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Karina Sainz Borgos Roman »Nacht in Caracas« ist ein intensives literarisches Debüt über das Schicksal einer jungen Frau und ein virtuoses Portrait eines untergehenden Landes.
Adelaida beerdigt ihre Mutter, aber sie bleibt nur kurz am Grab stehen. Auf dem Friedhof ist es gefährlich, genau wie an jedem anderen Ort in Venezuela. Noch vor kurzem kamen die Menschen aus Europa, um hier ihr Glück zu machen. Nun versinkt das Land in Chaos und Elend. Als Adelaida gewaltsam aus ihrer Wohnung vertrieben wird, weiß sie nicht wohin. Alles, was sie geliebt hat, existiert nur noch in ihrer Erinnerung.…mehr

Produktbeschreibung
Karina Sainz Borgos Roman »Nacht in Caracas« ist ein intensives literarisches Debüt über das Schicksal einer jungen Frau und ein virtuoses Portrait eines untergehenden Landes.

Adelaida beerdigt ihre Mutter, aber sie bleibt nur kurz am Grab stehen. Auf dem Friedhof ist es gefährlich, genau wie an jedem anderen Ort in Venezuela. Noch vor kurzem kamen die Menschen aus Europa, um hier ihr Glück zu machen. Nun versinkt das Land in Chaos und Elend. Als Adelaida gewaltsam aus ihrer Wohnung vertrieben wird, weiß sie nicht wohin. Alles, was sie geliebt hat, existiert nur noch in ihrer Erinnerung. Wenn sie sich retten will, bleibt ihr nur die Flucht.

»Nichts war für mich dringlicher, als diese Geschichte zu schreiben. Über den Sturm zu sprechen, während er in einem tobt.« KARINA SAINZ BORGO
Autorenporträt
Karina Sainz Borgo wurde 1982 in Caracas geboren und lebt seit 2006 in Spanien, wo sie für die Tageszeitung ABC arbeitet. Sie schreibt außerdem Reportagen und Kolumnen für verschiedene Zeitungen und Blogs in Spanien und Lateinamerika. 2019 erschien ihr erster Roman 'Nacht in Caracas', der weltweit gefeiert und in 26 Sprachen übersetzt wurde. 'Das dritte Land' ist ihr zweiter Roman, er wurde mit dem Prix Jan Michalski ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2019

Der Mensch ist dem Menschen wieder ein Wolf

Karina Sainz Borgo schafft es in ihrem Roman "Nacht in Caracas", eine Sprache für die aktuelle Tragödie Venezuelas zu finden.

Von Paul Ingendaay

Eine beglaubigte Nachricht aus den letzten Tagen: Venezuelas Diktator Nicolás Maduro, der ohne Parlament regiert, aber das Militär noch auf seiner Seite hat, lässt mehr als 300 000 Gewehre an regierungstreue Milizionäre verteilen. Mit den Waffen sollen seine Anhänger die Straßen der Hauptstadt Caracas kontrollieren. Im regierungsamtlichen Wortlaut: "Wir aktivieren den Plan zur Stärkung der Patrouillen und der Überwachung der öffentlichen Ordnung, um den Frieden und ein glückliches Weihnachtsfest in Venezuela zu garantieren."

Wenn dieser Satz zynisch klingt - er könnte direkt aus einem lateinamerikanischen Diktatorenroman stammen, in dem die machtlose Zivilgesellschaft nur noch als ferne Hammelherde zu ahnen ist -, dann hat die junge Venezolanerin Karina Sainz Borgo jetzt mit "Nacht in Caracas" den aktuellen Roman über die verheerende Lage in ihrem Land geschrieben. Die Eröffnung ist schlicht. Adelaida Falcón, die Ich-Erzählerin, eine sich mehr schlecht als recht durchschlagende Übersetzerin in der Hauptstadt Caracas, hat gerade ihre Mutter zu Grabe getragen. Jetzt steht sie vor den Trümmern ihres gegenwärtigen Lebens, kann nur noch ein paar Scherben aufsammeln und muss ansonsten sehen, wie sie am besten verschwindet.

Der Auftakt setzt den Ton dieses Romans. Nur eine Handvoll Menschen nimmt vom Leichnam Abschied. Selbst der Tod ist billig geworden, weil überall so viel gestorben wird und im venezolanischen Staatsbankrott keiner mehr das Geld für eine würdige Bestattung hat. Danach geht es wieder um das eigene Überleben, um Inflation, Schwarzmarkt, Stromausfall und endemische Kriminalität. Noch auf dem riesigen Friedhof sieht Adelaida eine Bande, die "Bikers des Vaterlands", bei ihrem ganz eigenen vulgären Bestattungsritual.

Die "Motorizados de la patria", wie sie im spanischen Original heißen, sind keine Erfindung der Autorin, sondern eine von vielen Gruppen von "Zivilisten" in Venezuela, die staatlich gedeckte Plünderung betreiben und dem Regime für die Drecksarbeit von Folter und Mord zur Verfügung stehen, wenn sie nicht gerade eigene Ziele verfolgen. Später wird Adelaidas Wohnung von einer Bande marodierender Frauen besetzt, die nichts als plündern und zerstören. "Nacht in Caracas" erzählt von einer alleinstehenden Frau, die neben dem Schmerz über den Tod der einzigen Bezugsperson einen Weg finden muss, aus der Hölle von Gewalt und Rechtlosigkeit zu entkommen. Das ist ebenso konkret und lakonisch wie beklemmend geschildert: Suche nach Nahrung, Hilfe, Unterschlupf. Kampf um das letzte bisschen Würde. "Wir waren am Leben", sagt Adelaida. "Starr wie Statuen, aber am Leben." In diesem Roman entrollt sich die Abdankung des Staates, und der Mensch ist dem Menschen wieder ein Wolf.

Wie die Autorin es in ihrem in mehr als zwanzig Sprachen übersetzten Debütroman schafft, den Text literarisch zu halten und nicht an die erdrückende Faktenwirklichkeit zu verkaufen, verrät eine Könnerin. In vielfältigen Variationen tauchen Metaphern von Geburt und Tod auf, den großen Grenzerfahrungen, auch Bilder vom Meer, diesem Versprechen, das sich in eine Gefängnismauer verwandelt, wenn korrupte Beamten die Ausgänge kontrollieren und das Land selbst zum Kerker geworden ist.

In Adelaidas Reflexionen scheint eine komplexe, nicht immer einfache Tochter-Mutter-Beziehung auf. Doch aus den Gedanken an Kindheit und Jugend wird die Heldin ständig herausgerissen, weil Gefahr droht. "La hija de la española" heißt der Roman im Original, "Die Tochter der Spanierin". Borgo liefert damit implizit auch eine Einwanderergeschichte von Menschen, die vom Land ihrer Wahl verraten werden, wieder zu Auswanderern werden müssen und damit doppelte Heimatlosigkeit ernten. Am Ende schafft es Adelaida, die Identität ihrer toten Nachbarin anzunehmen und mit Hilfe fremder Klamotten und eines fremden Passes nach Spanien zu fliehen. Es ist kein Triumph, kein europäisches Paradies, sondern der Endpunkt einer Rettung in letzter Minute, während um die Protagonistin herum ganze Stadtviertel verwüstet sind.

Karina Sainz Borgos Roman ist zugleich schmal und weit, persönlich und politisch, er entfaltet große Intimität und hat doch Aussagekraft für eine ganze Gesellschaft. Dieser Gesellschaft ist die Mittelklasse abhandengekommen. Nach vielen Jahren diktatorischer Regierungschefs kennt sie nur noch Opfer und Profiteure. Damit liefert die Autorin das Gegenbild zur Staatspropaganda, wer immer gerade auch die Hebel bedienen mag, dazu einen Abgesang auf jegliches Revolutionspathos und die aus radikaler Innensicht geschilderte Geschichte der Opfer. Natürlich wird auch Simón Bolívar, der Befreier aus dem neunzehnten Jahrhundert, vom Regime in Dienst genommen. Gerissene Manipulatoren haben die Gesichtszüge des von Spaniern abstammenden Volkshelden auf den Bilddarstellungen nachträglich gedunkelt, um ihn der indigenen Identität anzudienen. Das Resümee der Heldin: "Die plastische Chirurgie, der die Kinder des Vaterlands die Vergangenheit unterzogen, hatte etwas von Parodie."

Auf die Frage eines spanischen Journalisten, ob sie sich vorstellen könne, dass ihr Roman in Venezuela veröffentlicht werde, gab Karina Sainz Borgo zur Antwort, zum einen brauche es dafür einen mutigen Verleger. Und zum anderen entspreche der Ladenpreis des Buches in ihrem Land fünf Monatslöhnen eines normalen Lesers, der in all dieser Zeit eben leider keine Nahrungsmittel kaufen könne. Wenn es sie denn gäbe, muss man hinzufügen. Und dann versucht man, die aktuellen Nachrichten wieder abzuschütteln, weil sie einen unfreundlich daran erinnern, wie dünn der zivilisatorische Firnis unseres Gemeinwesens ist, und tröstet sich mit diesem glänzend übersetzten Roman, der für die Tragödie in Venezuela Form und Sprache gefunden hat.

Karina Sainz Borgo: "Nacht in Caracas". Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2019. 224 S., geb., 21,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensent Dirk Fuhrig liest Karina Sainz-Borgos Roman als aufrüttelndes Zeitdokument über Venezuela. Literarisch macht der Text laut Rezensent allerdings wenig her, er wirkt auf ihn konstruiert, holzschnittartig und allzu vordergründig. Wie die Autorin im journalistischen Stil von den willkürlichen Brutalitäten im Namen der bolivarischen Revolution in Venezuela erzählt, lässt Fuhrig dennoch das Blut gefrieren. Schließlich schreibt sie über das ganz reale Elend eines ökonomisch am Boden liegenden Landes, in dem Korruption und Gewalt herrschen. Die Ich-Perspektive macht den Text für Fuhrig unmittelbar und eindringlich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.08.2019

Rote T-Shirts im Überfluss
Karina Sainz Borgos Debüt „Nacht in Caracas“
Herrlich sei das Land in seinen Psychopathien, großzügig in Schönheit und Gewalt, schreibt die venezolanische Journalistin Karina Sainz Borgo in ihrem ersten Roman „Nacht in Caracas“. Es kommen also durchaus Momente vor, die eine gewisse Lust am Widersprüchlichen verraten, und ohne Widersprüche ist Venezuela nicht zu haben, schon gar nicht literarisch. Meistens aber richtet sich die Autorin mit dem erzählenden Ich ihrer Figur Adelaida in bequemer Verachtung ein, in Hass und Abscheu.
Zweifellos wird dieser jungen Frau übel mitgespielt, von selbst ernannten Revolutionären und deren auf den eigenen Vorteil bedachten Handlangern; zweifellos auch versinkt das Land in Chaos. Dass die Autorin so genau weiß, wo der Feind steht, mag militärisch (und im Straßenkampf) nützlich sein, literarisch aber wirkt das etwas dürftig.
Nach dem Tod ihrer Mutter, mit der sie in symbiotischer Zweisamkeit gelebt hat, sieht sich Adelaida vor die Tür gesetzt. Ihre Wohnung ist von plumpen und natürlich hässlichen Frauen besetzt worden, die im Namen des Comandante für die gerechte Sache, im Grunde aber für das eigene Fortkommen kämpfen. In dieser Zeit sind rote T-Shirts sehr beliebt, am besten mit dem Konterfei von Hugo Chávez. Diese T-Shirts ziehen sich auch Motorradfahrer über, Motorizados de la Patria, um dann Angst und Schrecken zu verbreiten. In der Stadt wird geplündert; wer protestiert, wird niedergeschossen; im Kerker wird so lange gefoltert, bis das Opfer nach einem roten T-Shirt verlangt – offenbar das Einzige, was im Überfluss vorhanden ist.
Der armen Adelaida bürdet Karina Sainz Borgo alles Erdenkliche auf. In nur wenigen Stunden wird sie erst bewusstlos geschlagen, dann von einer Nachbarin notdürftig verarztet, um kurz darauf vor die Leiche einer anderen Nachbarin geführt zu werden, die sie aus dem Fenster kippen muss, nicht weit von einem in Brand gesteckten Müllcontainer. Zwischendurch schaut sie durchs Fenster auf einen sterbenden Jungen auf der Straße. Und ihr Freund, ein Journalist, wird im Grenzgebiet zu Kolumbien mit durchgeschnittener Kehle gefunden.
Also, in Adelaidas Haut will man wirklich nicht stecken. Selbst wenn sie in den Unterlagen der geschickt entsorgten Nachbarin einen spanischen Pass entdeckt und so die Chance bekommt, geschickt verwandelt der Hölle von Caracas zu entfliehen.
Im Jahr 1982 wurde Karina Sainz Borgo in dieser Stadt geboren. Vor gut zwölf Jahren ist sie nach Spanien emigriert, heute lebt sie als Journalistin in Madrid. Im Anhang ihres Romans bedankt sie sich bei etlichen Familienangehörigen, die allem Anschein nach ganz wunderbare Menschen sind. Von diesem Wunderbaren lässt sie höchstens Adelaidas Mutter etwas zukommen und den Tanten im fernen Küstenort Ocumare, den Gesängen der einfachen Frauen beim Melken, Mahlen und Bügeln. In den ruhig erzählten, in der Provinz spielenden und eher zweitrangigen Szenen liegt die Kraft eines Romans, der für die Verhältnisse in der Hauptstadt keinen Rhythmus findet.
Von den ungelenken narrativen Mitteln sollte man sich trotzdem nicht abschrecken lassen, weil einem sonst der Blick auf eine verrohte Gesellschaft entginge, die sich ans Wegschauen gewöhnt hat und an den puren Eigennutz. Anders könnte sie nicht überleben. Das, immerhin, führt die Autorin vor Augen, wenngleich ihr Roman die Erwartungen nicht erfüllt. Wer würde heute ein Buch über das zerrissene Venezuela nicht lesen wollen?
Vorerst muss man sich mit dem vor drei Jahren erschienenen Roman „Die letzten Tage des Comandante“ begnügen. Darin zeigt sich Alberto Barrera Tyszka den Spannungen und Widersprüchen seines Landes gewachsen und stellt seine Figuren entsprechend auf. Während Sainz Borgo überall nur Verderbtheit und Gewalt erblickt, sieht Barrera Tyszka auch die Schönheit. Ironisch erinnert er dort an eine Anekdote, die nach guter Operette klingt: Drei Fallschirmspringer der Streitkräfte schweben vom Himmel, um der gerade gekürten Miss Venezuela ein Geschenk zu übergeben. Einer davon ist der junge Soldat Hugo Chávez.
RALPH HAMMERTHALER
Karina Sainz Borgo: Nacht in Caracas. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019. 224 Seiten, 21 Euro.
Der Roman zeigt eine verrohte
Gesellschaft voller Gewalt
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Macht süchtig. DONNA 20230215