Emanuele Coccia

Sinnenleben

Eine Philosophie
Cover: Sinnenleben
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446265721
Kartoniert, 160 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Caroline Gutberlet. Das menschliche Leben besteht wesentlich im Sehen, Fühlen, Schmecken und Riechen der Welt. Dennoch spielte das Sinnliche in der Philosophie lange keine Rolle. Emanuele Coccia, Professor für Philosophiegeschichte in Paris, stellt dieser Denktradition einen anderen Ansatz entgegen. In seinem Essay widmet er sich dem "Sinnenleben" und zeigt: Erst durch das Vermögen unserer Sinne hängen wir an der Welt und hängt die Welt an uns. In Auseinandersetzung mit der Geistesgeschichte von Aristoteles bis Merleau-Ponty, von Averroes bis Helmuth Plessner entspinnt er Stück für Stück die Grundzüge einer Philosophie des Sinnlichen - des Sinnenlebens.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.05.2020

Rezensent Thomas Steinfeld zählt den in Paris lehrenden Italiener Emanuele Coccia zu den Wanderpropheten unter den Philosophen. Die neuzeitliche Philosophie liegt ihm demzufolge fern, er greift in seiner Theorie des Sinnlichen vor allem auf Aristoteles und mittelalterliche Denker wie Averroes und Nikolaus von Kues zurück. Coccia opponiert mit seiner Wiederbelebung des Sinnlichen gegen Descartes und dessen Ich-zentriertes Weltbild, erklärt Steinfeld, er sieht das Sinnliche oder die Wahrnehmung als etwas Drittes zwischen Subjekt und Objekt. Steinfeld fragt sich, ob man mit einem Rückgriff auf mittelalterliche Metaphysiker wirklich achthundert Jahre Philosophiegeschichte ungeschehen machen sollte. Aber wenn er sich ansieht, wie wenig die Philosophie tatsächlich über den Menschen oder die Natur weiß, dann ahnt Steinfeld, dass Coccia, der immerhin eine Philosophie der Pflanzen verfasst hat, durchaus zu recht auf gewisse Leerstellen oder falsche Abzweigungen hinweist.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Emanuele Coccia, der bereits mit seinem Buch "Die Wurzeln der Welt" einen großen Erfolg feierte, legt einen neuen "philosphischen Meteoriten" vor. So hatte Le Monde über "Sinnenleben" geschrieben, und Rezensentin Maja Beckers kann dem nur zustimmen. Das Buch schlägt mit einer gewissen Fremdheit ein in landläufige philosophische Diskurse, es bemüht alte - sehr alte - Begriffe, um eine neue Philosophie der Sinnlichkeit zu etablieren, legt Beckers dar. Dieser Begriff sind die "espèces intentionnelles", eine Idee aus der Zeit der Scholastik, die René Descartes schon erledigt zu haben glaubte. Aber nein, Coccia kann noch etwas damit anfangen: Er plädiert dafür, so Beckers, dass das Sinnliche als ein Drittes zwischen dem Wahrnehmenden Subjekt und dem wahrgenommenen Objekt steht. In diese Sphäre gehört dann nicht nur, was wir wahrnehmen, sondern auch alles was wir an Ideen durch Analogien und Begriffe versinnlichen, um es überhaupt begreifen zu können. Es gibt also so etwas wie ein "Bindegewebe" zwischen den Dingen, dem Geistigen und den Menschen, erklärt die Rezensentin. Dies ist das Ende der "Beschimpfung des Sinnlichen", freut sie sich.