Hermann Broch

Verlorener Sohn?

Hermann Brochs Briefwechsel mit Armand 1925-1928
Cover: Verlorener Sohn?
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518421925
Gebunden, 190 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Hermann Broch war ein Schriftsteller mit pädagogischem Ehrgeiz: ethische Wirkung stand im Mittelpunkt seines romanhaften und philosophisch-politischen Werks. Seinem Sohn, dem 1910 geborenen Armand, wollte er die denkbar beste Erziehung angedeihen lassen. So schickte er den Fünfzehnjährigen auf das College de Normandie in Cleres bei Rouen, an eine Eliteschule der europäischen High Society. Die Einschulung begleitete der Vater damals noch Fabrikant in Wien mit philosophischen Briefen über den Sinn von Leben, Tod und Unsterblichkeit. Broch gehörte der expressionistischen Generation an, die in Wissenschaft, Literatur und Kunst die großen Werke der Hochmoderne des 20. Jahrhunderts schuf. Armand aber vertrat die Jugend der Neuen Sachlichkeit: Bei ihm drehte sich alles um Autos und Sport, Reisen und schicke Kleidung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.03.2011

Man spürt das Mitleid von Rezensent Franz Haas angesichts der permanenten Ermahnungen, Herabsetzungen und wenig einfühlsamen "Standpauken", die der spätere Schriftsteller Hermann Broch zwischen 1925 und 1928 seinem Sohn ins französische Internat schrieb. Dieser von Broch-Kenner Paul Michael Lützeler herausgegebene Briefwechsel ist aber mehr als ein Dokument eines klassischen Generationskonflikts, denn er bildet gleichzeitig die historische Stimmung des finanziell ungesicherten Bürgertums ab, das politisch düsteren Zeiten entgegengeht, so der Rezensent. Gleichzeitig vermittelt der Band aber auch ein Bild von der schwierigen Situation Brochs zwischen scheiternder Liebesbeziehung, finanziellen Sorgen und der Unzufriedenheit in seinem "Brotberuf", so Haas interessiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.02.2011

Rolf Spinnler zweifelt ein wenig an der Notwendigkeit dieser Edition, die den Briefwechsel zwischen Hermann Broch und seinem Sohn Armand aus den Jahren 1925 bis 1928 umfasst. Hermann Broch war zu dieser Zeit noch nicht zu einem der bedeutendsten Romanciers des 20. Jahrhunderts avanciert, sondern führte in Wien die von seinem Vater geerbte, nicht sonderlich viel Gewinn abwerfende Textilfabrik. Sein 14-jähriger Sohn Armand lebt im elitären College de Normandie in Cleres, interessiert sich nicht die Bohne für Philosophie, Literatur und Mathematik, sondern nur für Autos, Mädchen und Sport. Außerdem verlangt er ständig mehr Geld, um mit seinen Upperclass-Kommilitonen mithalten können. Ein typischer Teenager eben. Rezensent Spinnler erwähnt, dass der Herausgeber Paul Lützeler hierin das Denken zweier Generationen widergespiegelt sieht, einer expressionistischen und einer neusachlichen. Dem Rezensenten scheint dies überinterpretiert.