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Klara ist überstürzt nach Utrecht gezogen. Hier will die Ex-Berlinerin, die eine zerbrochene Beziehung und eine gescheiterte Karriere als Kneipenwirtin hinter sich lässt, ein neues Leben anfangen. In Zeiten, wo Flüchtlingsströme durch Europa ziehen, verarbeitet sie ihre persönliche 'Flucht' im Kleinen. In einem 'dagboek' hält sie die verwirrenden Unterschiede zwischen ihrem alten und neuen Leben fest. So hat sie nicht nur der deutschen Sprache und Kultur, sondern auch Hauke den Rücken gekehrt. Zwar war diese Trennung längst überfällig, doch erst als sie von Erinnerungen übermannt wird, beginnt…mehr

Produktbeschreibung
Klara ist überstürzt nach Utrecht gezogen. Hier will die Ex-Berlinerin, die eine zerbrochene Beziehung und eine gescheiterte Karriere als Kneipenwirtin hinter sich lässt, ein neues Leben anfangen. In Zeiten, wo Flüchtlingsströme durch Europa ziehen, verarbeitet sie ihre persönliche 'Flucht' im Kleinen. In einem 'dagboek' hält sie die verwirrenden Unterschiede zwischen ihrem alten und neuen Leben fest. So hat sie nicht nur der deutschen Sprache und Kultur, sondern auch Hauke den Rücken gekehrt. Zwar war diese Trennung längst überfällig, doch erst als sie von Erinnerungen übermannt wird, beginnt sie sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Eine wichtige Rolle für den Neubeginn spielt ihre Zuneigung zum jungen Thijs. Doch ihre Selbstbestimmung findet sie durch ihn nicht. Als sich die Lage zuspitzt, wird ihr klar, dass sie sich ihre Freiheit erobern muss - und Geborgenheit nur in sich selbst finden kann.Ein kluger Roman über die manchmal unerträgliche Leichtigkeit des Seins im heutigen Europa.
Autorenporträt
Julia Trompeter wurde 1980 in Siegburg geboren und lebt in Köln. Sie studierte Philosophie, Germanistik und Klassische Literaturwissenschaft in Köln und promovierte in Berlin und Bochum. Seit 2017 arbeitet sie an der Universität Utrecht. Von 2009 bis 2018 war sie Teil des performativen Projekts Sprechduette. Für ihr Schaffen erhielt sie u.a. 2012 das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln, 2014 und 2018 den Förderpreis des Landes NRW.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2019

Was die alles weiß!
Dozieren statt erzählen: Julia Trompeters Roman "Frühling in Utrecht"

In einer Buchhandlung des Amsterdamer Flughafens begutachtet Klara die Auslage: Goethe, Thomas Mann, Ferdinand von Schirach, Uwe Tellkamp, Beate Zschäpe. Diese Reihe, so ihre Diagnose, veranschauliche den "stetigen Verfall der deutschen Kultur". Dann entdeckt sie ein Buch von Wladimir Kaminer, in dem man, nächste Diagnose, auf "Allgemeinplätze über Berlin" stoße. Was hat Klara, diese leidenschaftliche Diagnostikerin, ihrerseits über Berlin zu sagen? Zum Beispiel, dass sich, ganz wie in den Niederlanden, vor den "Eismanufakturen (so heißen sie heute, diese hippen, alternativen Geschäfte, in denen so exotische Mischungen wie Birne-Feige-Parmesan aus natürlich selbst gemachtem Bio-Eis nichts Besonderes mehr sind) bei schönem Wetter ebenfalls gern bunte, gierige Schlangen bilden".

Dieser kolumnenhafte, abgegriffene Plauderton gibt zuverlässiger Auskunft über Klara als ihr Verhalten oder ihre ästhetischen Vorlieben. Sie ist eine ungefiltert schwadronierende, jeden noch so nebensächlichen Gedanken herausleiernde Schwatzbase, die den Leser von oben herab zum nickenden Bewunderer degradieren möchte. Statt zu erzählen, kommentiert sie. Was für ein Weltbild trägt so eine Figur mit sich herum? Ein "radikalpazifistisches, antinational-sozialstaatliches, antikapitalistisch-fortschrittliches, emanzipatorisch-inklusives". Hinter diesem progressiven Biss steckt vor allem ein um Banalitäten kreisendes Sendungsbewusstsein: Media-Märkte sind hässlich, Fitnessjunkies peinlich, Videoüberwachungsanlagen problematisch.

Klara ist die Protagonistin von Julia Trompeters zweitem Roman "Frühling in Utrecht". Ebendort arbeitet die Autorin an der Universität, ihre Figur hingegen in einer Teestube. Weil Klara als Servicekraft intellektuell nicht ausreichend gefordert ist, führt sie ein Tagebuch, in das sie ihre mäandernden Reflexionen hineingießt. Das schließt viel Frust ein, denn sie ist überstürzt von Berlin ins Zentrum der Niederlande gezogen. Auslöser war die Beziehung zu ihrem Freund Hauke, die schon seit Jahren ein angeschlagenes Gewohnheitsarrangement gewesen ist, sich am Ende jedoch in einen regelrechten Unglückskatalysator verwandelte. Nun also neue Stadt, neues Land, neuer Mann. Er heißt Thijs, ist schön, gut trainiert und hat Ähnlichkeit mit Martin Luther auf dem Gemälde von Lucas Cranach. Solche Bilder kennt Klara, denn sie hat mal sehr flüchtig Kunstgeschichte studiert - neben Psychologie, Germanistik und Soziologie.

Und das merkt man. Bei diesem Roman hätte sich ein Personenverzeichnis tatsächlich gelohnt. Mit von der Partie sind unter anderem Sigmund Freud und Yves Klein, Pieter Bruegel der Ältere und Robert Walser, Andy Warhol und Aristoteles, Bernardo Bertolucci und Oskar Loerke, Gilles Deleuze und Félix Guattari. Außerdem ist von Korybantentänzern und Nichtorten die Rede, es geht um jenen Gemütszustand, der im Altgriechischen als "Apatheia" bezeichnet wird, um "funktionale Pragmatik" und den Mehrwert der "soziallinguistischen Erfahrungswelt". Klara erinnert daran, dass es zu Weihnachten oft zu "intrafamiliären und intrapersonalen Krisen" kommt, sie doziert über modernen Stoizismus und ist ganz besoffen von ihrer Sprachsensibilität. So beendet sie eine Überlegung mit dem bescheidenen Vermerk: ". . . worüber ich schon wieder eine philosophisch-linguistische Abhandlung hätte verfassen können." Was ist die Botschaft dieser akademischen Grillen? Vielleicht das Medium? Marshall McLuhan wird zwar nicht namentlich genannt, aber dafür zitiert.

Insgesamt ist "Frühling in Utrecht" ein Roman im Konjunktiv. Was wäre, was hätte, was könnte? Unablässig spielt Klara Möglichkeiten durch. Nach einem Exkurs über den Wind fragt sie sich, ob ihre Beziehung zu Hauke anders verlaufen wäre, wenn es in Berlin so kräftige Böen gäbe wie in den Niederlanden. Dann erregt eine alte Reisetasche am Wegesrand ihre Aufmerksamkeit. Gehörte sie vielleicht Bob Dylan? Wäre er mit ihr nach Woodstock gereist, wenn er sich dorthin getraut hätte? Hat er sie auf einem Flohmarkt in Notting Hill verkauft? An einen Touristen mit Schlapphut und Bart, der Hannes Wader ähnelte? Und so fort. Klara möchte über die versierte Beobachtungsgabe des Flaneurs verfügen, mutet aber an wie dessen Pappmachévariante. Ihren Gedanken fehlt die flirrende Leichtigkeit, der subversive Charme, der gezierte Dreh, der aus Alltäglichem etwas Besonderes macht. Einmal sinniert sie über ihr Tagebuch und gelangt zu dem Ergebnis: "Und so war es vielleicht gut, dass ich nur ein simples dagboek schrieb und nicht etwa einen Roman." Diese Einsicht hätte man sich auch von Julia Trompeter gewünscht.

KAI SPANKE

Julia Trompeter: "Frühling in Utrecht". Roman.

Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2019.

264 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.07.2019

Fremd sein in Holland
Julia Trompeters Selbstfindungsroman „Frühling in Utrecht“ und die täuschende Ähnlichkeit von Niederländisch und Deutsch
Unter den jüngeren deutschen Erzählerinnen und Erzählern lassen sich zwei Großgruppen unterscheiden: Die einen haben eine Großmutter, die in der NS-Zeit lebte oder einen Onkel, der bei der Stasi war. Sie bauen auf historische Stoffe und leihen sich den moralischen Konflikt und die biografische Dramatik bei den Vorfahren.
Wer nichts davon vorweisen kann, muss sich entweder zu genuinem Erzählen aufschwingen, also etwas erschaffen, und das ist selten, oder auf eigene Erlebnisse zurückgreifen. Da geht es dann meistens um Beziehungsprobleme, um die diversen Milieus in Berlin, um Reisen oder aber um die Strenge der Provinz. Julia Trompeters zweiter Roman „Frühling in Utrecht“ gehört mustergültig zu dieser Gruppe, da sie Beziehung, Berlin, Provinz und Reise – also das, was Verlage gerne „die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ nennen – im Erfahrungsraum ihrer Heldin zusammenbringt.
Diese Heldin, Klara, ist erkennbar ein Alter Ego der Autorin. Julia Trompeter, Jahrgang 1980, hat Philosophie und Literaturwissenschaften studiert, in Berlin promoviert und arbeitet seit 2017 an der Universität Utrecht. Den Weg von Berlin nach Utrecht lässt sie auch ihre Romanfigur gehen, damit sie stellvertretend all die Gedanken denken und Erlebnisse erleben kann, die sie selber machte, als sie dorthin zog.
So weit der ausbeutbare autobiografische Hintergrund. Allerdings ist Klara nicht an der Uni angestellt, sondern findet Arbeit als Serviererin in einem Teesalon. Da ist es belebter, sie findet schneller Kontakt mit der Bevölkerung und erfährt sich als Fremde, als Deutsche – denn wo könnte man das besser als in Holland.
In ihrem Debüt „Die Mittlerin“ berichtete Julia Trompeter, wie eine junge Frau, die einen Roman schreiben will, einen Verlag findet und was auf dem Weg zur Veröffentlichung alles passiert. Dieses Debüt handelte also genau von dem, was es war: ein erster Roman. Es folgte ein Gedichtband mit dem schönen Titel „Zum Begreifen nah“, der die Lust an der Sprache als Werkzeug erkennen ließ. Diese Sprachlust prägt nun auch „Frühling in Utrecht“, denn die Annäherung an die holländische Alltagswelt funktioniert zunächst und vor allem über die Sprache. Holländisch ist vom Deutschen ja nicht so weit weg; manche Begriffe sind sogar identisch, aber eben nur die Begriffe und nicht unbedingt die Bedeutung. In dieser schmalen hermeneutischen Kluft richtet Klara sich genüsslich ein und behandelt das Problem hingebungsvoll in ihrem „dagboek“. Dass Fietsen zwar so ähnlich aussehen wie Fahrräder, Radfahren in Holland aber etwas völlig anderes ist als in Deutschland, lernt sie schnell. Aber was sind „bitterballen“, und warum ist „brood“ oder „broodje“ alles Mögliche, aber bestimmt kein Brot?
Damit aus diesen eher essayistisch-feuilletonistischen Betrachtungen dann doch ein Roman wird, kommt die Liebe ins Spiel, beziehungsweise die „relatieverslavung“ – die Beziehungsabhängigkeit. Da ist auf der einen Seite, in Berlin, der Exfreund Hauke, den Klara zusammen mit der Stadt genervt verlassen hat. Mit ihm hat sie eine Kneipe in einem hippen Stadtteil geführt, konnte aber die geballte Creativeness von jungen Menschen, die T-Shirts mit lustigen Sprüchen bedrucken, nicht mehr ertragen. Eines Morgens hat sie den Freund ansatzlos und ohne Ankündigung verlassen. Es war eine Flucht. In Utrecht lernt sie den mindestens zehn Jahre jüngeren Thijs kennen und lieben, ohne Beziehungsambitionen zu entwickeln. Er ist in seiner offenen, tiefenentspannten Freundlichkeit der Prototyp des Holländers – jedenfalls derer, die nicht Geert Wilders wählen. Aber die kommen in diesem Buch dankenswerterweise auch nicht vor.
Klara ist vor allem mit sich selbst beschäftigt, mit ihrer Fremdheit, ihrer Einsamkeit (nicht nur an Weihnachten), ihrer Vergangenheit. Denn so sehr sie zunächst auch glaubte, alles hinter sich gelassen zu haben, holt sie das Verdrängte nach dem Grundgesetz der Psychoanalyse bald wieder ein. Hauke, der Zurückgelassene, taucht plötzlich an unmöglichen Orten auf, steht mit Hund vor dem Haus, und auch wenn sie weiß, dass es nicht sein kann, muss sie sich diesen Visionen stellen. In vier Kapiteln – Herfst, Winter, Lente und Zomer – arbeitet sich Klara durchs Jahr, der holländischen Gegenwart entgegen und an ihrer Vergangenheit ab, bis sie endlich bereit ist, das neue Leben in der Fremde anzunehmen.
Das ist unspektakulär, aber amüsant und sympathisch. Der Plauderton des tagebuchartigen Berichts neigt jedoch zu einer Oberflächlichkeit, die sich vor allem dann zeigt, wenn es in die Tiefe gehen soll. So findet Klara zu der Erkenntnis, dass Freiheit nicht bloß Freiheit von etwas ist – nämlich von Hauke, der Herkunft, Deutschland und Berlin – sondern immer und vor allem Freiheit zu etwas. Das ist so wahr und so banal, dass man es jenseits des Grundstudiums Philosophie eigentlich nicht mehr aufschreiben sollte. Wer sich aber für die Nuancen holländischer Befindlichkeit und Feinheiten der Sprache interessiert, der kann an diesem Buch Gefallen finden. Und nebenbei lernt man sogar ein bisschen Holländisch.
JÖRG MAGENAU
Was sind „bitterballen“,
und warum ist „brood“ alles
Mögliche, aber kein Brot?
Das ist so wahr und so banal,
dass man es eigentlich
nicht mehr aufschreiben sollte
Julia Trompeter:
Frühling in Utrecht.
Roman. Schöffling & Co,
Frankfurt am Main 2019,
264 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Julia Trompeter schreibt schöne, bildhafte und schlaue Sätze.« Margarete Stokowski, taz