49,80 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Rheinlandschaften war das erste Buch, das 1975 im frisch gegründeten Schirmer/Mosel-Verlag erschien. Damals, vor 40 Jahren, galt die Photographie noch als Stiefkind der Kunstwissenschaften, und nur Insidern dürfte der Name August Sander ein Begriff gewesen sein. Beides hat sich seitdem gründlich geändert. Nach 13 monographischen Publikationen allein in unserem Hause - darunter drei Editionen seines monumentalen Portraitwerks Menschen des 20. Jahrhunderts - gehört August Sander (1876-1964) heute zu den international anerkannten Größen der Photogeschichte. Die Aufnahmen der Rheinlandschaften…mehr

Produktbeschreibung
Rheinlandschaften war das erste Buch, das 1975 im frisch gegründeten Schirmer/Mosel-Verlag erschien. Damals, vor 40 Jahren, galt die Photographie noch als Stiefkind der Kunstwissenschaften, und nur Insidern dürfte der Name August Sander ein Begriff gewesen sein. Beides hat sich seitdem gründlich geändert. Nach 13 monographischen Publikationen allein in unserem Hause - darunter drei Editionen seines monumentalen Portraitwerks Menschen des 20. Jahrhunderts - gehört August Sander (1876-1964) heute zu den international anerkannten Größen der Photogeschichte.
Die Aufnahmen der Rheinlandschaften entstanden zwischen 1929 und 1946. Nachdem Sanders erste Publikation Antlitz der Zeit von den Nazis beschlagnahmt worden war, wandte er sich der politisch unverfänglicheren Landschaftsphotographie zu und schuf Bilder von ungewöhnlichem atmosphärischen Reiz und hoher technischer Qualität - gleichsam "Portraits" seiner engeren Heimat, die zu den wenigen bemerkenswerten Bildschöpfungen im Deutschland dieser Jahre zählen. Aus gegebenem Anlass hat Wolfgang Kemp, seit 40 Jahren Schirmer/Mosel-Autor, seinen damaligen Text - es war sein erster Text als Kunsthistoriker über Photographie - für die Jubiläumsauflage durch einen neuen ersetzt.
Autorenporträt
Wolfgang Kemp, geb. 1946, ist Professor für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg, Gastprofessuren u.a. in Harvard, an der UCLA, Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin und am Getty Research Center Los Angeles. Grundlegende Veröffentlichungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie, zur Rezeptionsästhetik und Bilderzählung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Besprechung von August Sanders Fotografien "Rheinlandschaften" bettet Stephan Speicher in generellere Überlegungen zu romantischer Ästhetik, Landschaftswahrnehmung und Regionalismus. Über den Band selbst informiert er knapp, dass es sich bei ihm um eine Neuauflage handelt, mit einer revidierten Einleitung des Kunsthistorikers Wolfgang Kemp. Sanders Blick auf den Rhein findet der Rezensent bemerkenswert modern: Bilder von Winzern, Schiffern und blonden Frauen seien auf den Bildern nicht zu sehen, statt dessen die Steinbrüche im Siebengebirge und die von Landwirtschaft und Verkehr nahezu abstrahierten Landschaften.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2014

Lob der Wildheit
Das Rheintal, gesehen und besungen von August Sander, Goethe und den reisenden Briten
Der Fotograf August Sander hatte eine neue, soziologisch informierende Porträtkunst entwickelt. Wenig überraschend, dass die Nationalsozialisten ihn ablehnten. Das Buch „Antlitz der Zeit“ wurde 1936 beschlagnahmt, die Druckstöcke wurden vernichtet. Seine Landschaftsfotografie als einen politisch erzwungenen Rückzug zu deuten lag nahe; das tat der Kunsthistoriker Wolfgang Kemp, als er vor gut vierzig Jahren die Einleitung zu Sanders „Rheinlandschaften“ schrieb.
  Der Verlag Schirmer/Mosel, zu dessen ersten Publikationen die „Rheinlandschaften“ gehörten, hat das Buch wieder aufgelegt. Das ist nur zu loben. Denn erstens ist es schön, dass diese Bilder wieder greifbar sind. Und, zweitens, hat Kemp eine revidierte Einleitung geschrieben, die ein neues Licht auf Sander und die Landschaftsfotografie der Zwanzigerjahre wirft. Sanders Blick auf den Rhein ist modern. Er hat sich verabschiedet von der Romantik des späten 19. Jahrhunderts, von den Figurenstaffagen aus Schiffern, Zechern, Winzern und jungen blonden Frauen. Aber er legt größten Wert darauf, die Landschaften als vom Menschen geprägt zu zeigen, durch Straßen, Landwirtschaft, Verkehr.
  Sander gehörte zu den Kölner „Progressiven“, den „Rheinlandschaften“ merkt man es an im Verzicht auf poetisierende Zutaten und in der Neigung zu abstrahierenden Momenten. Er interessiert sich für die Steinbrüche im Siebengebirge und die Muster, die hier entstehen. Seine Bilder sind eher episch ruhig als dramatisch bewegt. Aber er ist doch Teil einer politischen Bewegung, des Regionalismus. In ganz Deutschland wächst so etwas, aber die Rheinlande sind nach dem Ersten Weltkrieg von Truppen der Entente-Mächte besetzt, das schärft das Bewusstsein.
  Dabei ist der Regionalismus politisch nicht klar bestimmt. Einmal geht es um Überschreitung nationaler Begrenztheiten, wie es sich ausdrückt in Carl Zuckmayers Wort vom Rheinland als der „Völkermühle“, berufen, Europa ein Beispiel der Zusammenarbeit zu geben. Aber es kann im Regionalismus auch ein Heimatgefühl wachsen, das auf Abgrenzung zielt, Heimat als Ursprung der Nation sieht. In der Wissenschaft der Zwanziger bildet sich eine „Rheinlandkunde“, die methodisch neuartig ist, interdisziplinär angelegt, Geografie, Geschichts-, Sprach- und Kulturwissenschaften verbindend. Die Personal- und Staatenhistorie soll überwunden werden. Doch im Interesse für das „Volkstum“, wie es der Historiker Hermann Aubin artikuliert, lauert schon das Völkische.
  Zum regionalistischen Interesse hat auch die Fotografie etwas beizutragen. Es entstehen Bildbände, die sich als fotografische Landeskunden verstehen, und auch Sander bringt sechs solche Bände heraus. In einem Rundfunkvortrag 1931 spricht er darüber, wie er von der Physiognomik des Menschen zu dessen Werken übergehen wolle: „Beginnen wir mit der Landschaft. Auch ihr drückt der Mensch seinen Stempel auf durch seine Werke.“
  Die Fotografien Sanders sind künstlerische Aneignungen des Rheins, auf die nicht mehr sehr viel gefolgt ist. Die Landschaft, die mal die Begeisterung Europas war – Byron in „Childe Harold“ und „Don Juan“ setzte im frühen 19. Jahrhundert den Ton – ist inzwischen gesunkenes Kulturgut und oft nicht mal mehr das. Das obere Mittelrheintal zwischen Rüdesheim/Bingen und Koblenz ist Unesco-Weltkulturerbe, aber wen interessiert’s? In den kleinen Orten (abgesehen gerade von Rüdesheim) gibt es kaum noch Gäste. Liegt es daran, dass dem ausgebildeten Geschmack die Ballung von Sensationen: Fels, Strom, Burg, Stadt, Schiff, Bahn vorkommt wie auf der Modelleisenbahn?
  Es sind im 19. Jahrhundert vor allem Engländer, die sich für den Rhein begeistern. Sie reisen auf den Schiffen, übernachten in den Gasthöfen, und es ist kein Zufall, dass es ein Engländer ist, der die schönsten Rheinansichten malt: William Turner. Haben sie eine neue Art der Landschaftswahrnehmung ausgebildet? Im vorigen Jahr hat eine Ausstellung in Wiesbaden Bilder vom Rhein vom 17. bis 19. Jahrhundert zusammengeführt: „Rheinromantik. Kunst und Natur“. Und es war eine gute Idee, auf einer Tagung und in dem daraus hervorgegangenen Aufsatzband nach den Zusammenhängen von Landschaftserleben und englischem Park zu fragen: „RheinMainRomantik – Gartenkunst“.
  Das Rheintal ist eng, felsig, der Blick geht nicht weit, hinter jeder Kurve öffnet sich ein neues Bild. Der Fluss war für die Schifffahrt bis weit ins 19. Jahrhundert nicht ungefährlich. Eine ältere Ästhetik fand ihn wie die Alpen abgeschmackt, bizarr. Ein frühes (und besonders schönes) Rheingedicht ist Goethes „Hoch auf dem alten Turme steht/Des Helden edler Geist“, 1774 geschrieben. Das ist die Zeit des „Götz von Berlichingen“, der so wirkungsvoll mit der klassizistischen Ästhetik bricht.
  Die Kenner des englischen Landschaftsgartens waren auf die Szenerie des Rheintals schon halbwegs vorbereitetet. Der Anglist Raimund Borgmeier sieht im englischen Garten eine frühe Manifestation romantischer Ästhetik: die Lust am Unregelmäßigen, Überraschenden, Antiklassischen, die Vielfalt der Perspektiven. Der englische Garten entwickelt sich von 1730 an, weit früher als das, was wir Romantik nennen. Aber die ästhetische Reflexion bei Shaftesbury und Addison etwa stiftet eine Beziehung im Wunsch nach „unendlicher Vielfalt von Bildern“ und Anregung der Einbildungskraft, dem Lob der Wildheit der Natur. Im Faust II, in der klassischen Walpurgisnacht, spottet Mephisto 1830 über solche Vorlieben: „Sind Briten hier? Sie reisen sonst so viel, / Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen, / gestürzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen“.
  Der Landschaftsgarten mag in einem frühestromantischen Geist entstanden sein, das Ideal der Romantiker ist er nicht. Ludwig Tieck etwa war von Wörlitz wenig befriedigt. Was romantische Gartenkunst ist, das lässt sich nicht leicht sagen. Aber der umfriedete Garten, der hortus conclusus, ist jedenfalls ein Modell. Auch das findet sich am Rhein, im Garten der von Schinkel wiederaufgebauten Burg Stolzenfels südlich von Koblenz: intim, gesellig, ein Ort der Sehnsucht, der den Blick auf den Strom und in die Ferne erlaubt. Gegenüber mündet die Lahn in den Rhein. Da hat sich, nicht weiter überraschend, ein Industriepark breitgemacht.
STEPHAN SPEICHER
August Sander: Rheinlandschaften. Photographien 1926–1946. Mit e. Text von Wolfgang Kemp. Schirmer/Mosel, München 2014. 140 S., 49,80 Euro.
Rheinromantik. Kunst und Natur. Schnell und Steiner Verlag, Regensburg 2013. 496 S., 34,95 Euro.
RheinMainRomantik. Gartenkunst. Hrsg. Inken Formann und Karl Weber. Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2013. 316 S., 34,95 Euro.
Köln bei Sonnenaufgang, fotografiert von August Sander, 1938. Foto:2014  Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln / VG-Bild-Kunst, Bonn / Courtesy Schirmer/Mosel München
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2015

23. Mein Herz an der Biegung des Flusses

Kindheit. Wochenende. Die leeren Straßen. Die Autobahn. Dann, hinter Wiesbaden, die ersten Weinberge. Der Mäuseturm. Die Lorelei, eine Wand aus Stein vor dem Autofenster. Die Insel bei Bacharach, auf der Wim Wenders, Jahre später, eine Szene von "Im Lauf der Zeit" drehte. Das Deutsche Eck, noch ohne Reiterfigur, im nüchternen Glanz der Nachkriegszeit. Wie kommt es, dass man das alles nicht in Farbe vor sich sieht, so, wie es war, sondern in Schwarzweiß? Natürlich, die Kleider waren blasser, die Häuser grauer als heute, aber das ist es nicht. Die Erinnerung selbst treibt die Farben aus den Bildern. Sie denkt in Formen, sie ist eine Erzählerin, keine Malerin. Und genau so hat August Sander vor achtzig Jahren den Rhein fotografiert: mit dem Blick auf das, was die Landschaft erzählt. Die Schleifen des Flusses, die Schiffe, die Hänge des Siebengebirges, sie fügen sich zu einer Geschichte der Natur und des Menschen. Als er die ersten Fotos machte, 1926, arbeitete Sander noch an seinem Lebenswerk "Menschen des XX. Jahrhunderts". Als die letzte Aufnahme entstand, zwanzig Jahre später, waren die Nazis, die dafür gesorgt hatten, dass sein Projekt Stückwerk blieb, schon wieder verschwunden. In den Bildern aber sieht man davon nichts, sie erzählen ihre eigene Geschichte. In den Farben der Kindheit, schwarz und weiß.

Andreas Kilb

August Sander: "Rheinlandschaften". Schirmer und Mosel, 140 Seiten, 49,80 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr