Magazinrundschau

Die Basisdaten unserer Lyrik sind solide

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
30.09.2008. In The Nation würde Joseph Stiglitz der Bush-Regierung nichts mehr abkaufen. Charles Bernstein sorgt sich in Harper's Magazin um ungedeckte Lyrikschuldverschreibungen. Der Express stellt das "Schwarzbuch Verlage" vor. Das Times Literary Supplement erwärmt sich für den Ukraine-Verteidiger Erzherzog Wilhelm Franz von Habsburg-Lothringen. Literaturen reist mit Josef Winkler und Pfefferspray nach Kamering. HVG hofft auf das Ende des einsamen Denkens. Der Economist kritisiert unkontrolliertes Data-Mining. (Aktualisiert um 12.59 Uhr)

The Nation (USA), 26.09.2008

Der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hoffte vor wenigen Tagen, dass der amerikanische Bailout-Plan - 700 Milliarden Dollar Steuergelder um faule Kredite zu kaufen, die viele Banken zu ruinieren drohen - nicht durchgeht. Diese Hoffnung hat sich gestern erfüllt: Das Abgeordnetenhaus hat den Plan abgelehnt. 133 Republikaner und 95 Demokraten stimmten dagegen. Stiglitz' Hauptargument war: Man kann den Leuten, die diesen Plan ausgeheckt haben, nicht trauen. "Paulson und andere in der Wall Street behaupten, dass der Bailout notwendig ist und wir in riesigen Schwierigkeiten stecken. Vor kurzer Zeit haben sie uns noch erzählt, dass wir über dem Berg sind. Die Regierung hat sogar letzten Februar ein Anreizpaket abgelehnt - das auch die Erhöhung von Arbeitslosengeld und Hilfe für Bundesstaaten und lokale Verwaltungen vorsah - und sie sagen immer noch, wir brauchen keine Anreize. Ehrlich gesagt, die Regierung hat ein Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblem, das so groß ist wie das der Wall Street."
Archiv: The Nation
Stichwörter: Stiglitz, Joseph

American Scholar (USA), 01.10.2008

Der chinesisch-amerikanische Schriftsteller Ha Jin beschreibt die überaus cleveren Methoden der chinesischen Zensurbehörde, unerwünschte Bücher, Filme etc. ohne großes Aufsehen aus dem Weg zu räumen. Dazu gehört unter anderem die Trennung der Elite von der restlichen Bevölkerung. "Nach Tiananmen hat die Kommunistische Partei eine relativ konziliante Haltung gegenüber Intellektuellen entwickelt, die laut, erfinderisch und lästig sein können. Im Ganzen gesehen ist es der Partei gelungen, die Intellektuellen zu kaufen; sie leben sehr viel besser als die Menschen auf einer niedrigeren sozialen Skala. Indem die Partei Jiao und Zhang [ein Professor und eine Autorin, die gegen die Zensurbehörde protestiert hatten] nicht sehr hart bestrafte, konnte sie es vermeiden, den Zorn der Elite auf sich zu ziehen. Solange Chinas Hirne sich nicht mit den rebellierenden Massen verbünden, ist das Land leicht zu kontrollieren."

Bruce Falconer stellt den "bösesten Mann der Welt" vor, den deutschen Evangelikalen Paul Schaefer, der in Chile die Colonia Dignidad gegründet hatte. William Lychack schickt einen Brief aus Burma. Abgedruckt ist eine Rede, die Leonard Bernstein vor 22 Jahren in Havard hielt: "Truth in a Time of War". Klingt irgendwie aktuell.

Express (Frankreich), 29.09.2008

Als "Schwarzbuch Verlage" wird die Publikation "Edition, presse et pouvoir en France au XXe siecle" (Fayard) des französischen Historikers Jean-Yves Mollier annonciert. Darin blickt der Autor auf Machenschaften und hinter die Kulissen des französischen Literaturbetriebs im 20. Jahrhundert, angefangen bei der deutschen Okkupation. 1940 sei das französische Verlagswesen bis auf wenige Ausnahmen durchaus nicht nazifreundlich gewesen sei, erklärt Mollier im Gespräch. "Dennoch, die Pariser Verleger sind pragmatische Geschäftsleute und wollten den deutschen Forderungen entgegenkommen. Denn die Besatzer haben sehr bald gewünscht, eine Liste verbotener Bücher aufzustellen, die so genannte 'Otto-Liste'. Sie enthielt 1060 Titel, darunter die Werke von Gegnern des Nationalsozialismus wie Thomas Mann, Stefan Zweig, Romain Rolland, von jüdischen Autoren wie Henri Bergson oder Freud... In Wirklichkeit haben die französischen Verleger diese Liste erstellt. Ab Mai 1940 haben alle, Flammarion, Albin Michel, Grasset, Gallimard oder Payot, damit begonnen, ohne viel Federlesens eigene 'Vor-Listen' anzufertigen. Sie [diese Bücher] wurden unverzüglich eingesammelt, und zwar von den Transportunternehmen von Hachette, die den Buchvertrieb in Frankreich besorgten und riesige Lager besaßen, in denen die geächteten Werke eingestampft wurden. Die deutschen Behörden mussten nur noch eine Zensurvereinbarung mit dem Verlegerverband unterzeichnen. Man hat ihnen die Arbeit abgenommen."
Archiv: Express

Chronicle (USA), 03.10.2008

Die experimentellen Philosophen sind auf dem Vormarsch. Christoper Shea erklärt, was das ist. "'Wenn irgendetwas in einem Sessel betrieben werden kann, dann ist das Philosophie', erklärte der angesehene Oxforder Philosoph Timothy Williamson vor einigen Jahren der Aristotelian Society in London. Das mag sich wie eine harmlose Wahrheit anhören: Man kann sich Bertrand Russell beim Philosophieren nur in einem Sessel vorstellen, oder vielleicht noch im Bett, postkoital. Tatsächlich aber ist Williamsons Bemerkung heute heftig umstritten. Es gibt eine wachsende Bewegung unter den Philosophen, die glauben, dass die im Sessel entwickelten Argumente von Philosophen ausprobiert, empirisch belegt und echten Experimenten unterzogen werden müssen. ... Tatsächlich ist ein in Flammen aufgehender Sessel das informelle Symbol der experimentell-philosophischen Bewegung, auch bekannt als 'x-phi'."
Archiv: Chronicle
Stichwörter: Russell, Bertrand

Harper's Magazine (USA), 01.09.2008

Die Bankenkrise hat doch auch was Gutes. Die Wirtschaftssprache zieht ins Feuilleton ein und verleiht traurigen Themen plötzlich ungemeinen Charme! Hier ein Auszug aus einer Rede Charles Bernsteins aus Anlass der Kür der Best American Poetry 2008. Harper's zitiert: "Seien Sie versichert: Die Basisdaten unserer Lyrik sind solide. Das Problem ist nicht die Lyrik, das Problem sind unabgedeckte, unabgesicherte Gedichte. Die Krise wurde beschleunigt durch die immer panischere Ausgabe von von Lyrikschuldverschreibungen, die am Markt wegen ihrer Schwierigkeit, Inkompetenz oder Irrevelanz Verluste verursachen."
Stichwörter: Bankenkrise, Solid, Bernstein

Literaturen (Deutschland), 01.10.2008

Sigrid Löffler hat sich für die Titelgeschichte (im Netz nur ein Auszug) mit dem Schriftsteller Josef Winkler in dessen Heimatdorf begeben. Winkler hat vorsichtshalber das Pfefferspray eingepackt und einen "Leibwächter" mitgebracht: "Sein Verhältnis zu seinem Herkunftsort ist heikel. Mit 55 Jahren ist Winkler heute Kamerings berühmter Sohn: Allein in diesem Herbst werden ihm in Darmstadt der Georg-Büchner-Preis und in Wien der Große Österreichische Staatspreis verliehen - höhere Ehrungen kann ein Schriftsteller im deutschen Sprachraum nicht erreichen. Zugleich aber ist er immer noch der Enzn-Sepp, Kamerings berüchtigtes schwarzes Schaf. Eben seinen literarischen Ruhm verzeihen ihm manche Dörfler nicht. Sie sehen in Winkler den missratenen, in die Kunst entlaufenen Bauernsohn, der davon lebt, seine Familie und sein Dorf vor der Welt schlecht zu machen."

Weitere Artikel: Jürgen Gottschlich hat neue Bücher zur politischen Lage im diesjährigen Buchmesse-Gastland Türkei gelesen und legt auch seine eigene Sicht der Dinge dar. In ihrer "Beiseite"-Kolumne begreift Sibylle Berg nicht, warum sich die Feuilletons so gerne mit Trivialitäten wie Hape Kerkeling beschäftigen. In der "Netzkarte" fragt Aram Lintzel, ob man nicht auch all die "Watch"-Seiten "watchen" sollte. Ulrich Peltzer liest gerade die Tagebücher von Andy Warhol.

Besprochen werden unter anderem der Bachman-Celan-Briefwechsel "Herzzeit", Olga Flors neuer Roman "Kollateralschaden", Thomas von Steinaeckers Roman "Geister" und, in Franz Schuhs Kriminal, Max Bronskis neuer München-Krimi "Schampanninger", Marco Kreuzpaintners Otfried-Preußler-Adaption "Krabat".
Archiv: Literaturen

New Yorker (USA), 06.10.2008

Volle 38 Seiten widmet das Magazin einer Auswahl jener Korrespondenz von Norman Mailer, in welcher der vergangenes Jahr verstorbene Schriftsteller und scharfe Kritiker der amerikanischen Politik mit selbiger in den Clinch geht. In der Auswahl, die sich von 1945 bis 2006 erstreckt, finden sich unter anderem Briefe an Familienmitglieder, Präsidentengattin Jackie Kennedy und den konservativen Autor und Journalisten William F. Buckley jr. Um diesen geht es auch in einem Schreiben von Dezember 1962 an den Herausgeber des Playboy: "Sehr geehrter Herr, ich wünschte, Sie hätten die Diskussion zwischen William Buckley und mir nicht als Aufeinandertreffen eines Konservativen und eines Liberalen angekündigt. Es ist mir egal, wenn man mich als Radikalen, Rebellen, Roten, Revolutionär, Außenseiter, Verbrecher, Bolschewik, Anarchist, Nihilist oder sogar als linken Konservativen bezeichnet, aber nennen Sie mich niemals einen Liberalen. Ihr Norman Mailer."

Weiteres: Sasha Frere-Jones analysiert, wie der Musikproduzent Timbaland die Regeln des Gewerbes verändert hat. Außerdem die Erzählung "The Idiot President" von Daniel Alarcon und Lyrik von Anne Carson und Rosanna Warren.

Adam Gopnik rezensiert die Biografie "John Stuart Mill: Victorian Firebrand" (Overlook) über den englischen Philosophen und Ökonomen. John Lahr stellt Inszenierungen der Mysterienspiele "Passion Play" und "Equus" von Sarah Ruhl und Peter Shaffer vor. Und Anthony Lane sah im Kino "Blindness" von Fernando Meirelles nach einem Roman von Jose Saramago und die "aggressive" Liebeskomödie "Rachel Getting Married" von Jonathan Demme.
Archiv: New Yorker

Nepszabadsag (Ungarn), 27.09.2008

Der Medienwissenschaftler Miklos Almasi kommentiert das gerade vom Parlament abgelehnte, 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket der US-Regierung für den angeschlagenen Finanzmarkt: "Wenn alles gut geht, wird ein halb staatliches, halb unabhängiges Finanzsystem entstehen und der Staat als letzter Retter, als regulierende und intervenierende Instanz wird rehabilitiert. Und man kann hoffen, dass gewisse Verkehrsregeln in die Tanzordnung der Finanzwelt Einzug finden, und dass dieser Kasino-Betrieb ein wenig leiser wird... Das war jenes amerikanische Finanzgebilde (financial architecture), in deren Glanzperiode der Markt und die Wirtschaft vom Diktat riesiger Investmentbanken (und mächtiger Hedge-Fonds, Private Equity-Gesellschaften) beherrscht wurde. Die Krise hat diese Mammutfirmen weggespült und klargemacht, dass es mit diesem angelsächsischen Kapitalismusmodell vorbei ist. Der Slogan 'Der Markt wird alles regeln' mündete darin, dass der Staat die Zeche bezahlt. An die Stelle des neoliberalen Mythos tritt irgendeine hybride Version. In der globalen Welt muss für die Finanzwelt ein globales Regelsystem ausgearbeitet werden. ... Ich bin nicht optimistisch."
Archiv: Nepszabadsag
Stichwörter: Finanzmärkte, Finanzsystem

Prospect (UK), 01.10.2008

Julian Gough wird im Nachruf auf den Schriftsteller David Foster Wallace grundsätzlich. Die Universität war es, findet er, die mehr und bessere Bücher des Autors verhindert habe. Weil ihn die fürs finanzielle Überleben notwendige Lehre als Dozent für Kreatives Schreiben so beschäftigte. Aber auch wegen einer anderen, mit dem akademischen Leben verbundenen deformation professionelle: "Ein Leben an der Universität formte, deformierte und ruinierte ums Haar Wallaces Schreiben. 'Infinite Jest' ist ein fast tausendseitiger erschöpfender, unerschöpflicher, ganz problematischer und brillanter Roman. Darauf folgen noch fast hundert Seiten mit Endnotenanhang (sein Lektor zwang ihn, nochmal so viele zu streichen). Der Endnotenanhang hat wiederum Fußnoten. Einerseits wusste Wallace sehr wohl, dass er vom normalen Amerika abgeschnitten war, aber dieses Wissen trieb seine Prosa in eine hyper-analytische Todesspirale. Wie so viele Akademiker verfolgte er obsessiv den weißen Wal (oder den rosa Elefanten) der Authentizität. Er verbrachte viel Zeit damit, Sprachformen zu attackieren, die er verabscheute (den Jargon der Pharmazie, der Werbung, der PR). Das war Literaturkritik verkleidet als Literatur - Granatenangriffe auf Themenparks."
Archiv: Prospect

Rue89 (Frankreich), 27.09.2008

Judith Sibony berichtet über einen Sturm der Kritik, den Jacques Attali, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Berater von Francois Mitterrand, entfacht hat. Er hat ein Theaterstück geschrieben, mit dem er Experten für die Geschichte der Shoah gegen sich aufbringt. "Du cristal a la fumee" (erschienen bei Fayard und aufgeführt am Theatre du Rond Point) thematisiert ein Nazi-Treffen unter Leitung von Hermann Göring zwei Tage vor der so genannten "Reichskristallnacht". Attali hält sich nach eigenen Angaben zu "95 Prozent" an den Wortlaut dieser Zusammenkunft und glaubt, damit deren "geheime Wahrheit" an den Tag gebracht zu haben: Aus diesem Treffen sei die Endlösung der Judenfrage hervorgegangen - gut zwei Jahre also vor der Wannseekonferenz, die als eigentlich Geburtstunde des Holocaust gilt. Eine "historische Unwahrheit mehr, die sich ungestraft verbreiten wird ", empört sich nun etwa die Historikerin Annette Wieviorka ("Mama, was ist Auschwitz?"). Und Elisabeth de Fontenay, Präsidentin der Commission Enseignement au Memorial de la Shoah meint: "Um ein solches Thema zu behandeln, muss man entweder ein großer Schriftsteller sein oder ein Historiker. Attali ist keins von beidem und die Vermischung, die er hier vornimmt, ist katastrophal: Er öffnet Verdrehungen Tür und Tor und bekundet einen gewaltigen Mangel an Respekt vor den Toten."

Zu lesen ist außerdem ein hübscher Artikel über Sinn, Wesen und Zweck der neuerdings immer riesiger werdenden Brillengestelle. "Einziges Credo: Sehen, vor allem aber gesehen werden."
Archiv: Rue89

Times Literary Supplement (UK), 26.09.2008

Der 1895 geborene Erzherzog Wilhelm Franz von Habsburg-Lothringen, ein Enkel des Kaisers Franz Joseph, war in jeder Hinsicht ein bunter Hund, aber er war auch ein Held der ukrainischen Freiheitsbewegung, für die er aktiv kämpfte. Timothy Snyder beschreibt den Mann in seinem Buch "The Red Prince" auf ziemlich ungewöhnlich Weise, erklärt Christopher Clark. "Der durchtriebene Ton ist ungewöhnlich für eine historische Biografie, aber durchaus typisch für die Welt der Fabeln, in der Charaktere schwierige Situationen erleuchten und generelle Einblicke gewähren sollen. Der wahre inhaltliche und moralische Gehalt dieses Buches, der sich hinter dem durchlässigen Strang der Lebenserzählung auftut, handelt von der unbeständigen Natur des nation-building im modernen Europa. In Ost-und Zentraleuropa war die Nation die kompakte, monokulturelle Antwort auf die multikulturellen Regierungsformen des alten Reichs. Die Geschichte der Nationalstaaten ist von Blut gezeichnet. Heutzutage, so deutet Snyder an, wurde das multiethnische Gemeinwesen der Habsburger Dynastie in der Form der Europäischen Union wiedergeboren, während die absolutistischen Experimente des Ultranationalismus am Straßenrand gelassen wurden. ... Wilhelm lebte für eine verlorene Sache, aber seine Fehler waren instruktiv und manchmal haben die Verlierer das letzte Wort."

Weltwoche (Schweiz), 26.09.2008

Wo sind sie nur hin, die waschechten Plots, die barocken, weitläufigen, rauhen Abenteuer in der Literatur? klagt Markus Gasser (Audio), um uns anschließend natürlich seine Neuentdeckung zu präsentieren. Patrick Rothfuss lässt in "Der Name des Windes: Die Königsmörder-Chronik" den berüchtigten Zauberer Kvothe nach dem Namen des Windes suchen - wenn er diesen beherrscht, kann er über ihn befehligen und sich an den Mördern seiner Eltern rächen. Melancholisch und selbstironisch reanimiere der Autor das Fantasy-Epos: "Rothfuss geht darin aufs Ganze und schenkt dem Genre Selbstbewusstsein im doppelten Sinn: Fantasy macht, Rothfuss sei Dank, doch noch was her; und seine Figuren sind Hauptdarsteller und zugleich Zuschauer ihres eigenen Stücks. Fantasy goes postmodern. Von einem Rothfuss hatte bislang noch niemand gehört; mit der 'Königsmörder-Chronik' wird sich das ändern."

Weitere Artikel: Charlotte Roche spricht mit Peer Teuwsen über Zweckpessimismus, den unerwarteten Erfolg der "Feuchtgebiete" und die Notwendigkeit, sich vor dem Star-Rummel zu schützen. Im Graubünden-Porträt zeigt Daniele Muscionico (Audio) dem Leser unter anderem die architektonischen Perlen des Kantons, wie Rudolf Olgiatis Gelbes Haus, die Kapelle in Sogn Benedetg oder die Felsentherme in Vals, beide von Peter Zumthor. Peter Hossli und Tobias Straumann porträtieren den amerikanischen Finanzminister Henry-Paulson. Und Wolfram Knorr bespricht den Baader-Meinhof-Komplex.
Archiv: Weltwoche

Economist (UK), 26.09.2008

Geheimdienste vieler Länder betreiben, wie der Economist in einem ausführlichen und kritischen Artikel darstellt, ungeniert, teils wohl sogar unkontrolliert exzessives Data-Mining (also im Grunde: Rasterfahndung) und gleichen Informationen über Verhaltensmuster ab. Das führt dazu, dass einen ungewöhnliches Verhalten aller Art schnell verdächtig macht - manchmal auch mit der Folge, dass Unschuldige auf Beobachtungslisten landen. "Die verblüffende und rasant wachsende Leistungsfähigkeit der Data-Mining-Technologie erweitert den Bereich dessen, was als verdächtig betrachtet wird. Im Juni haben das Verteidigungs- und das Heimatschutzministerium der USA mit einer Gruppe von Polizei-Chefs das 'Projekt zur Unterstützung und Einrichtung von Berichten über Verdächtige Aktivitäten' veröffentlicht. Es ist zum Teil von Methoden des Los Angeles Police Department inspiriert und fordert Polizisten dazu auf, Menschen Befragungen zu unterziehen, die beispielsweise Ferngläser benutzen, Schritte zählen, Diagramme zeichnen, ihr Äußeres verändern, sich mit Sicherheitspersonal unterhalten und Gegenstände 'ohne erkennbaren ästhetischen Wert' fotografieren."

Sehr lesenswert ein Artikel über die sich beschleunigende Flucht von Weißen vor der Gewalt in Südafrika. In einem Sonderteil geht es um die beiden Koreas.

Besprochen werden unter anderem eine gut siebenhundertseitige Geschichte der Bank Goldman Sachs (Verlagsseite), Jeff Howes Studie über "Crowdsourcing" a la Wikipedia (Verlagsseite), ein Buch von Alison Light über die Domestiken im Bloomsbury-Zirkel (Verlagsseite) und eine Palladio-Ausstellung in Vicenza.
Archiv: Economist

HVG (Ungarn), 25.09.2008

"Kommunikation war von Anfang an ein zentrales und unumgängliches Thema der europäischen Philosophie. Wir versuchen jetzt, innerhalb der jetzigen kommunikationstechnologischen Explosion die traditionellen Fragen der Philosophie neu zu formulieren", sagt der Philosoph Kristof Nyiri, Organisator einer Budapester Tagung über Kommunikation im 21. Jahrhunderts und die mobile Informationsgesellschaft. Im Interview mit Ivan Bedö meint Nyiri auf die Frage, worin diese Neuformulierung in der Philosophie besteht: "Der Mensch ist ursprünglich ein kommunizierendes Wesen. Die Philosophen des 19. Jahrhunderts waren sich noch darüber im klaren, im 20. Jahrhundert ist das für einige Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, und nun sehen wir uns im Zeitalter des Handys wieder damit konfrontiert. Der persönliche Kontakt wird erneut aufgewertet. Dieser gehört zur ureigensten Natur des Menschen, doch durch die Jahrhunderte des Buchdrucks, die Technologien des einsamen Denkens, wurde er in den Hintergrund gedrängt. Heute erhalten wir diese ursprüngliche Gedankenwelt zurück."
Archiv: HVG
Stichwörter: Buchdruck, Hvg

New York Times (USA), 28.09.2008

Jill Abramson ist nicht gerade begeistert über Bob Woodwards arg trockenen Reportagestil, dennoch nennt sie seine Serie von vier Büchern über die Präsidentschaft Gerge W. Bushs die "beste Bilanz die wir über die Ereignisse dieser Präsidentschaft wahrscheinlich bekommen werden". Im gerade erschienen vierten Band "The War Within" (erstes Kapitel) schließt Woodward seine Chronik von Bush 2 mit katastrophalem Ergebnis. Abramson schreibt: "Es ist unmöglich von Woodwards Berichterstattung nicht beeindruckt zu sein. Sie bringt einfach eine lebendige Chronologie von Tag zu Tag, angefangen vom Angriff auf Afghanistan in den Tagen nach dem 11. September, bis zum Irak und zeigt, wie sich die Politik des Präsidenten entfaltete und welche Folgen sie hatte. Woodwards schmucklose Darstellung hat viele andere Autoren und Reporter mit einer Bestandsaufnahme der Ereignisse und Äußerungen der Protagonisten in diesen entscheidenden Phasen der Präsidentschaft versorgt."

In der gleichen Ausgabe der Book Review lässt der israelische Historiker Tom Segev kein gutes Haar an dem Buch "Icon of Evil" (Auszug) über die Beziehungen des Mufti von Jerusalem zu Hitler. Er wirft den Autoren David G. Dalin und John F. Rothmann unseriösen Umgang mit den Quellen vor.
Archiv: New York Times