Snapshots Blog - von Sascha Josuweit

Unkritischer Umgang mit den Quellen

Von Sascha Josuweit
17.03.2014. Aleatorisch Bildmaterial, Netznews und Gossip verarbeitend erkundet unser Autor die Möglichkeiten eines Parallelfeuilletons
Als Bert Brecht 1952 seinen Sommersitz in Buckow bei Berlin bezieht, legt er sich weiße Tennisschuhe und einen Spazierstock zu und schwärmt für altes Mobiliar. Weshalb sollte man den Sozialismus nicht kapitalistisch gemütlich erwarten? Dialektisch war auch Brechts Verhältnis zur Kirche. Er wurde katholisch erzogen und war zeitlebens ein leidenschaftlicher Bibelleser, sah sich aber als Atheist und empfand die Religion mit Marx als Stütze der Klassengesellschaft und Teil der Entfremdung des Menschen. Darum führt Galilei bei Brecht auch einen gesellschaftspolitischen und keinen religiösen Kampf. Brechts Absage an die Religion war der Aufruf zur Revolution. Kämpferisch gibt sich auch die Belegschaft der Augsburger Weltbild GmbH. Die zu 100 Prozent der katholischen Kirche gehörende Verlagsgruppe meldete nach Umsatzverlusten im Geschäftsjahr 2013/14 Insolvenz an. 6000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Vor dem Verlagsgebäude sucht Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz von Schneider Geiwitz & Partner, der schon bei der Schlecker-Pleite in Aktion trat, das Gespräch mit Betroffenen. »Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren«, rufen die aufgebrachten Mitarbeiter ihm zu. Worte des berühmten Ausgburgers Bertolt Brecht, so glauben sie. Tatsächlich stammt der Ausspruch aber von Rosa Luxemburg. Brecht hatte ihn nur in seinem Sinne verwendet, wie gewohnt ohne Quellenangabe.


Abb.: Thomas Uhlemann. Bundesarchiv. Den Sozialismus gemütlich erwarten.