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Im Rahmen der Großen Brandenburger Ausgabe legt der Aufbau-Verlag jetzt seine Frühen Erzählungen vor. Liebesleidenschaft und Verführung beherrschen hier die Menschen, stürzen sie in den Untergang oder die Entsagung. Die fünf Erzählungen werden ergänzt durch einen aufschlussreichen Kommentar von Tobias Witt, der sie in den zeitgenössischen Kontext einordnet.

Produktbeschreibung
Im Rahmen der Großen Brandenburger Ausgabe legt der Aufbau-Verlag jetzt seine Frühen Erzählungen vor. Liebesleidenschaft und Verführung beherrschen hier die Menschen, stürzen sie in den Untergang oder die Entsagung. Die fünf Erzählungen werden ergänzt durch einen aufschlussreichen Kommentar von Tobias Witt, der sie in den zeitgenössischen Kontext einordnet.
Autorenporträt
Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 im märkischen Neuruppin geboren. Nach vierjähriger Lehre arbeitete er in verschiedenen Städten als Apothekergehilfe und erwarb 1847 die Zulassung als »Apotheker erster Klasse«. 1849 gab er den Beruf auf, etablierte sich als Journalist und freier Schriftsteller und heiratete 1850 Emilie Rouanet-Kummer. 1855 bis Anfang 1858 hielt er sich in London auf, u. a. als »Presseagent« des preußischen Gesandten. Zwischen 1862 und 1882 kamen die »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« heraus. Neben seiner umfangreichen Tätigkeit als Kriegsberichterstatter und Reiseschriftsteller war Fontane zwei Jahrzehnte Theaterkritiker der »Vossischen Zeitung«. In seinem 60. Lebensjahr trat er als Romancier an die Öffentlichkeit. Dem ersten Roman »Vor dem Sturm« (1878) folgten in kurzen Abständen seine berühmt gewordenen Romane und Erzählungen sowie die beiden Erinnerungsbücher »Meine Kinderjahre« und »Von Zwanzig bis Dreißig«. Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2002

Lichtmeteor in finstrer Nacht
Überaus exaltiert und sentimental: Fontanes frühe Erzählungen

Fontane selbst hat in hohem Alter die Schlüsselszene festgehalten: Wie er im Dezember 1839 als Zwanzigjähriger nach glücklich bestandener Apothekergehilfenprüfung beschwingt in die d'Heureusesche Konditorei eintritt, sich den "Berliner Figaro" vornimmt, mit der "Vorahnung eines großen Ereignisses" zögert, das Journal aufzuschlagen, und als er es dann doch tut, seine erste gedruckte Novelle entdeckt. Ja, "Geschwisterliebe" war, anders als sich Fontane später erinnert, tatsächlich der erste gedruckte Text von ihm überhaupt, sein Debüt. Später hat er, wie von fast allem Frühen, nichts mehr davon wissen wollen. Erst Helmuth Nürnberger hat alles wieder ans Licht gezogen und es 1967 in seiner bahnbrechenden Studie "Der frühe Fontane" gewürdigt. Was sich an erzählerischen Arbeiten erhalten hat, fünf kleine Stücke, ist nun erstmals als separater Band erschienen: im Staatskleid der "Großen Brandenburger Ausgabe" von Fontanes Werken.

Dort nimmt es sich etwas wunderlich aus: 120 Seiten Text, von hundert Seiten wissenschaftlichem Apparat sekundiert - hochernste Mitteilungen zur Stoffgeschichte, zur Entstehung, zur Wirkung (keine!), zur Überlieferung, mit Interpretation und, ja doch, Variantenverzeichnis. So stehen sie also da, diese fünf Versuche, und es schlackert ihnen doch ganz schön um die mageren Glieder, das prächtige Gewand der kritischen Ausgabe. Aber einerlei: Es ist eben doch Fontane, und da will man schon wissen, ob sich nicht doch schon irgendwo die Pranke des Löwen zeigt.

Nehmen wir das Debüt, "Geschwisterliebe": Clara pflegt ihren blinden Bruder Robert und ist ihm in inniger Liebe verbunden, bis der Prediger Eisenhart auftaucht, der in der jungen Frau das erweckt, was ihr im Verhältnis zum Bruder bei aller Liebe denn doch verwehrt ist. Als Robert von dieser Neigung erfährt, bricht er zusammen und verflucht die Schwester. Clara ereilt die Strafe für das "Unrecht", so nennt sie's, das sie ihrem Bruder angetan zu haben glaubt: Sie stirbt im Wochenbett, nicht ohne den Bruder vorher um Verzeihung anzuflehen. An Claras Grab finden Robert und der Prediger zueinander, im Gram vereint, und sterben einst, vom Kummer verzehrt, am selben Tag - das ganze Werklein ist grauenhafter Kitsch, hohl und falsch vom ersten bis zum letzen Wort.

Auch die freundlichen Worte des tüchtigen Herausgebers können diesen Text nicht retten: Die Erzählung "Geschwisterliebe" ist "ganz auf der Höhe der Zeit und hat auf ihre Art Anteil am Wandel der literarischen Anthropologie zwischen Goethezeit und Realismus". Da hilft zur Entgegnung nur ein Zitat aus dem Text wie etwa dieses: "Der heftige Schmerz, welcher die Herzen der beiden Freunde zerfleischte, ward an dem Grabe zu einer lieben, stillen Wehmut, mit welcher sich ihrer gleichzeitig eine allgewaltige Sehnsucht zu der Geliebten hin bemächtigte, die wie ein Lichtmeteor die Nacht ihres Lebens erleuchtet hatte, aber allzufrüh verschwindend, denen, die sich an dem Himmelsglanze erfreuen durften, die Finsterniß noch unerträglicher machte."

Helmuth Nürnberger hatte schon recht, als er von "überaus exaltierten und sentimentalen Szenen" sprach, "deren äußerste Unwahrscheinlichkeit nur noch durch unfreiwillige Komik übertroffen wird". Dennoch: Man versteht den Stolz, der noch in den Erinnerungen des Achtzigjährigen nachklingt: das erste Mal gedruckt, "zum Novellisten erhoben"! Und welch eine Energie- und Lebensleistung Fontanes, in nie endender Selbstvervollkommnung dem Gesetz, wonach er eingetreten, zu folgen, Text um Text zu schreiben, einzuschicken, zurückzubekommen, bis sich zeigte, was er eigentlich konnte! Denn fünf Jahre später sieht es schon deutlich anders aus: "Zwei Post-Stationen", eine kleine Reiseskizze, wohl 1845 an Cottas "Morgenblatt" eingesandt, dort nie veröffentlicht und erst 1991 publiziert - die satirische Schilderung einer Fahrt mit der Postkutsche, als deren Tage gezählt waren, denn das Eisenbahnzeitalter hatte begonnen. Der junge Fontane läßt kein gutes Haar an der alten Beförderungsmethode. Noch immer ist vieles aus zweiter Hand, sind da zu viele bloß witzig gemeinte Bildungszitate; aber doch auch schon eine geschmeidige Mischung von Spott, Reflexion, Realitätspartikeln und Dialogfetzen bis hin zur sicher gesetzten Schlußpointe. Welch Fortschritt gegenüber dem Erstling!

Wieder vergehen acht lange Jahre. Dann steuert Fontane 1853 für das belletristische Jahrbuch "Argo" seiner Berliner Literatengruppe drei Erzählungen bei. Die kurze Philemon-und-Baucis-Adaption "Goldene Hochzeit" ist unerheblich. Mehr Gewicht hat "James Monmouth", eine Frucht seiner England-Begeisterung und stimmungsmäßig ein Ableger der Fontaneschen Balladendichtung. Der Stoff stammt aus dem englischen Bürgerkrieg. Wenn Fontane hier den mißglückten Umsturzversuch des Sohns von Karl II. gegen seinen Onkel, Jakob II., schildert, klingt darin auch das Scheitern der 48er Revolution an, manch bitterer Kommentar über die Urteilslosigkeit des Volkes mag daher rühren. In der dritten Novelle schließlich traktiert Fontane das Thema der verbotenen Liebe, von illegitimem Genuß und strenger Tugend. Offiziere vor der Schlacht, Männergespräche; das Recht auf die erste Attacke am nächsten Tag erhält der Sieger im Erzählerwettstreit: Was ist größer, der Sieg über eine schöne Frau und das Naschen verbotener Früchte oder der Sieg über sich selbst und Verzicht? Zwei Offiziere, zwei Geschichten. Sieger wird der Frauenheld - und fällt im ersten Angriff. Das ist ein hübscher Trick des Autors, um sein Urteil auszudrücken, wie er hier überhaupt knapp und routiniert erzählt und nur noch selten in die Kitschfalle stolpert. Das Thema von "Irrungen, Wirrungen" und "Schach von Wuthenow" ist da, aber was noch fehlt, ist seine Einbettung in das perspektivenreiche Geflecht gesellschaftlich konturierter Lebenswirklichkeit. Fünfundzwanzig Jahre werden vergehen, viele tausend Seiten der "Wanderungen", der Kriegsbücher, der Kritiken. 1878 erscheint "Vor dem Sturm". Das ist der Erzähler Fontane. Diese fünf Etüden ändern an seinem Bilde nichts. Die Pranke des Löwen? Die bleibt noch hübsch versteckt. Was sich zeigt, sind Katzenpfötchen, allenfalls.

MATTHIAS RICHTER

Theodor Fontane: "Frühe Erzählungen". Große Brandenburger Ausgabe, Band 18. Herausgegeben von Tobias Witt. Aufbau Verlag, Berlin 2002. 220 S., geb., 20,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Matthias Richter hält bei allem Respekt für den späteren Meister der kunstvollen Erzählung mit seinem Urteil nicht hinterm Berg: Fontanes früheste Ergüsse seien "überaus exaltiert und sentimental", also nicht gerade das, was man von dem berühmten Dichter kenne und erwarten würde. Aber die fünf erstmals außerhalb der Gesammelten Werke separat erscheinenden Geschichten stellen ja auch buchstäblich den Anfang von Fontanes poetischer Entwicklung dar: "Geschwisterliebe" war gar der allererste Text von Fontane, der abgedruckt wurde! Im Laufe der fünf Geschichten lässt sich Richter zufolge deutlich ablesen, wie der Schriftsteller allmählich den zunächst kitschigen Stil zugunsten seines später charakteristischen Duktus ablegte. Dennoch wirke es schlicht überzogen, dem 120-seitigen Text einen fast ebenso starken wissenschaftlichen Apparat mit Informationen zur Stoffgeschichte, Entstehung, Überlieferung, Interpretation und ein Variantenverzeichnis beizufügen. Und: Der Debüttext beispielsweise sei "grauenhafter Kitsch, hohl und falsch vom ersten bis zum letzten Wort". Da seien milde, Rettung bezweckende Worte des Herausgebers völlig unangebracht und illusorisch.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Mittlerweile macht Fontane süchtig, beinahe. So hat er jetzt eine treue und noch wachsende Gemeinde. Er ist ein Unterhaltungsschriftsteller geblieben und ein Klassiker geworden. Welch ein ungewöhnlicher Triumph für einen Autor, dem man einst das Leichte verübelt, das Anmutige vorgeworfen und das Charmante verargt hat!« Frankfurter Allgemeine Zeitung 20031101