Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
26.06.2006. Warum der Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder ein toller Autofahrer, aber kein guter Angestellter ist. Weshalb die Expansion der Filialisten eine neue Dimension erreicht hat. Wie Bertelsmann und Bild bald miteinander kuscheln. Und wieso die Vetternwirtschaft im Literaturbetrieb nicht viel besser ist als die in der Politik.

buchreport.express

Groß frisst Klein. Klein geht, bevor Groß kommt. Größer frisst Groß - seit Monaten dekliniert der Buchhandel die Wettbewerbsmuster von Filialisten und unabhängigen Buchhändlern mit zunehmendem Tempo durch. Laut buchreport hat die Expansion der Filialisten jedoch "eine neue Dimension" erreicht: Statt einzig auf die nationale oder regionale Marktführerschaft zu setzen, versuchten die großen Ketten inzwischen, möglichst häufig vor Ort den Markt anzuführen. Einen "Kampf bis aufs Messer", beobachtet buchreport dabei. Welcher Ort besetzt wird, sei durch die regionale Schwerpunktsetzung der meisten Filialisten (z.B. Mayersche im Rhein-Ruhr-Raum, Weiland in Norddeutschland) bedingt. Als Filetstücke suchen sich die Ketten besonders gerne Einkaufscenter für neue Filialen aus, berichtet buchreport.

Zweiter Teil der buchreport-Vorschauanalyse, diesmal werden die neuen Sachbücher des Herbstes vorgestellt. Die Highlights: Guido Knopp wechselt von Hitler zum Hof (der letzten Monarchen der Welt), Florian Illies durchforstet die deutsche Provinz, Peter Richter schaut sich deutsche Wohnungen an, Henryk M. Broder warnt davor, dass Politik und Gesellschaft vor den Fundamentalisten einknicken, Joachim Fest erinnert sich im Verlag von Sohn Alexander an seine Jugendjahre - und Martin Semmelrogge rekapituliert sein Achterbahn-Leben.

"Endlich Sicherheit" und "Endlich verbindlich", lauten die Claims, mit denen B.I. Brockhaus und das Bertelsmann Lexikon Institut ihre neuen Wörterbücher auf den Markt bringen. Der "Duden" werde zwar erneut die Nase vorn haben, mutmaßt buchreport, der "Wahrig"-Verfolger sei jedoch so stark, dass keiner der beiden Verlage die Startauflage verrate: Der "Wahrig" ist eineinhalb Monate vor dem "Duden" erschienen und kostet trotz gleichen Umfangs fünf Euro weniger.

Kein Frieden in der Schweiz: Obwohl sich der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband schon vor Monaten mit dem Preisüberwacher Rudolf Strahm (genannt "Monsieur Prix" oder "Hurrikan Rudolf") auf eine leichte Senkung der Buchpreise geeinigt haben, wird weiter um Details gefeilscht. Der SBVV wolle zum Missfallen von Strahm nur bei hochpreisigen Büchern den Rotstift ansetzen, so buchreport.

"Partnertausch für Lustleser", dichtet buchreport leicht erhitzt und meint die neue Random House/"Bild"-Koalition, die ab 18. Juli neun Titel in der "Bild Erotik-Bibliothek" veröffentlicht, darunter "Das sexuelle Leben der Catherine M." (Catherine Millet) und "Die Geschichte der O." (Pauline Reage). Zu den Lizenzgebern zählen neben Bertelsmann Herbig, Hoffmann & Campe und S. Fischer.

Das angeblich "erste Literaturportal für den gesamten deutschsprachigen Raum" erntet Kritik. So hat der "Tagesspiegel" das "digitale Prunkstück schwer unter Beschuss genommen" (hier der Artikel von Michael Braun). Vorwurf: Die Texte von www.literaturportal.de seien lausig, die Verlinkung miserabel. Auch Joachim Leser von bluetenleser.de nimmt den "digitalen Mist" unter die Lupe.

Weitere Artikel: Die Veranstalter des 12. Erlanger Comic-Salons sind trotz Besucherrückgangs zufrieden. Die Frankfurter Buchmesse nennt Details zum neuen Schwerpunkt "Zukunft Bildung". Die documenta wechselt den Verlagspartner für die Herstellung ihres Katalogs - Taschen übernimmt den Staffelstab von Hatje Cantz. Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Als nice guys und girls unter den Filialisten präsentieren sich die vier Geschäftsführer von Osiander im Interview mit dem Börsenblatt. Anders als Thalia mit ihrem "Verdrängungswettbewerb" gehe Osiander (14 Standorte) nicht an die Standorte, die von alteingesessenen Buchhandlungen besetzt werden. Weitere Grenzen des Wachstums seien die regionale Ausrichtung (maximal zwei Autobahn-Stunden vom Logistikzentrum Tübingen entfernt) sowie das Eigenkapital (Quote: 25 Prozent).

Der Manga-Markt ist gesättigt, hat das Börsenblatt beim Comic-Salon in Erlangen erfahren. Da Mangas rund 80 Prozent des Comicmarktes ausmachen, müssen sich die Verlage neu orientieren. So setzen immer mehr Verlage auf deutsche Zeichner wie Christina Plaka (auf die auch schon ein Wikipedia-Eintrag hinweist).

Das Bundeskabinett hat auf die Kritik des Bundesrates zum Zweiten Korb des Urheberrechts reagiert. In der "Gegenäußerung" heißt es, dass Bibliotheken und Museen an beliebig vielen Terminals die Werke aus ihrem Bestand zugänglich machen dürfen - Voraussetzung ist lediglich der Besitz eines Exemplares (das die Verlage mitunter kostenlos als Pflichtexemplar zur Verfügung stellen müssen). Bis zum 7. Juli können sich die Verleger jetzt schwarz ärgern. Dann findet die 1. Lesung im Bundestag statt.

"Das große Preistheater" ist der Kommentar von Rainer Moritz überschrieben, mit dem sich der Chef des Literaturhauses Hamburg wieder weit aus dem Fenster lehnt. Der Literaturbetrieb fördere mit seinen Preisen jene Vetternwirtschaft, "die er sofort und aufs Schärfste" bei Politikern beklagen würde. Warum erhalten immer wieder dieselben Schriftsteller von denselben Juroren die Preise, fragt Moritz mutig - und nennt die typischen Preisträger mit Namen: Terezia Mora, Herta Müller, Durs Grünbein und Felicitas Hoppe. Auswege aus dem Preis-Dickicht zeigt Moritz nicht auf. Wie wär's mit einer von der Bundesregierung eingesetzten Meta-Jury, die auf die proportionale Preisvergabe an Autoren beider Geschlechter sowie aller Generationen und Vermögenshintergründe achtet?

Was soll bloß aus den Vertretern werden, fragt das Börsenblatt, drei Wochen nachdem buchreport dieselbe Frage gestellt hat. Hintergrund: Da die Vertreter von ihren Rundreisen immer weniger Bestellungen mitbringen, muss die Bezahlung neu geregelt werden - bislang werden Vertreter fast nur für Reise- und Anschlussaufträge honoriert. Am Round Table fordert Ex-Suhrkamp- und Neu-Herder-Vertriebschef Georg Rieppel eine möglichst schnelle Ausarbeitung neuer Vergütungsmodelle. Buchhändlerin Annemarie Schneider erklärt, dass sie heute nur noch die Hälfte der Vertreter des Jahres 2000 empfängt. Auf den Zeiger gingen ihr die "Drückervertreter" - die allerdings nur einmal und nie wieder kämen.

Auch in dieser Woche menschelt es im Börsenblatt ganz schön: Die Ausgabe enthält Porträts der Illustratorin Sybille Hein sowie von Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder. Martin Walser höchstpersönlich gratuliert Honnefelder zum 60. Geburtstag (26. Juni): Der Beinahe-Unseld-Nachfolger und Ex-Dumont-Verleger sei beliebt, ein toller Autofahrer, aber kein guter Angestellter und zum Spielen aufgelegt.

Weitere Artikel: Die USA werden 2008 nicht das Gastland der Frankfurter Buchmesse - die Präsidentschaftswahlen kommen dem Plan in die Quere; jetzt wollen die Frankfurter die Türkei an sich binden. Das Debüt der Buchmesse Kapstadt, an der die Frankfurter Buchmesse organisatorisch beteiligt ist, war nach Einschätzung von Ex-Vize-Messe-Direktor Holger Ehling "ein voller Erfolg". 418 Verlage aus 26 Ländern haben auf 5300 Quadratmetern ihre Bücher präsentiert. Das Verzeichnis lieferbarer Bücher hat neue Funktionen (verbesserte Suche, Lieferbarkeitsinformationen). Buchhändler klagen über das durch die Fußball-WM vermieste Geschäft.
Archiv: Börsenblatt