Gilgamesh

Epos
Cover: Gilgamesh
Carl Hanser Verlag, München 2001
ISBN 9783446200609
Gebunden, 384 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Neu übertragen von Raoul Schrott und kommentiert von Reinhold Biechler, Robert Rollinger und Wolfgang Schretter. Das Epos von Gilgamesh in neuer, lesbarer Fassung: Raoul Schrott hat zusammen mit führenden Assyrologen eine wortgetreue, philologische Übersetzung angefertigt. Und daneben steht eine zweite, dichterische Fassung Schrotts. Das älteste Stück Literatur, das wir kennen, wird damit einer breiten Leserschicht zugänglich gemacht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.12.2001

Der Autor ist der Keilschrift nicht mächtig? Und wenn schon! Mit Fug und Recht, so Samuel Moser in seiner Besprechung, dürfe Raoul Schrott für sich die Lorbeeren eines zweiten Gilgamesch-Dichters in Anspruch nehmen. Richtig dankbar ist ihm der Rezensent dafür, den Gilgamesch, "das sperrige Material", mittels einem "Flechtwerk von dialogischen und narrativen Teilen" zuerst zu einer Geschichte verflüssigt zu haben. Sie allein mache Gilgamesch (und die Lektion des Epos von der Lächerlichkeit des Todes) unsterblich. Den "zerknirschten" Philologen aber empfiehlt Moser den Appendix des Buches. Hier demonstrierten zwei Altorientalisten "kompetent Übersetzungsprobleme und Überlieferungsgeschichte des Epos".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.10.2001

Dafür, dass der Autor eine dermaßen undankbare Aufgabe übernimmt, meint unser Rezensent großzügig, müsse man ihm einfach dankbar sein. Dabei lässt Stefan Weidner keinen Zweifel daran: Dieses Projekt kann gar nicht funktionieren. Es wäre geradeso, als bauten die Griechen ihre Tempel wieder auf und ließen Vestalinnen aufziehen, ein Disneyland, ganz fürchterlich. Weshalb sich Weidner drauf verlegt, uns die Fakten und, im Kern, das Epos selbst zu vermitteln, um schließlich wieder zur aktuellen Übertragung zurückzukehren. Die nun krankt laut Rezensent an dem Versuch des Autors, die, zunächst mit aller Gewissenhaftigkeit und Transparenz, wie Weidner betont, rekonstruierte Fassung einigermaßen willkürlich zu ergänzen. Das wird dann eine "Hochglanzfassung" der altbabylonischen Überlieferungen, ein "psychologisierender Kostümfilm", eine "schwüle Klamotte," und die "archaische Wucht," die sich für Weidner gerade in den Trümmern und Textlücken des uralten Epos' eingelagert hat, verpufft. Dass Weidner dennoch prophezeit, um diese Übertragung werde niemand herumkommen, der sich für Gilgamesh auf Deutsch interessiere, verweist am Ende nochmals auf die Undankbarkeit einer Aufgabe, an die sich seit 1934 niemand mehr rangetraut hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.10.2001

Der Rezensent Hermann Wallmann deutet in seiner Besprechung die wirkungsträchtige Geschichte des Epos für die Literatur des 20. Jahrhunderts an. So kommt er auf Borges zu sprechen, der dieses Epos in seine 'persönliche Bibliothek' aufgenommen hat, und auch auf Canetti, der sein literarisches Schaffen mithin der Lektüre dieses Buches verdankt. Gilgamesh, der zu zwei Dritteln Gott und zu einem Drittel Mensch ist, versucht, seine eigene Sterblichkeit zu überwinden, indem er alle seine Mühsal auf Stein meißelt und damit schon in diesem frühesten Zeugnis der Weltliteratur einen Künstlermenschen verkörpert. Die Neuübersetzung und Nachdichtung von Schrott findet Wallmann einerseits gelungen, insofern sie die teilweise "sprunghaft geraffte Erzählweise" überwindet, andererseits vermisst er manchmal auch gerade diese Risse und Bruchflächen. Positiv verbucht Wallmann überdies den hohen Gebrauchswert des Buches, da es über ein Literaturverzeichnis, eine Chronologie und ein Glossar verfüge. Dieses Buch stelle insgesamt eine "vorzügliche Gelegenheit" dar, dieses Epos "nebst archäologischer Vorgeschichte und poetologischer Nachgeschichte" kennen zu lernen, wie Wallmann resümiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001

Um es gleich vorwegzunehmen: Burkard Müller ist nicht einverstanden mit der Nachdichtung und Neuübersetzung des "Gilgamesh" durch Raoul Schrott. Zu vieles erscheint ihm willkürlich. Auch wirft er Schrott vor, den viele Jahrhunderte alten Text nicht verständlicher zu machen, sondern ihn zu verfremden. Um seine Auffassung zu belegen, stellt Müller in seiner literaturwissenschaftlich vorgehenden Rezension originale Textbeispiele Schrotts Bearbeitungen gegenüber und macht daran folgende Kritikpunkte fest: Die Notwendigkeit einer Märchenkonstellation in der Urfassung löse Schrott auf in die Zufälle des Geplauders. Auch werde die Ernsthaftigkeit der entsprechenden Szene durch eine Müller unerträglich platte Pädagogik ersetzt. Auch die sprachlichen Modernisierungen durch Schrott findet Müller oft deplaziert, ja das Original verfremdend. Dass Schrott willkürlich von der ursprünglichen Form des Epos abgeht und für seine Nachdichtung die des Oratoriums wählt, ist für Müller vollkommen unbegreiflich.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de