Besser als Rilke ist der Erzähler Laszlo Krasznahorkai in diesen zu einem "grandiosen Zyklus" geordneten Texten, findet Karl-Markus Gauß. Anders als Rilke nämlich hat Krasznahorkai eine ironische Ader. Zusammen mit einem untrüglichen Sinn für Momente des Göttlichen im Irdischen, in Handwerk oder Natur, und einem dies fassenden, weit ausgreifenden musikalischen Ausdruck tritt der Autor dem Rezensenten gleichfalls göttlich entgegen. Dass es in Krasznahorkais Erzählungen stets um das Gleiche geht, den göttlichen Funken in den Dingen, und die Haltung des Autors ebenfalls stets die nämliche, begeistert schauende ist, stört Gauß ganz und gar nicht. Schließlich ist diese Erzählkunst für ihn reine Musik, im Sinne des arabischen Historiker Ibn al-Faradi: "Die Musik ist die Trauer, dass der Mensch seine himmlische Heimat verloren hat."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.05.2010

Lazlo Krasznahorkais Erzählungsband "Seiobo auf Erden" gibt Andreas Breitenstein den Glauben Glauben an die "Substanz" zeitgenössischen Erzählens zurück. Nicht nur die mönchshafte Erscheinung des ungarischen Autors erinnert den Rezensenten an Rilke, in allen dreizehn Erzählungen des Bandes sieht er den verwandten Geist eines "Gottsuchers und Mystikers" am Werk. Tief beeindruckt steht der Rezensent nicht nur vor dem "stupenden Detailwissen", das Krasznahorkai hier entfaltet - der faszinierte Leser erfährt einiges über Barockmusik, muslimische Baukunst oder japanisches Theater, wie Breitenstein verrät. Immer wieder werden in den Texten auch bekannte Bau- oder Kunstwerke aufgerufen, die unter dem Blickwinkel des Autors eine ganz neue Dimension erhalten, so der Rezensent geradezu ergriffen. Krasznahorkais Feier des "Geheimnis der Existenz" in der Kunst und seine Anlehnung an Rilkes berühmten ästhetischen Imperativ "Du musst dein Leben ändern" würde Pathos, vielleicht gar Peinlichkeit beinhalten, gäbe es bei ihm nicht immer die Fallhöhe zwischen dem Erhabenen und seinen "tragikomischen Pointen", betont Breitenstein begeistert. Dass die Erzählungen auch noch ganz hervorragend übersetzt sind, freut den Rezensenten  und so wird ihm die Lektüre zu einem ganz besonderen Erlebnis, das er "staunend" genießt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.05.2010

"Meisterhaft." Rezensentin Nicole Henneberg greift in die alleroberste Schublade, aber sie ist doch auch ehrlich und tief getroffen von all der Schönheit, die Laszlo Krasznahorkai hier zugleich in großer Ausführlichkeit, und doch in nervösem Rhythmus, wie sie staunend vermerkt, ausbreitet. Was es mit dieser Sehnsucht nach Schönheit auf sich hat, deutet sie im ersten Absatz an: Das Leben in der kommunistische Diktatur war für Krasznahorkai ein Leben ohne Schönheit und schlimmer, ein Leben, das den Opfern der Diktatur das Wissen um Schönheit nahm. Das heißt nicht, dass Schönheit zum Glück führt, ja, sie wird überhaupt "erst glaubhaft, wenn sie aus Verwirrung und Schmerz entsteht", wie Henneberg am Beispiel einiger Erzählungen ausführt. Der Maler Pietro Perugin muss in der ihm gewidmeten Erzählung, die ihn beim Anrühren kostbarster Pigmente zeigt, hinnehmen, dass sein Genie verfällt. Und ein Japaner bricht beim Anblick der Schönheit Kyotos verzweifelt zusammen. Ganz große Literatur, ruft die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.05.2010

Voller Bewunderung und Staunen steht Rezensentin Judith von Sternburg vor diesem Erzählband des ungarischen Autors Laszlo Krasznahorkai. Es sind nicht die extrem langen, über mehrere Seiten gehenden Sätze, die die ersten 323 Seiten dieses Buches ausmachen, denn dergleichen ist der Krasznahorkai-Leser gewohnt, betont die Rezensentin. Auch sein beeindruckendes Wissen, das er über die Zeremonien beim Zurückbringen einer Buddha-Statue in ein Kloster in Kyoto genauso gut Bescheid weiß wie über die Arbeitsweisen in einer Künstlerwerkstatt der Renaissance oder die Alhambra in Granada, ist nicht die Hauptquelle für Sternburgs Faszination. Es ist vielmehr die "scheinbare Absichtslosigkeit der Perfektion", mit der der Autor von den "wesentlichsten Dingen", also den Kunstwerken spricht und wie er in den Erzählungen, die durch ein fein gewebtes Motivnetz miteinander verknüpft sind, das "Religiöse ohne Gott" beschwört, was die Rezensentin in den Bann schlägt. Ganz auf den Moment und die gegenwärtigen Situation konzentriert zielt der Autor  nicht auf eine über das geschilderte hinausgehende Bedeutung und schafft es doch, dass die Leser gebannt vor dem "so entstandenen Kunstwerk" stehen, so die Rezensentin.

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