12,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Nachdruck / -produktion noch nicht erschienen
Melden Sie sich für den Produktalarm an, um über die Verfügbarkeit des Produkts informiert zu werden.

payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Das Buch handelt von einer vielschichtigen Erotik, die nichts mit "Beziehungen" zu tun hat. Metamorphosen des Körpers als rauschhaftes Erlebnis ... Verwandlungen nicht als "Verlust" an Schönheit, an Jugend; erzählt, sondern als erotische Erfahrung; die verwobene traumhafte Geschichte von 22 Frauen, die sich mitunter begegnen ... und sich zwischen dem gegenwärtigen Alltag in Großstädten, zwischen "Finanzamt, anschließend Tesa kaufen" und schamanistischen Märchen bewegen. Der Text handelt weniger von den bekannten und immer wieder erzählten Bereichen Liebe, Familie, Karriere etc, sondern von Empfindungen und Ereignissen in namenlosen Lebensbereichen.…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch handelt von einer vielschichtigen Erotik, die nichts mit "Beziehungen" zu tun hat. Metamorphosen des Körpers als rauschhaftes Erlebnis ... Verwandlungen nicht als "Verlust" an Schönheit, an Jugend; erzählt, sondern als erotische Erfahrung; die verwobene traumhafte Geschichte von 22 Frauen, die sich mitunter begegnen ... und sich zwischen dem gegenwärtigen Alltag in Großstädten, zwischen "Finanzamt, anschließend Tesa kaufen" und schamanistischen Märchen bewegen. Der Text handelt weniger von den bekannten und immer wieder erzählten Bereichen Liebe, Familie, Karriere etc, sondern von Empfindungen und Ereignissen in namenlosen Lebensbereichen.
Autorenporträt
Yoko Tawada wurde 1960 in Tokyo geboren und lebt seit 1982 in Deutschland. Studium in Tokyo, Hamburg und Zürich; Promotion bei Sigrid Weigel. Reisen auf vier Kontinenten. Tawadas zweisprachiges Werk umfasst Lyrik und Prosa, Theater-, Hörspiel- und Operntexte; es wurde in Japan wie in Deutschland vielfach ausgezeichnet (u.a. Gunzô-Literaturpreis, 1991; Akutagawa-Preis, 1993; Chamisso-Preis, 1996; Goethe-Medaille, 2005). Zahlreiche Übersetzungen in weitere Sprachen. 2013 wurde Yoko Tawada mit dem "Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung" ausgezeichnet und 2016 mit dem Kleist-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2000

Heiteres Mythenraten
Alles ganz verwandelt: Yoko Tawadas Kopfkissenbuch

Ein Jahrtausend nach der japanischen Hofdame Sei Shonagon, die die Gattung des Kopfkissenbuchs mit seinem bunten Mosaik von Berichten, Anekdoten und Aphorismen aus dem Hofleben geschaffen hat, legt die seit 1982 in Hamburg lebende, japanisch und deutsch schreibende Yoko Tawada ihr eigenes Kopfkissenbuch vor. Sie erneuert die Gattung auf höchst komplexem interkulturellen Wege: indem sie im Hamburg des Jahres 2000 die Tradition des japanischen Kopfkissenbuchs mit dem europäischen Überlieferungsstrang der wiederum ein Jahrtausend vor dem Buch der Sei Shonagon entstandenen "Metamorphosen" des Ovid kreuzt. Das gelingt erstaunlich gut, weil Ovid sich in seinem Epos, das wie das Kopfkissenbuch keinen zentralen Helden besitzt, ein flexibles erzählerisches Medium geschaffen hat, das sein organisierendes Prinzip einzig im Motiv der Verwandlung besitzt. Anders als Ovid erprobt Yoko Tawada dies Prinzip aber nicht an vielen hundert Gestalten, sondern sie konzentriert sich auf 22 Frauen. Diese leben in Hamburg, gehen zumeist bürgerlichen Berufen nach, tragen aber die mythischen Namen der Frauengestalten Ovids: von Leda und Galanthis bis zu Ocyroë und Diana.

Schon in ihren Tübinger Poetik-Vorlesungen, denen sie den Titel "Verwandlungen" (1998) gab, ging es Yoko Tawada um den Nachweis, daß die Verwandlung "eines der wichtigsten Motive der Literatur" sei, und sie wollte dabei das Prinzip der Verwandlung auch nicht durch das "Modewort" Identitätsverlust ersetzt wissen, weil es die positiven Möglichkeiten der Verwandlung - von einer Sprache in die andere, von einer Kultur in die andere, von einer Rolle in die andere - verdeckt. An den "Metamorphosen" des Ovid fasziniert sie der poetische Nachweis, "daß die Definitionen fiktiv sind". Tatsächlich entziehen sich die 22 Frauen, von denen sie in ihrem Buch erzählt, beharrlich allen Definitionen.

Das Motiv der Verwandlung verliert dabei seine mythische Dimension, keineswegs aber seinen poetischen Zauber. Verwandlung ereignet sich in diesem Buch auf unterschiedlichstem Wege: durch Arbeit und Alter, durch Liebe und Begehren, durch Ortswechsel und Verweigerung. Der Bezug zu den mythischen Modellen Ovids, die von den Namen der Frauen evoziert werden, gestaltet sich deshalb auch ziemlich locker. "Aus meiner Haut werde ich eine Rinde machen, damit keiner mein Fleisch angreift." Es läßt sich leicht erraten, daß dieser Satz dem Lebensprogramm einer Frau namens Daphne entstammt. Iphis verliebt sich zwar bei Yoko Tawada wie bei Ovid in eine Frau und wird daraufhin in einen Mann verwandelt, aber das Objekt ihres Begehrens ist im Jahr 2000 eine unter permanentem Geldmangel leidende Antiquitätenhändlerin, und zum Geschlechtswechsel bedarf es einzig noch der Besuche bei einer geschickten Friseuse namens Thisbe.

Man bedarf keiner Mythen, um so etwas plausibel zu finden, und so gewinnt denn auch die Technik des Hineinkopierens mythischer Zitate in die Porträts der Damen, die in Eppendorf oder der Hafenstraße wohnen, leicht etwas Kunstgewerbliches. Zum Beispiel umgibt die Autorin Scylla mit drei Jagdhunden: "Scylla pfiff, und die Tiere verschwanden in ihrem Unterleib." Das sind auf die Dechiffrierkünste literaturwissenschaftlicher Seminare hin konzipierte Szenen, und so ist denn ab sofort eine Magisterarbeit zum Thema "Ovid bei Yoko Tawada" (wahlweise auch "Das Eigene im Fremden. Mythenrezeption in interkultureller Perspektive") zu vergeben.

Als wollte sie den Fiktionscharakter der Definitionen an sich selbst unter Beweis stellen, läßt die kluge Erzählerin aber einen ironischen Blick auf ihr eigenes erzählerisches Verfahren fallen. Sie schickt eine Frau namens Ceres, deren Tochter natur- beziehungsweise mythosgemäß eines Tages nicht mehr nach Hause kommt, auf der Suche nach der Verschwundenen ins Museum: "Warum logen alle Maler? Ein Maler nannte sein Bild ,Hera', aber man sah sofort, daß die abgebildete Frau seine Gemahlin war. Warum nannte er das Bild nicht gleich ,Meine Ehegattin'? Eine faule Ausrede, griechische Namen zu benutzen."

Das findet der Rezensent auch, zumal die Erzählerin über die Fähigkeit verfügt, in locker miteinander verbundenen kleinen Szenen geheimnisvolle Lebensgeschichten aus der Alltäglichkeit aufsteigen zu lassen und sie durch kunstvolle Andeutungen miteinander zu verknüpfen. Dieses erzählerisch offene, gewaltige Assoziations- und Möglichkeitsräume erschließende poetische Verfahren - die formale Entsprechung zum Prinzip der Verwandlung - wird eingeengt durch die festliegenden mythischen Muster, die die Erzählerin in den Namen ihrer Frauengestalten zitiert. Die Geschichte der Frau aus Finkenwerder, deren Mann "aus betrieblichen Gründen seinen Trieb zu Knaben nicht ausleben" konnte und die, nachdem sie drei Kinder zur Welt gebracht hat, als "viertes Kind" einen tödlichen Tumor im Bauche nährt - wird die Geschichte dieser Frau nicht trivialisiert dadurch, daß die Erzählerin ihr den Namen "Juno" verleiht und sie damit auf das ewige Muster der betrogenen Ehefrau festlegt? Man möchte deshalb die zitierte Frage wiederholen: Warum nannte Yoko Tawada den Text nicht gleich "Seine Ehegattin"?

Oft ist in diesem Buch von Opium und vom Rausch die Rede, gemeint sind damit das Glück der Verwandlung, die Aufhebung des Selbstverständlichen, der Rausch der Einbildungskraft, aus dem diese 22 in poetischen Miniaturen zusammengefaßten weiblichen Lebensläufe erwachsen. Rauschhaft ist an dieser Prosa selbst freilich nichts. Tawada erzählt von der Regellosigkeit der Metamorphose und der Aufhebung der Alltäglichkeit vielmehr mit konstruktiver Sorgfalt und einem Unterton ironischer Verwunderung. Einer Io jedenfalls, die ihrer Freundin auf einer Postkarte schreibt: "Bitte verschone mich mit deinen New-Age-Sprüchen", wird kein Leser seine Sympathie versagen.

ERNST OSTERKAMP

Yoko Tawada: "Opium für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22 Frauen". Konkursbuchverlag, Tübingen 2000. 218 Seiten, br., 24,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Kurz hintereinander hat die in Hamburg lebende deutsch-japanische Schriftstellerin Yoko Tawada zwei Bücher herausgebracht, einen kuriosen Roman und eine ebenso aus dem Rahmen fallende Dissertation, die Uta-Maria Heim mit Interesse und Wohlwollen betrachtet. Beiden Büchern, so unterschiedlich sie formal auch sein mögen, ist ein unbestimmtes Raunen zu eigen, das die Rezensentin sichtlich irritiert.
1) Yoko Tawada: "