Simon Werle

Der Schnee der Jahre

Roman
Cover: Der Schnee der Jahre
Nagel und Kimche Verlag, Zürich 2003
ISBN 9783312003143
Gebunden, 442 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Der Roman erzählt die Geschichte von drei Generationen einer deutschen Familie. In ihrem Mittelpunkt steht Edward Callzig, ein junger Zimmermann aus einem Dorf im Hunsrück. Simon Werle entfaltet die Irrungen und Verstrickungen Edwards vor und nach dem Zweiten Weltkrieg  - und entwickelt einen Sog, in dem sich die Erfahrungen von Jugend, Heimat und Herkunft bis ins Innerste verdichten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.12.2003

Großartig gescheitert! Dieses sympathiebekundende Urteil von Gieri Cavelty wird der Autor dennoch nicht gerne vernehmen. Noch so ein gut gemeintes Attribut setzt Cavelty ein: "Der Schnee der Jahre" sei ein "interessanter Versuch", das 20. Jahrhundert mit anachronistischem Blick und Hunsrücker Perspektive Revue passieren zu lassen. Simon Werle nämlich spart die große Geschichte aus und kapriziert sich auf das Privatleben, auf das Familienleben einer saarländischen Handwerkerfamilie, erklärt Cavelty. Politik, insbesondere der Nationalsozialismus käme nur vor, wundert sich Cavelty, insofern sie sich gegen den Einfluss der katholischen Kirche richteten. Werle habe ein Faible für das katholische Milieu, weiß Cavelty, was sich nicht nur im Leben der Romanfiguren widerspiegele, sondern auch in den mit christlicher Symbolik aufgeladenen Bildern. Die Sprache wirke ebenfalls barock, so Cavelty, Werles prätentiöser Stil passe teilweise überhaupt nicht zum beschriebenen Inhalt, dem eher armseligen Leben einer von Mesalliancen und Krieg gebeutelten Familie, der man mehr Sprachlosigkeit als Sprachgewalt zutraut. So klingt es oft "kreuzfalsch", schreibt Cavelty.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.05.2003

Achtung, dieses Buch ist ein schwieriges Buch, ein beklemmendes Buch, zuweilen "eine Zumutung", warnt Guido Graf. Er selbst findet den Roman jedoch sehr stimmig und deshalb lesenswert. Er hat etwas Fundamentalistisches, "atmet Einsilbigkeit" und steckt voller "Genetivmetaphern", erfahren wir. Die Geschichte spielt Mitte des 20. Jahrhunderts im Hunsrück (und teilweise in Köln), und sein Protagonist Edward ist für Graf ein Nachkomme von Büchners "Lenz", jemand, der "nicht aushält, was er sieht", weil oder obwohl er auf dem Kopf läuft. Werle schere sich nicht um Realismus, erläutert der Rezensent, ob seine Figuren jemals so sprechen und denken würden, sei zweifelhaft. Aber so fühlen könnten sie - ihre Einsamkeit, ihr Eingeschlossensein in eine fremde Existenz, und die sprachliche Genauigkeit, die Werle dabei an den Tag legt und mit der er sich in die Tradition eines Stifter, Jünger oder Handke begibt, so Graf, macht die literarische Qualiät des Romans aus.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.04.2003

Der Familienroman erfährt zur Zeit eine unerwartet Renaissance, doch Simon Werles "Schnee der Jahre" gehört für Ursula März nicht unbedingt zu den gelungensten Beispielen des Genres. Der Roman erzählt über vier Generationen hinweg die Geschichte der Familie Callzig aus dem Hunsrück, im Mittelpunkt steht jedoch das Leben des Sohnes Edward, dessen künstlerische Ambitionen durch den Krieg zunichte gemacht werden, aus dem er körperlich versehrt und seelisch verwüstet zurückkehrt. Überzeugt hat das die Rezensentin nicht, für sie leidet der Roman selbst an einer "Wesensentstellung". Er erweckt den Eindruck einer Kopie, moniert März, der sich noch durch Werles "geschwollenes Kunstdeutsch" verstärkt. Die Rezensentin wähnt Werle damit auf einem Seitenweg der Postmoderne: aus seiner Haltung des Nacherzählens ergibt sich für März nahezu zwangsläufig eine ziemlich "verdrehte Ästhetik der Nachahmung".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.03.2003

Als "gerühmten Übersetzer von Weltliteratur von Racine bis Koltes" empfiehlt uns Rudolf von Bitterer den Autor. Aber auch im ersten eigenem Roman scheint dessen "bemerkenswerte Sprachkraft" durchzuschlagen. Rezensent Bitterer zumindest ist voll des Lobes, auch wenn es ihm nicht ganz gelingt, den Funken überspringen zu lassen. Werler erzähle die Geschichte eines streng katholisch erzogenen Jungen aus dem Hunsrück, der sich in den dreißiger Jahren nach Köln aufmacht, um das Leben kennen zu lernen, es aber doch nicht an sich heran kommen lassen kann. Schließlich kehrt er kriegsversehrt, aber verheiratet in sein Heimatdorf zurück. Verstärkt durch die Neigung des Autors zum Substantiv hätte dies alles sehr trocken ausfallen können, räumt Bitterer ein. Doch bescheinigt er dem Autor eine seltene Gabe für Situationskomik, ironische Brechungen und für - ja - Humor. "Aufgetaucht ist ein Autor", lobt unserer Rezensent, "der jenseits gefälliger Schreibkonfektion eine eigene Sprache gefunden hat".
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