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"wir befinden uns tief in der Zukunft der Märchen / wir sind die Enkel unserer eigenen Vorstellungskraft." Ulrike Almut Sandigs Gedichte sind kunstvolle Ohrwürmer: Angelehnt an die Grimm'schen Märchen, wurzeln sie fest in einer Gegenwart, die sie mit dem Echolot ihrer Verse erfasst. Wie die Fledermaus in einem ihrer Gedichte, die aus dem Laborfenster flog, nachdem man ihr beide Augen ausstach. Mit dem Klangorgan ihrer ganz eigenen Sprache erfasst Ulrike Almut Sandig präzise die Untiefen zeitgeschichtlicher Unheimlichkeit und zeichnet den utopischen Gegenentwurf eines Heimatlandes, in dem der…mehr

Produktbeschreibung
"wir befinden uns tief in der Zukunft der Märchen / wir sind die Enkel unserer eigenen Vorstellungskraft." Ulrike Almut Sandigs Gedichte sind kunstvolle Ohrwürmer: Angelehnt an die Grimm'schen Märchen, wurzeln sie fest in einer Gegenwart, die sie mit dem Echolot ihrer Verse erfasst. Wie die Fledermaus in einem ihrer Gedichte, die aus dem Laborfenster flog, nachdem man ihr beide Augen ausstach. Mit dem Klangorgan ihrer ganz eigenen Sprache erfasst Ulrike Almut Sandig präzise die Untiefen zeitgeschichtlicher Unheimlichkeit und zeichnet den utopischen Gegenentwurf eines Heimatlandes, in dem der Mensch kein "Vieh ohn' Seele und Fell" ist, sondern aufrecht sagen kann: "ich bin".Auch für Ulrike Almut Sandigs neuen Gedichtband gilt: "Diese Gedichte überzeugen durch Sprachwitz, Selbstironie und Humor, philosophische Phantasie und ein emphatisches dichterisches Selbstverständnis." (Wulf Segebrecht, Frankfurter Allgemeine Zeitung)"
Autorenporträt
Ulrike Almut Sandig wurde in Großenhain geboren. Bisher erschienen von ihr vier Gedichtbände, drei Hörbücher, zwei Erzählungsbände, ein Musikalbum mit ihrer Poetry-Band Landschaft sowie zahlreiche Hörspiele. Ihre Gedichte wurden verfilmt und übersetzt, für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Preise. Zuletzt wurde sie 2018 mit dem Wilhelm-Lehmann-Preis, 2020 mit dem Roswitha-Preis und 2021 mit dem Erich-Loest-Preis ausgezeichnet. 2023 gewann sie den Robert Gernhardt Preis. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2016

Lass uns auch so etwas bauen

Feld voller Ölsaat: Ulrike Almut Sandig legt einen Gedichtband mit langem Namen und kurzen gehaltvollen Texten vor.

Von Florian Balke

Wenn die Natur nicht spurt, bleibt immer noch die Kunst. Ulrike Almut Sandig versammelt in ihrem neuen Gedichtband Wissenschaftler und eine Bildungsministerin zur Beobachtung des Venustransits. Als die kleine Planetenscheibe ausbleibt und sich nicht wie erwartet vor die Sonne schiebt, sind Astronomen und Astrophysiker ratlos. Erschienen ist aber auch eine andere Gruppe von Sterndeutern mit ganz eigenem Verhältnis zum Räderwerk der Planetenbahnen. Sie weiß sofort, wie sie mit dem Umsturz der Naturgesetze umzugehen hat. Er wird zum Kunstwerk: "Nur die tätowierten Freunde der Sterne / lachten sich krank und schnitten einander / langsam dunkle, runde Motive in ihre Gesichter."

Was am Himmel geschieht, wird auf Erden widergespiegelt, nachvollzogen von unterschiedlichen Temperamenten, umgesetzt in Taten, manche am menschlichen Leib, der im Kleinen das Große zeigt. So weit, so altbekannt. Sandigs spielerische Verse aber greifen das Alte auf, um ihm einen neuen Spin zu geben, eine andere Umdrehungsgeschwindigkeit zu verleihen, einen veränderten Drall. Die Natur verhält sich plötzlich einen Moment lang so kapriziös und unvorhersehbar wie sonst nur die Kunst. Und das Bild, das sich die im Angesicht der Katastrophe scheinbar so widerstandsfähigen Künstler in den Leib stechen, zeigt nicht das, was ist, sondern das, was fehlt - sie sind Himmelsleser von der traurigen Gestalt.

Gelingen, Scheitern - der mehrdeutige Umgang mit den Weltbausteinen ihrer Gedichte ist für Sandig bezeichnend. Schon der opulent angelegte Titel des neuen Bandes deutet es an: "Ich bin ein Feld voller Raps, verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt". Gleich zu Beginn des Buches haben Natur, Kunst und Sprache ihren dicht ineinander verschachtelten gemeinsamen Auftritt. Das Ich, das von sich spricht, inszeniert sich nicht nur als natürlicher Bestandteil der Landschaft, sondern auch als kultivierte, demnächst fruchtbringende Fläche, als Kunstwerk, Zuflucht, Ort der Sammlung und rettende Tat.

Aber die Mehrdeutigkeit geht noch weiter. Denn wer ist überhaupt dieses Ich? Die Autorin, deren Name über dem Titel des Buches prangt? Das Rapsfeld, das gerade die Gesprächsführung übernommen zu haben scheint? Oder das Buch, dessen Umschlagpapier die Worte trägt? Alles ist möglich und muss mitgedacht werden, gerade bei einer Dichterin wie der 1979 im sächsischen Großenhain geborenen Sandig, die ihre Verse nicht nur aufschreibt, sondern ebenso gerne spricht, unterstützt von Musik und Klangeffekten. Wenn die Formen, in denen etwas existiert, sich vervielfältigen und die Grenzen zwischen dem fixierten Schriftsinn und der leicht dahingesprochenen Behauptung zu fließen beginnen, ist es angebracht, auf der Hut sein.

Das gilt speziell für einen Band, der den Leser, das scheue Reh, nicht im Raps in Sicherheit bringt, sondern in einen dunklen Wald entlässt, erfüllt von Vögeln, Schneefall, Nacht und Isolation, voller Anspielungen auf Entdeckerfahrten ins Unwirtliche und die grausamen Märchen der Brüder Grimm, die Sandig als die Abenteuerfahrt durch das Vorbewusste und Verdrängte begreift, die sie sind. Im Epilog hockt eine Entdeckerin in kalter Polarnacht, allein, in einem Zelt "für mich und niemanden / sonst", zuvor wird der Vogel aus dem Märchen vom Machandelboom angerufen: "Seit ich dich entdeckt hab / wächst mir in der Dunkelheit meines eigenen Körpers / Wacholder." Bitter und dunkel auch die Zeit, in der die Gedichte entstehen: "Ein jeder betrachtet die kommentierte Version / seines Nächsten", heißt es da. Wenig später geht es um das, was unsere Smartphones nicht zeigen - die schwankenden kleinen Boote der Schlepper in der Ägäis: "Während wir ruhn, treibt jemand direkt auf uns zu."

Die Rettung liegt im Hinsehen und Staunen, der Tätigkeit, die den Menschen schon bei Aristoteles und Platon vom lediglich Hingenommenen zum selbständig Durchdachten führen sollte. Sandig verwendet das Wort, als sie den Menschen erwähnt, das Tier, das spricht. Von diesem Staunen ist ihr sprechendes Buch erfüllt, vom genauen Blick, aber auch von der Freude am Neuzusammensetzen der wahrgenommenen Welt. "Lass uns auch sowas bauen", heißt es auf halber Strecke. Bauen, das tut auch dieses Buch, das auszog, das Fürchten zu lernen und das Staunen nicht zu vergessen. Das ist noch immer eine sehr gute Haltung zur Welt.

Ulrike Almut Sandig: "Ich bin ein Feld voller Raps, verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt". Gedichte.

Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2016.

96 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Florian Balke erinnnern Ulrike Almut Sandigs Gedichte daran, dass Staunen und Neuzusammensetzen zwei Tugenden sind. Der genaue Blick, mit dem die Autorin das Vorbewusste und Verdrängte erkundet, Märchen, Vögel, Schneefall, Nacht, Planetenbahnen, scheint Balke bemerkenswert. Wenn Sandig dem Alten neuen Spin gibt, einen anderen Drall oder eine andere Geschwindigkeit, kommt er ins Grübeln. Zumal das Ich von dieser Bewegung nicht ausgenommen ist, wie der Rezensent feststellt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"»Was originelle Metaphern anbetrifft, schraubt Sandig die Messlatte hoch. Ihre markanten Wendungen wirken oft wie eine Art Kondensat aus dem Universum der Begriffe.«Ulf Heise, Freie Presse Chemnitz"Sinnlichkeit, Kraft und Beobachtungsgabe, zugleich die Fähigkeit, scheinbar Entferntes miteinander zu verbinden, Stimmen und Tonfälle zu bilden, all das zieht sich durch Sandigs neuen Band."Gundula Sell, Sächsische Zeitung»Man kann diese Texte verträumt genießen, weil sie auf erfrischende Weise nicht ironieschwer sind und stattdessen auf wohltuendes Pathos setzen.«Björn Hayer, Berliner Zeitung»Ulrike Almut Sandig schafft in der deutschen Gegenwartsliteratur den Genrespagat zwischen Lyrik und Prosa.«Ludwig Rauch, Frankfurter Rundschau»Ulrike Almut Sandig glänzt in ihren jüngsten Gedichten durch Konkretheit.«Leipziger Volkszeitung»Von Staunen ist ihr sprechendes Buch erfüllt, vom genauen Blick, aber auch von der Freude am Neuzusammensetzen der wahrgenommenden Welt.«Florian Balke, FAZ"Lyrische Tableaus von beträchtlichem Reiz, die unter Bezugnahme auf Malerei, Musik und in Variationen von Grimms Märchen kritische Türen einschlagen."Beate Tröger, Der Freitag"Sandig schafft Welten voller mythischer Bilder, die sich tief ins Bewusstsein eingraben."Matthias Ehlers, WDR"Es gehört aber zum Reichtum und zur Gewitztheit dieses Gedichtbandes, dass sich zu den bedrängenden Themen unserer unmittelbaren Gegenwart auch die 'sieben, jungen Geißlein' gesellen."Herbert Wiesner, Die Welt"Auch das Lesen und Nicht-Lesen ist ein politischer Akt. Ulrike Almut Sandigs Gedichte aber sollten gelesen werden."Christian Hippe, SR 2 Bücherlese"…mehr