Nikolaj Schultz

Landkrank

Essay
Cover: Landkrank
Suhrkamp Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783518029886
Kartoniert, 122 Seiten, 15,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michael Bischoff. Mit einem Vorwort von Luisa Neubauer. Hitzewelle in Paris. Nachts liegen die Menschen schlaflos in verschwitzten T-Shirts unter ihren Zinkdächern. Soll man nicht besser die Klimaanlage anschalten? Oder macht das alles noch schlimmer? Und was ist eigentlich mit dem billigen T-Shirt, das über Tausende Kilometer nach Europa geschafft wurde? Der Autor bekommt Panik, will den Temperaturen und seinem schlechten Gewissen entfliehen. Er macht sich auf nach Porquerolles. Doch auch die Insel ist nicht länger unberührt, sondern ein überlaufenes Touristenziel. Im Sommer ist das Wasser knapp. Die ikonische Plage d'Argent wird von den Einheimischen nur noch "Bakterienstrand" genannt - wie in einem Prozess der umgekehrten Alchemie wird aus Schönheit Schmutz, aus Silber Dreck. Nikolaj Schultz' Erlebnisse und Begegnungen werfen existenzielle Fragen auf: nach der Verantwortung jeder und jedes Einzelnen, nach ethischer und ökologischer Orientierung im Anthropozän.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.04.2024

Anschaulich verbindet der in Paris lebende dänische Soziologe Nikolaj Schultz in seinem Essay "Landkrank" persönliche Eindrücke und grundlegende Einsichten zur drohenden ökologischen Krise zu einer eingehenden literarisch-theoretischen Selbstbefragung, findet Rezensent Otto Langels. Eine unerträgliche Hitzewelle in Frankreichs Hauptstadt, wie sie mittlerweile keine Seltenheit mehr sind, wird dabei zum Ausgang für Reflexionen über die globale Verflechtung von Konsumption und Umweltzerstörung, dem Wunsch nach einer Flucht in eine intakte Welt und der weiteren Destabilisierung von Ökosystemen, die mit dem Massentourismus einhergeht. Eindrücklich plädiert Schultz, wie auch schon in seinem gemeinsam mit Bruno Latour verfassten Manifest, für eine Politik, deren erstes Ziel das Aufhalten der Klimakrise ist, und für eine "ökologische Klasse", die dies erkämpft. Für den Rezensenten lässt er es dabei an Konkretion vermissen, sodass der deprimierende Effekt seiner kritischen Reflexionen überwiegt. Nichtsdestotrotz zeigt Langels sich angetan von diesem politisch wichtigen Essay.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.04.2024

Mit großem Interesse liest Rezensent Helmut Mayer Nikolaj Schultz' Buch, in dem dieser seiner Rolle als "Mitakteur der planetarischen Notlage", dem Klimawandel, nachgeht. Der Erzähler flüchtet aus Paris auf ein kleines Boot vor der Insel Porquerolles, nachdem ihm das viele Nachdenken in Bezug auf seine persönliche Mitschuld am Klimawandel den Schlaf geraubt hat, fasst Mayer zusammen. Schultz hat das Boot "didaktisch umsichtig" gewählt, denn dieses entpuppt sich als Wunschvorstellung nach einer Autarkie, die in Zeiten des Klimawandels nicht mehr möglich ist, staunt der Kritiker. Diesen Anknüpfungspunkt, so Mayer, nutzt Schultz, um dem Freiheitsbegriff als Loslösung von Abhängigkeiten einen Begriff von umsichtiger Koexistenz mit der Natur gegenüberzustellen. Ob man Schultz, der weniger auf eine inhaltliche, als auf eine erzählende Darstellung setzt, gleich als "Nachwuchsstar der Soziologie" bezeichnen muss, weiß der Kritiker nicht abschließend zu sagen. Ein Beweis für die Beliebtheit des "geopathischen Genres"  sei sein Buch allemal, schließt Mayer.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2024

Teilweise irritiert, letztendlich jedoch durchaus angeregt liest Rezensent Hilmar Klute Nikolaj Schultz' Essay über seinen eigenen Bezug zur ihn umgebenden ökologischen Krise. Ausgehend von einer Pariser Nacht im Sommer geht Schultz durch in welcher Hinsicht er sich an seiner Umwelt schuldig macht; und findet dabei heraus: in so ziemlich jeder. Denn schließlich hängt, so Schultz' auf Bruno Latour verweisende Position, der Mensch von seiner natürlichen Umwelt ab, zerstört sie aber andauernd, liest der Kritiker. Die Schuld dehnt sich ihm zufolge, lesen wir weiter, auch in die Vergangenheit aus, auf die Generationen vor ihm. Manchmal ist das Klute etwas arg viel Selbstgeißelung. Manches in dem Buch könnte man auch als eine eitle Selbstbeschreibung als Klimaschmerzensmann lesen, meint er. Da, wo Schultz' theoretisch präzise wird und den Schuldkomplex in eine Analyse von Ausbeutungsstrukturen umbiegt, kann der Rezensent ihm jedoch folgen. Was hier sichtbar wird, ist die Vision einer kosmologischen Dringlichkeit, der man mit einer Moral Kant'schen Zuschnitts nicht beikommt, so Klute.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.02.2024

Der eher literarisch angelegte Essay des Soziologen Nikolaj Schulz weiß den Kritiker Wolfgang Schneider nicht zu überzeugen: Ausgehend von der eigenen Verwicklung in klimaschädliche Verhaltens- und Lebensweisen macht sich Schulz Gedanken, wie eine "ökologische Klasse" zu leben hat und was sie ändern könnte. Dieses Konzept hatte er zusammen mit Bruno Latour entwickelt, erinnert Schneider, der "Klima-Existenzialismus", den der Autor hier mit Selbstbezichtigungen und marxistischer Theorie vermischt, irritiert ihn dabei eher. Auch die mit Segelmetaphern angereicherte Sprache kann den Rezensenten nicht mitreißen, wie er schließt.