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Analysen und Meinungen zum Attentat vom 11. September

14.09.2001. "We are all Israelis now", schreibt Martin Peretz in The New Republic.
The New Republic hat in seinem neuen Heft eine ganze Reihe von Artikeln zu den Anschlägen in New York. Die meisten fordern ohne Umschweife harte Vergeltung.
Eliot A. Cohen, Professor für Strategie an der Johns Hopkins Universität, erklärt: dies war keine kriminelle Tat, es war Krieg. Und darauf sollte man mit Bomben antworten, nicht mit Politik. Seine Argumente: "Terrorist organizations are small and specialized--professional in a twisted sense of the term. Kill or disable a key member of one, and you can disrupt a complex operation. Moreover, when terrorists fear death themselves, more of their efforts are directed toward survival and less toward the planning and preparation of attacks."

Martin Peretz kritisiert die Politik der Clinton-Regierung, die versucht habe, Gruppen wie Hamas und Hizbollah mit Vernunft beizukommen. Außerdem zitiert er die offizielle palästinensische Zeitung Alhayat Al-Jadeeda: "The suicide bombers of today are the noble successors of their noble predecessors ... the Lebanese suicide bombers who taught the US Marines a tough lesson (in Lebanon) ... and then with no preconditions, threw the last of the remaining enemy (Israeli) soldiers out of the (security) zone. These suicide bombers are the salt of the earth, the engines of history ... they are the most honorable among us."
Dazu Peretz: "Sad to say, we Americans no longer need any instructions in how it feels to be an Israeli. The murderers in the skies have taught us all too well. We are all Israelis now."

R. James Woolsey warnt davor, sich die Suche nach den Verantwortlichen ausschließlich auf den Kreis um Bin Laden zu beschränken. Seiner Ansicht nach könnte auch der Irak dahinterstecken.

Schließlich fordert Peter Beinart von den Globalisierungsgegnern, ihre für diesen Monat geplanten Proteste in Washington abzusagen. In diesem Zusammenhang weist er auf urban 75, eine Adresse von Globalisierungsgegnern hin, auf der man in den Leserbriefen gut die Zweiteilung dieses Lagers studieren könne: während die einen meinen, Amerika sei selbst schuld, fragen sich andere bestürzt, ob die Proteste in Seattel, Genua etc. signalisiert haben könnten, dass sie mit solchen Attentaten einverstanden seien.



The Nation hat im neuen Heft dagegen nur wenig zu bieten. Auf zwei Artikel sei hingewiesen:
Robert Fisk verurteilt die Attentate kategorisch, versucht sich aber auch vorzustellen, wie die Araber empfinden: "Ask an Arab how he responds to the thousands of innocent deaths, and he or she will respond as decent people should, that it is an unspeakable crime. But they will ask why we did not use such words about the sanctions that have destroyed the lives of perhaps half a million children in Iraq, why we did not rage about the 17,500 civilians killed in Israel's 1982 invasion of Lebanon."

David Corn befürchtet, dass Geheimdienste und Militär die Attentate dazu benutzen werden, mehr Geld zu fordern, und dass alle anderen wichtigen Themen - wie Steuerkürzungen, Parteispendenreform, Klimaerwärmung - verdrängt werden: "In that vein, one challenge is to not allow the attack to distort the country's political discourse. Unfortunately, extremism begets extremism, and the dark smoke of a dark day will not be easily blown away."


Schließlich sei noch auf zwei Adressen hingewiesen, die unser Leser Olaf Steiner empfohlen hat: Foreign Policy in Focus, ein "Think Tank", der u.a. vom Institute for Policy Studies in Washington unterstützt wird. Hier findet man Analysen zum Terrorismus, u.a. einen interessanten Artikel von Stephen Zunes, der sich mit Fehlern der US-Außenpolitik beschäftigt: Etwa, dass die USA oft fundamentalistische islamische Gruppen unterstützt haben oder Regierungen - z.B. Saudi Arabien - die ihrerseits extremistische Organisationen fördern. Auch die US-Unterstützung von extrem repressiven Regierungen - man denke an den Schah im Iran - habe die Bedeutung von demokratischen und gewaltlosen Oppositionsgruppen in der arabischen Welt praktisch auf Null beschränkt.
Im linken Z-Magazine warnen Autoren wie Noam Chomsky davor, mit Gewalt auf die Attentate zu antworten. Norman Solomon bemerkt mit Bitterkeit, dass der Analyst des Fernsehsenders ABC, Vincent Cannistraro, der heute den Terrorismus anklagt, lange Jahre als CIA-Agent Terroristen wie die Contras in Nicaragua und die Mujaheedin in Afghanistan unterstützt hat.

Dr. Charlotte Schoell-Glass weist außerdem auf einen ein Artikel von Walter Laquer in der Partisan Review hin. Laquer bespricht drei Bücher zum islamischen Fundamentalismus, wobei ihm aus heutiger Sicht eine Fehleinschätzung unterläuft: "The Islamists have made some progress among the Palestinians but the terrorists in Algeria are on the defensive and a phenomenon such as Osama bin Ladin, the Saudi planner and paymaster of the terrorists, while providing headlines for the Western media, will forever remain marginal."

Ute Thon, unsere Korrespondentin aus New York, verweist außerdem auf ein Pamphlet des Dokumentarfilmers Michael Moore ("Roger and Me"), der darauf hinweist, dass "wir" (die Amerikaner) das "Monster" Osama Bin Laden geschaffen haben: "Wo ging er zur Terroristenschule? Bei der CIA!"

Und hier noch die Linkliste mit den wichtigsten Online-Medien, die über die Attentate berichten. Mehr Links zu Analysen und Hintergrundberichten finden Sie hier.