Rejean Ducharme

Von Verschlungenen verschlungen

Roman
Cover: Von Verschlungenen verschlungen
Traversion, Deitingen 2012
ISBN 9783906012001
Taschenbuch, 320 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Till Bardoux. Beiheft mit Beiträgen von Thomas Ballhausen und Madeleine Stratford. In einer ebenso unbändigen wie poetischen Sprache beschwören Ducharmes Romane ein düsteres Universum herauf, in dem der Humor und die Auflehnung seiner Figuren Hoffnungsträger sind. In "Von Verschlungenen verschlungen" ist es das Mädchen Bérénice Einberg, das mit seinen Eltern und seinem Bruder Christian auf einer Insel im kanadischen Sankt-Lorenz-Strom aufwächst. Das Ehepaar Einberg hat sich seine Kinder vertraglich untereinander aufgeteilt: Christian wird von seiner Mutter katholisch erzogen, Bérénice von ihrem Vater jüdisch. Voller Verachtung gegenüber der Welt der Erwachsenen lehnt sie sich vehement und kompromisslos gegen sie auf. Ihre ganze Zuneigung ist einzig ihrem Bruder vorbehalten, mit dem sie Flora und Fauna der Insel erkundet. Angewidert von ihrem eigenen Erwachsenwerden flüchtet sie sich zwischen einsamer Zärtlichkeit und gewalttätigem Zynismus in ihre eigene Welt, aus der sie das "zu schöne Gesicht" ihrer Mutter und die Liebe zu verbannen versucht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.08.2012

Eine wahre Entdeckung scheint Jörg Plath dieser erste Roman des hierzulande unbekannten, in seiner Heimat aber verehrten kanadischen Schriftstellers Réjean Ducharme aus dem Jahr 1966, der jetzt endlich in deutscher Übersetzung vorliegt. Im Zentrum des Werks sieht er das Mädchen Bérenice Einberg, die schon als Neunjährige redet wie eine gebildete Dreißigjährige, wenn sie von "Alkyonen" und "hieratischen Posen" spricht. Klar ist für Plath, dass diese Figur weniger eine Roman- als eine Denkfigur ist, und zwar eine ziemlich radikale. Er charakterisiert Bérenice dann auch als "Ich-Terroristin" und "Terroristin der Selbstbehauptung", die über ihren Willen, ihre Identität zu finden, ihre Umgebung zerstört. Im Vergleich zur Radikalität und Negativität von Bérenice und ihren Jammertiraden wirken die Romanhelden von Thomas Bernhard auf Plath geradezu harmlos. Sein Fazit: ein "So frisch und unverbraucht kann die Moderne klingen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2012

Kai Sina berichtet begeistert von Rejan Ducharmes Roman "L'avalée des avalés" aus den sechziger Jahren, der von Till Bardoux jetzt unter dem Titel "Von Verschlungenen verschlungen" ins Deutsche übersetzt wurde. Sina ist fasziniert von dem mysteriösen kanadischen Autor, über den kaum etwas bekannt sei und kaum ein Foto existiere. Der Autor habe zwar außerhalb seiner Heimat Quebec keine große Aufmerksamkeit genossen, dort sei er aber so etwas wie eine Legende, weiß der Rezensent. Die Übersetzung von Bardoux sei nicht nur gelungen, sondern ein "Meiststück von eigenem Wert". Ducharme schreibe in seinem Roman den inneren Monolog von Bérénice Einberg, die mit jeder Menge Hass gegen ihre Eltern und die ganze Welt zunächst als Kind, später als Jugendliche ihre Geschichte erzähle. Die Romanheldin sei eine Nihilistin erster Güte, erklärt Sina. Der Roman strotze vor Anleihen aus Philosophie, Psychologie und Kulturgeschichte - besonders Nietzsche sei allgegenwärtig: beispielsweise wenn Bérénice gegen das "knechtische Nicht-aus-der-Reihe-Tanzen" ihrer Mitmenschen wettert oder erst in der Zerstörung die Möglichkeit für Schöpfung wittert. Der "aggressive Nonkonformismus" scheint dem Rezensenten zwar etwas überholt, aber auch die Bedingung für ein solches Werk zu sein. Er schließt mit einem besonders schönen Zitat des Autors: "Ich werde eine große Kanone haben und die Langeweile jagen."
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