Post aus New York

Zensiert in China: Hillary Clintons Memoiren

Von Ute Thon
25.09.2003. Hillary Clintons "Memoiren" wurden in der chinesischen Übersetzung zensiert. Der Verlag der US-Senatorin wehrt sich mit einer speziellen Website.
Hillary Rodham Clintons "Living History" (deutsch: Hillary Clinton: "Gelebte Geschichte") entwickelt sich auch in China zum Bestseller. Jetzt sorgt das autobiografische Buch der US-Senatorin und ehemaligen First Lady dort zudem für einen hochkarätigen Zensurskandal. Seit es am 3. August in chinesischer Fassung erschien, wurden über 200.000 Exemplare verkauft, eine Sensation für den chinesischen Buchmarkt, die das Buch zur bestverkauften ausländischen Politikerbiografie aller Zeiten macht - ein Umstand, der wohl auch damit zu tun hat, dass der chinesische Verlag, Yilin Publishing House, mit einer besonders originalgetreuen Übersetzung wirbt. Deshalb dürfte es auch die zensurerprobten chinesischen Leser überraschen, dass in ihrer Ausgabe wichtige Bemerkungen über China einfach herausgestrichen wurden.

Wie die New York Times gestern zuerst vermeldete, fehlen kritische Passagen, in denen Clinton die Verhaftung des chinesischen Menschenrechtsaktivisten Harry Wu kommentiert und anmerkt, dass die Empörung über die Festnahme auch ihre Teilnahme an der Weltfrauenkonferenz 1995 in Bejing in Frage stellte. Ferner wurden Bemerkungen über die blutige Niederschlagung der Studentenproteste auf dem Tiananmen-Platz, zu Chinas Tibetpolitik und die drakonischen Methoden zur Geburtenregelung von den chinesischen Zensoren herausgekürzt. Insgesamt zehn Passagen wurden verändert oder komplett gestrichen.

Clintons Verleger Simon & Schuster hat inzwischen beim chinesischen Verlagspartner gegen den offenkundigen Vertragsbruch offiziell Protest eingelegt. Die US-Verleger verlangen die sofortige Rücknahme der zensierten Exemplare und die Veröffentlichung einer akkuraten und kompletten Übersetzung. Auch Hillary Clinton zeigte sich "überrascht und empört" über den eigenmächtigen Akt von Zensur. Ihr Anwalt, Robert Barnett, sagte, die Senatorin werde "alles tun, was in ihrer Macht steht, um sicherzustellen, dass die Leser in China eine genaue Übersetzung meines Buches bekommen".

Simon & Schuster hat bereits eine spezielle Webseite eingerichtet, auf der alle zensierten Passagen markiert und die Auslassungen in englisch und chinesisch wiedergegeben werden. Yilin-Verlagsdirektor Lui Feng hält die Streichungen dagegen für unwesentlich und entschuldigt die mangelnde Kommunikation mit den amerikanischen Partnern mit Zeitdruck, um illegalen Raubkopierern zuvorzukommen. "Living History" hat seit seinem Erscheinen am 9. Juni allein auf dem US-Markt 1,4 Millionen Exemplare verkauft. 36 ausländische Verlage erwarben die Rechte zur Veröffentlichung. Der chinesische Verlag Yilin zahlte laut New York Times 20.000 Dollar. Das Buch kostet dort umgerechnet 3 Dollar 60, doch auf Bejings Stassen sind Raubkopien bereits für knapp die Hälfte zu haben.

Nicht nur politisch hochbrisante Zitate fielen der Zensur zum Opfer. Auf Seite 460 beschreibt Clinton ein eher komisches Beispiel staatlicher Kontrolle. Während eines Staatsbesuch in Shanghai beschließt die Präsidentengattin kurzerhand, einen Besuch in einen örtlichen Restaurant einzuschieben. "Ein paar Stunden vorher erscheint die chinesische Polizei und schickt alle Leute aus den umliegenden Geschäften weg. Sie werden durch attraktive, jungen Leuten in westlicher Kleidung ersetzt", schreibt Clinton eine absurde Episode, die chinesischen Lesern vorenthalten wurde.

Zwar ist Zensur in China immer noch ein selbstverständlicher Teil des Alltags. Doch in den letzten Jahren versucht die Regierung durch verstärkte Veröffentlichung ausländischer Bücher und Filme das Bild einer offeneren Gesellschaft zu vermitteln, nicht zuletzt um damit Chinas Chancen für die Aufnahme in die Welthandelsorganisation zu verbessern. Die großangelegte Werbekampagne für Clintons Buch wurde denn zunächst als Zeichen für mehr Toleranz und Offenheit gewertet. Ein Verlagssprecher pries die Übersetzung in der chinesischen Presse als "99,9 Prozent des Originalinhalts".