Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
14.06.2004. In dieser Woche: Warum das einzige, was in der Hörbuchbranche boomt, die Raubkopien sind. Mit welchen Verlust die FAZ abgeschlossen hat und was ihre Buchverlage damit zu tun haben. Warum Deutschland ein Paradies ist, zumindest im Vergleich mit Großbritannien. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Der Wettbewerb im Taschenbuch zieht an. Das hat zwei Gründe: Zum einen verschafft der Preisanstieg im Hardcover, dem die "latente Schnäppchenjäger-Mentalität des Publikums" gegenüber steht, dem preiswerteren Paperback zusätzliche Chancen. Zum anderen seien durch die Heyne-Übernahme von Random House und die Übernahme der Taschenbuchverlage Ullstein, Econ und List von Bonnier neue Machtstrukturen entstanden, schreibt der Buchreport.

Am 25. Juni erfahren die deutschen Buchhändler, wie's um ihre Kundschaft bestellt ist. Dann veröffentlicht die Agentur Freising & Partner die Ergebnisse der Erhebung "Bücherkauf 2004", für die 1500 Käufer in Sortimentsbuchhandlungen befragt wurden. Ein erstes Fazit zieht der Buchreport in seiner aktuellen Ausgabe: Nur noch jeder dritte Leser lasse sich im Buchhandel über Neuerscheinungen informieren (1992 waren's immerhin 54 Prozent). An Einfluss auf Kaufentscheidungen gewonnen hätten das Internet, Print-Medien sowie Empfehlungen durch Freunde. Die absolute Mehrheit der Befragten würde auch einen höheren als den aktuellen Preis eines Buches bezahlen - so das Buch den Preis wert sei.

Nicht nur die Musik- und Filmbranche sind nunmehr Opfer von Produktpiraterie. Auch Buchverlage beklagen die zunehmende Verbreitung illegaler Buch- und Hörbuchkopien im Internet. "Im Hörbuchbereich treten sogar Phänomene auf, die wir nicht einmal aus der Musikbranche kennen", erzählte Rechtsanwalt Björn Frommer dem Buchreport. So würden nicht nur einzelne Titel, sondern ganze Werksammlungen sowie komplette Serien zu Schleuderpreisen feilgeboten - bis hin zu Festplatten voller illegal kopierter Hörbücher.

Die einzige Buchhandels-Warengruppe, die in 2003 neben der Belletristik ein Wachstum verzeichnete, ist das Hörbuch. Dass der Hörbuchmarkt überschätzt wird, behauptet Martin Pfaff, Betreiber der Internetdatenbank hoergold.de. Falls etwas in diesem Markt boome, dann nur die Anzahl der Hörbuchverlage, erklärt er im Buchreport. Inzwischen gebe es zwar eine Menge Titel, doch nur die wenigsten verkauften sich gut. Branchenprimus HörVerlag schätzt den Gesamtumsatz, den die rund 500 Hörbücher produzierenden Verlage im letzten Jahr machten, auf magere 35 Mio. Euro. Der Marktanteil der Hörbücher am gesamten Buchmarkt bleibt mit unter drei Prozent marginal.

Die FAZ-Gruppe hat das vergangene Jahr mit Verlusten abgeschlossen. Der Umsatz sank um satte 19 Prozent auf 458 Mio. Euro, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Geschäftsbericht hervorgeht. Neben dem schwächelnden Anzeigengeschäft im Zeitungsbereich hätten auch die Buchtöchter des Medienkonzerns zu den Einbußen beigetragen, fasst der Buchreport, den das Ergebnis nicht überrascht, zusammen. Das Unternehmen - u.a. hält es Beteiligungen am Manesse, Prestel und Kösel Verlag - hat sich im Zuge des seit zwei Jahren gefahrenen Konsolidierungskurses bereits von der Buchhandelskette Habel getrennt. Der darüber hinaus geplante Verkauf der ebenfalls zur FAZ-Gruppe gehörenden Deutschen Verlags-Anstalt ist an fehlendem Käuferinteresse gescheitert.

Ray Bradbury (mehr) ist sauer auf seinen Landsmann und Autoren-Kollegen Michael Moore (mehr). Der habe für den in Cannes preisgekrönten Film "Fahrenheit 9/11" den Titel seines Romans "Fahrenheit 451" geklaut und die Zahlen ausgewechselt, ohne jemals um Erlaubnis zu fragen, ärgert sich Bradbury und schimpfte Moore in einem Interview mit einer schwedischen Zeitung einen "dämlichen Drecksack".

Personalien: Wilhelm Genazino (Buchbesprechungen im Perlentaucher-Archiv) wird am 23. Oktober die höchste Auszeichnung im deutschen Literaturbetrieb, der Büchner-Preis, zuteil. Hier eine Auflistung aller Büchner-Preisträger.

Meldungen: Großbritanniens prestigeträchtigste literarische Auszeichnung, der Man Booker Prize, wird allen Widerständen auf der Insel zum Trotz in 2005 international. Zum zehnjährigen Bestehen hat das Online-Archiv Gutenberg-DE die ersten beiden Titel einer Taschenbuch-Reihe veröffentlicht, in der künftig vergessene oder vergriffene Klassiker erscheinen sollen. Der designierte Bundespräsident und der ehemalige Sicherheitsberater des Weißen Hauses sind mit ihren Büchern neu auf den vorderen Rängen der Spiegel-Bestsellerliste. Was sich sonst noch in den Top 50 getan hat, hier.

Börsenblatt

"Ulysses", der Schlüsselroman des Iren James Joyce (mehr), spielt am 16. Juni 1904, welcher als "Bloomsday" zum Stichtag der literarischen Moderne wurde. Zum 100. Jahrestag am Mittwoch erscheinen eine Reihe von Novitäten, die wichtigste ist sicherlich die aufwändig kommentierte Ausgabe (bei Suhrkamp). Die sei grandios und ohne Vorbild - auch im angelsächsischen Raum - schwärmt Wolfgang Schneider im Börsenblatt. Vielleicht werde nun der eine oder andere Kritiker die moderne Aura der Unverständlichkeit vermissen.

Die Rechtschreibreform ist durch, das Regelwerk ab August 2005 verbindlich. Mit einigen von den Kultusministern gebilligten Modifikationen, die vor allem im Bereich der Zusammen- und Getrenntschreibung mehr Wahlfreiheit gewähren. Andreas Baer, Geschäftsführer der VdS Bildungsmedien e.V. (früher: Verband der Schulbuchverlage), begrüßte die Entscheidung als einen "wichtigen Schritt", der den Schulbuchverlagen die "nötige Planungs- und Rechtssicherheit" verschafft. Es sei nun an der Zeit, mahnt Baer im Börsenblatt, sich auf die sachliche Arbeit beim Fortgang der Reform zu konzentrieren.

Eine Insel der Glückseligkeit ist der deutsche Buchmarkt, verglichen mit dem britischen. Dank der Buchpreisbindung, klärt Verleger Pete Ayrton auf der Meinungsseite des Börsenblatts auf. In Großbritannien werde der Markt von vier, fünf Buchhandelsketten und ähnlich vielen großen Verlagshäusern beherrscht. "Verlage geben viel Geld aus, um Bücher zu bewerben und die Filialisten dafür zu bezahlen, die Titel gut zu platzieren. Die Folge ist eine Standardisierung des Produkts", klagt Ayrton. Alle Bücher eines Genres sähen in Großbritannien mittlerweile gleich aus.

Kaffeeröster Tchibo steigt mit dem Label TCM ins Buchgeschäft ein. In den 870 Filialen der Hamburger Kette steht seit kurzem eine einbändige Sonderausgabe zweier Titel der britischen Bestsellerautorin Fiona Walker im Regal - für 9,99 Euro. Es bleibe aber bei Einzelaktionen, teilte eine Unternehmenssprecherin dem Börsenblatt mit.

Peter Weber (mehr im Perlentaucher-Archiv) erhält am 3. September den Schlüssel zum Stadtschreiberhaus Bergen-Enkheim. Weitere Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: Die Darmstädter Jury, der unter anderem Büchner-Preisanwärter Genazino (siehe buchreport.express) angehört, wählte Ulrike Draesners Erzählband "Hot Dogs" zum "Buch des Monats Juni". Zwischenbuchhändler Libri will mit insgesamt 100.000 Euro erfolgreiche Konzepte zur Nachfolgeregelung und Neugründung im Buchhandel prämieren. Die Mitglieder der Kultusministerkonferenz haben bei ihrer Sitzung in Mainz das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen - Wissenschaftliche Einrichtung der Länder an der Humboldt-Universität zu Berlin gegründet.
Archiv: Börsenblatt