Jürgen Trabant

Mithridates im Paradies

Kleine Geschichte des Sprachdenkens
Cover: Mithridates im Paradies
C.H. Beck Verlag, München 2003
ISBN 9783406502002
Gebunden, 348 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Eine einzige Sprache wurde im Paradies gesprochen. Mithridates, der letzte Gegner des universalen römischen Imperiums, sprach dagegen zweiundzwanzig Sprachen und verlor den Kampf gegen Rom. "Paradies" und "Mithridates" sind die beiden Pole des europäischen Denkens der Sprache, deren jahrhundertelangen Streit das vorliegende Buch nachzeichnet und für deren höchst unwahrscheinliche Versöhnung es plädiert. Sprache ist in der Geschichte des europäischen Denkens eher als störend empfunden worden, sei es dass sie als Mittel der Verführung (Eva, Babel) vorgeführt wurde, sei es dass man sie als Hindernis der wahren Erkenntnis ausmachte. Dass Sprache außerdem noch in der Mannigfaltigkeit der vielen verschiedenen Sprache auftrat, konnte daher nur als eine zusätzliche Bestrafung des Menschengeschlechts verstanden werden. Im Grunde hat sich an diesem allgemeinen, von den europäischen Gründungsmythen erhobenen Befund bis heute wenig geändert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.04.2004

Schon im Titel benennt das Buch "Mithridates im Paradies" von Jürgen Trabant die beiden entgegengesetzten Positionen der Sprachwissenschaft, meint Helmut Böttiger. Während "Mithridates", ein Herrscher aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert, der 22 Sprachen gesprochen haben soll und sich für die sprachliche Identität der von ihm unterworfenen Völker einsetzte, für die "außerordentliche, sinnliche Qualität der Erkenntnis" durch verschiedene Sprachen steht, wird mit "Paradies" das einheitliche Sprachparadies vor der "Sprachverwirrung" beim Turmbau zu Babel benannt, erklärt der Rezensent. "Überaus aktuell" findet Böttiger den "Ansatz" des Autors, quer durch die Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart den "Wissenschaftsbegriff" zu untersuchen, führe Trabant uns doch "mitten hinein" in die "Debatte vom Bildungsnotstand". Böttiger lobt die Studie als "sympathisches Buch", das Position bezieht, besonders wenn es darum gehe, Fehlentwicklungen der Sprachwissenschaft beim Namen zu nennen. Ihm gefällt auch, dass Trabant die "Rolle der Sprache beim Denken" im Lauf der Geschichte als "dynamischen Prozess" darstellt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.04.2003

Mit der Sprache, weiß Hans-Peter Schmidt, ist es so eine Sache: Wir brauchen sie, um Aussagen über die Welt zu machen, doch zugleich entschwindet die Welt, sobald wir sie in Sprache übersetzen - "das grundsätzliche Dilemma aller Metaphysik", dass die abendländischen Philosophen denn auch über die Jahrhunderte immer wieder zu überwinden suchten. Die Geschichte dieser Bemühungen - des Sprachdenkens - erzähle Jürgen Trabant, und zwar "höchst anregend". Was sagte Aristoteles, was Platon und was die Bibel; wie bewegten sich Dante, Descartes und alle anderen im Fahrwasser einer dieser drei Grundströmungen, und wie veränderten Herder und Humboldt das Sprachdenken vor 200 Jahren - all das finde der Leser in diesem Buch, sofern er es entziffern könne. (So was von klein, das Schriftbild bei C. H. Beck!) Vieles, insbesondere die jüdische Philosophie, hat Schmidt jedoch auch vermisst. Sein Fazit: Eine "weitläufige Vorgeschichte der Linguistik", aber keine "historisch konsistente Zusammenschau des Sprachdenkens".

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