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Die gegenwärtigen Kulturwissenschaften bilden eine ausgeprägte Theorie- und Forschungslandschaft. Ihre Dynamik entspringt vor allem dem Spannungsfeld wechselnder «cultural turns» quer durch die Disziplinen:- interpretive turn- performative turn,- reflexive turn/literary turn,- postcolonial turn,- translational turn,- spatial turn,- iconic turn.Der Band stellt diese «Wenden» in ihren systematischen Fragestellungen, Erkenntnisumbrüchen sowie Wechselbeziehungen vor und zeigt ihre Anwendung in konkreten Forschungsfeldern. Damit wird eine «Kartierung» der neueren Kulturwissenschaften geleistet und…mehr

Produktbeschreibung
Die gegenwärtigen Kulturwissenschaften bilden eine ausgeprägte Theorie- und Forschungslandschaft. Ihre Dynamik entspringt vor allem dem Spannungsfeld wechselnder «cultural turns» quer durch die Disziplinen:- interpretive turn- performative turn,- reflexive turn/literary turn,- postcolonial turn,- translational turn,- spatial turn,- iconic turn.Der Band stellt diese «Wenden» in ihren systematischen Fragestellungen, Erkenntnisumbrüchen sowie Wechselbeziehungen vor und zeigt ihre Anwendung in konkreten Forschungsfeldern. Damit wird eine «Kartierung» der neueren Kulturwissenschaften geleistet und zugleich ein umfassender Überblick über ihre Entwicklungen und Ausrichtungen geboten - mit einer Fülle verarbeiteter internationaler Forschungsliteratur.
Autorenporträt
Doris Bachmann-Medick, Dr. phil., Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Permanent Senior Research Fellow am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) an der Universität Gießen. Studium der Germanistik, Geographie, Kunstgeschichte und Philosophie. Gastprofessuren an der University of Cincinnati; University of California, Irvine; University of California, Los Angeles; University of Michigan, Ann Arbor; Lehraufträge an der Universität Göttingen, Universität Potsdam, Viatrina Frankfurt (Oder), Freien Universität Berlin, Universität Zürich. 2005/06 Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2006

Keine Wende ohne Migrationshintergrund
Immer die Identität behalten: Doris Bachmann-Medicks empfehlenswerte Einführung in die Theorien der Kulturwissenschaften

In den Vereinigten Staaten gilt die klassische Ethnologie als Bevormundung anderer Kulturen durch die Weißen. Mit den "Cultural Studies" kam die Wende. Wo aber stehen die Kulturwissenschaften hierzulande?

In einigen unserer Universitäten wird heute ein Fach gelehrt, das sich als Kulturwissenschaft bezeichnet und sich an den in den Vereinigten Staaten in den letzten beiden Jahrzehnten populär gewordenen "Cultural Studies" orientiert. Mit dem, was man bei uns unter Kulturwissenschaften versteht, haben die amerikanischen "Cultural Studies" nicht viel zu tun. Ihr Erfolg läßt sich nur vor der ethnischen Heterogenität der amerikanischen Gesellschaft verstehen.

Aus der Distanz betrachtet, stellen die "Cultural Studies" eine Integrationswissenschaft dar, die den Angehörigen der Minderheiten die Möglichkeit gibt, ihre Interessen zu artikulieren und sich mit den Kulturen ihrer Herkunftsländer zu beschäftigen. Die klassische "Cultural Anthropology" oder Ethnologie ist hierüber in den Vereinigten Staaten ins Hintertreffen geraten. Ihr Anspruch, der weißen Mehrheitsbevölkerung die Lebensformen nichtwestlicher Kulturen näherzubringen, wird von den intellektuellen Wortführern dieser Kulturen heute als ein Akt der Bevormundung angesehen.

Ausgelöst worden war diese Debatte durch Edward Saids Orientalismus-Studie, das Manifest des Postkolonialismus, die ihren in Palästina geborenen und in den Vereinigten Staaten aufgewachsenen Autor zu einem der Gründungsväter der "Cultural Studies" werden ließ. Seine Angriffe führten zu einer Wende in der Ethnologie, die als Repräsentationskrise in die neuere Geschichte des Faches Eingang fand.

Saids Vorwürfe wären nicht auf fruchtbaren Boden gefallen, hätte es nicht in den siebziger Jahren in der Ethnologie eine Abkehr von den naturwissenschaftlich inspirierten Modellen funktionalistischer, neoevolutionistischer und kulturmaterialistischer Prägung gegeben. Diese wissenschaftliche Kehre war wesentlich mit den Namen von Clifford Geertz und Victor Turner verbunden.

Geertz' Metapher von "Kultur als Text" und sein Konzept der "dichten Beschreibung" versprachen neue Sichtweisen. Dankbar wurden sie von den Nachbarwissenschaften, insbesondere der Literaturwissenschaft und der Geschichtswissenschaft, aufgegriffen, welche die entstehenden "Cultural Studies" beeinflußten. Der britische Ethnologe Victor Turner, der seit 1963 in den Vereinigten Staaten lehrte, nahm Anregungen aus der zeitgenössischen Aktions- und Happeningkunst auf, die er auf seine Ritualtheorie und auf philosophische Handlungstheorien bezog, um mit den Begriffen Performanz und Performativität kulturwissenschaftliche Konzepte aus der Taufe zu heben. Von der Theaterwissenschaft gefeiert, blieb Turners performative Wende im eigenen Fach von geringerer Resonanz.

Geertz' Ansatz wurde von zahlreichen jüngeren Ethnologen aufgegriffen, die sich aber bald wieder von ihm abwandten. Unter dem Eindruck von Saids radikalerer Position versuchten sie, die politischen Verhältnisse zu analysieren, die der Konstitution ethnographischer Texte zugrunde liegen, und deren Strategien und rhetorische Mittel aufzudecken. Im Licht der Writing-Culture-Debatte der achtziger Jahre erschien Geertz nur als eine jener klassischen ethnographischen Autoritäten, die den Dialog mit den Untersuchten verweigerten.

Durch diese Kritik bereiteten George Marcus, James Clifford, Steven Tylor und Vincent Crapanzano dem Aufstieg der Cultural Studies erst das Feld. Es kam zum "postcolonial turn". Die Literaturwissenschaft löste die Ethnologie als Leitwissenschaft ab. Edward Said, Homi Bhabha und Gayatri Spivak wurden zum "Dreigestirn" der postkolonialen Bewegung. Sie erhoben einen politischen Anspruch, den sie durch ihre Herkunft aus nichtwestlichen Kulturen legitimierten. An die Stelle der Repräsentation durch andere tritt die Repräsentation der marginalisierten Gruppen durch ihre eigenen Wortführer. Ethnizität, Rasse und Geschlecht werden zu den bevorzugten Forschungsfeldern, Identität, Hybridität und "Dritter Raum" zu den zentralen Begriffen.

Doris Bachmann-Medicks Buch gibt eine hervorragende Einführung in die kulturwissenschaftlichen Debatten der letzten dreißig Jahre. Sie zeigt insbesondere, wie die "cultural turns" die Entwicklung vorantrieben. Diese "wissenschaftlichen Wenden" dürfe man nicht mit Paradigmen im Sinn der Kuhnschen Wissenschaftstheorie verwechseln. Sie bezeichneten weniger grundsätzliche Kehren als vielmehr einen Wechsel der Blickrichtung, der zu erheblichen Konsequenzen führte und neue Perspektiven auch in den benachbarten Fächern öffnete. Falsch wäre es, hinter den wechselnden Fokussierungen auf neue Forschungsfelder ein Fortschreiten der Kulturwissenschaften erkennen zu wollen. Vielmehr hätten sich die einzelnen "turns" oft gleichzeitig entwickelt und überlappten sich bis heute auch gegenseitig.

Wenn es sich bei den beschriebenen Vorgängen also weder um die Ersetzung von älteren Paradigmen noch um wirkliche Kehren handelt, stellt sich die Frage, ob wir es mit wissenschaftlichen Moden zu tun haben. Ganz kann man sich dieses Eindrucks nicht erwehren, wenn man verfolgt, in welcher Windeseile auch nach der großen postkolonialen Wende immer wieder neue "cultural turns" propagiert worden sind. "Turn" - dieser von der Verfasserin verwendete und etwas befremdliche Anglizismus wäre insofern angemessen.

Da ist etwa der "translational turn", der sich mit den Transfer- und Austauschprozessen zwischen den Kulturen befaßt und Huntingtons These vom "Kampf der Kulturen" ein Gegenkonzept entgegenzustellen versucht. Eine Abkehr von der den wissenschaftlichen Diskurs lange beherrschenden Kategorie der Zeit leitete der "spatial turn" ein, der den Raum und räumliche Übertragungsprozesse als zentrale Kategorien entdeckt. Die jüngste Wende ist der "iconic turn", der sich der Macht der Bilder widmet. Aus der Kunstgeschichte hervorgegangen, erstreckt er sich heute nicht nur auf die modernen medialen Vermittlungsformen, sondern auf den Bereich visueller Wahrnehmungen. Weitere "turns" ständen uns bevor, droht die Verfasserin im Schlußwort an, ein "mnemonic", ein "medial", ein "ethical", ein "historic" und ein "social turn".

Liest man die Fußnoten und Literaturverweise zu den Kapiteln, dann fällt auf, daß sich die Aufsätze deutscher Kulturwissenschaftler zu den einzelnen "Wenden" vor allem auf deren Darstellung und Rezeption beziehen. Zwar gibt es Ausnahmen. Zu ihnen zählen zum Beispiel der Historiker Karl Schlögel mit seinen Studien zu historischen Räumen oder die Kunsthistoriker Gottfried Böhm, Hans Belting und Horst Bredekamp, die zur ikonographischen Wende Wesentliches beigetragen haben. Ansonsten aber ist die Ausrichtung eher einseitig. Man liest bei uns, was aus den Vereinigten Staaten kommt, versucht, es auf die eigene Disziplin anzuwenden, und richtet ein eigenes Fach Kulturwissenschaft ein.

Gegen den Begriff Kulturwissenschaften im Plural als Sammelbezeichnung für die sich an einem gemeinsamen Konzept von Kultur ausrichtenden geisteswissenschaftlichen Disziplinen wäre nichts einzuwenden. Eine sich am Vorbild der angelsächsischen "Cultural Studies" orientierende Kulturwissenschaft kann dagegen nur ein modischer Abklatsch sein.

Seine Daseinsberechtigung bezieht dieses Fach in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und England aus dem tiefgreifenden sozialen Wandel, der sich in diesen Ländern aus dem Zustrom von Migrantengruppen aus nichtwestlichen Kulturen ergeben hat. In der Buntscheckigkeit und Vielfältigkeit ihrer Ansätze erlauben die "Cultural Studies" ihren intellektuellen Wortführern, sich an den Debatten einer angelsächsisch geprägten akademischen Kultur zu beteiligen, ohne dafür ihre eigene kulturelle Identität aufgeben zu müssen.

In Deutschland sehen die Verhältnisse anders aus. Der Integrationswillen ist auf beiden Seiten geringer. Eine einflußreiche Schicht von Intellektuellen mit Migrationshintergrund hat sich nicht herausgebildet. Solange dies nicht der Fall ist, wird bei uns an den "Cultural Studies" angelsächsischer Prägung kein Bedarf bestehen. Die von ihnen ausgehenden Anregungen sind in den bestehenden Kulturwissenschaften bestens aufgehoben. Auch das zeigt Bachmann-Medick durch ihre überzeugende Studie.

KARL-HEINZ KOHL

Doris Bachmann-Medick: "Cultural Turns". Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Rowohlts Enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006. 410 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.08.2006

Der dröge Sound der Drittmittelprosa
Turnstunden und Betriebsamkeit: Doris Bachmann-Medick kartiert die Kulturwissenschaften
Spätestens seit der Ausrufung des „lingustic turn” in den sechziger Jahren gehört der Begriff des turn zur Selbstbeschreibung moderner Wissenschaften. Ein solches Siegel schafft Orientierung und bringt die unübersichtliche Wissensproduktion auf eine handliche Formel. Aber was genau ist eigentlich ein turn? Hat man selbst schon den einen oder anderen miterlebt? Woran erkennt man, dass gerade einer stattgefunden hat? Und was genau unterscheidet einen turn von anderen Figuren des Umbruchs: dem bloßen wissenschaftlichen Trend, der Heideggerschen „Kehre”, den wechselnden „Diskursen” oder gar jenen Umwälzungen ganzer Wissenslandschaften, die Thomas S. Kuhn als „Paradigmenwechsel” beschrieben hat?
Auf diese Fragen müsste die Studie von Doris Bachmann-Medick eine Antwort geben. Nachdem vor einigen Jahren die sehr lesenswerte „Orientierung Kulturwissenschaft” erschien, bringt derselbe Verlag nun Bachmann-Medicks „Neuorientierungen der Kulturwissenschaften” und stellt das Unternehmen unter die Obhut der Cultural turns.
Insgesamt sieben turns - von interpretative bis iconic turn - werden dingfest gemacht. Dabei will die Studie weder eine Geschichte der Kulturwissenschaften noch ein Aufriss kulturwissenschaftlicher Forschungsgebiete sein. Anstelle einer Orientierung an wechselnden Themen und Inhalten soll vielmehr die „Dynamik des Theoriewandels durch turns” Leitbild des Unternehmens sein. Ein solcher Theoriewandel liegt nach Bachmann-Medick einzig dann vor, wenn eine Forschungstendenz nicht nur neue Erkenntnisobjekte ins Spiel bringt, sondern auch einen Wechsel der Erkenntnismittel bewirkt. Außerdem muss ein turn grundsätzlich mehrere Fachdisziplinen in seinen Bann schlagen.
Unnötige Aufräumarbeiten
Diese methodische Wegweisung der Autorin reicht jedoch nicht aus, um sich im logischen Aufbau der Studie zurechtzufinden. Kuhns Konzept des „Paradigmenwechsels” gilt als zu „pompös”, wird in einer diffuseren Spielart dann aber doch wiederholt bemüht. Vor allem aber ist nicht nachzuvollziehen, was als ein vollwertiger turn zu gelten hat, was hingegen noch nicht und was bereits nicht mehr. Das sozial- und kulturwissenschaftliche Interesse an Fragen des Raums beispielsweise hat das Zeug zum eigenen spatial turn. Die zahlreichen Annäherungen von Kulturwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte der vergangenen Jahrzehnte hingegen nicht. Dementsprechend kommen sie nur am Rand dieser kulturwissenschaftlichen Generalkarte vor. Das Gebiet der gender studies wiederum soll nicht in einen einzelnen turn „abgeschoben” werden - eine Formulierung die recht sonderbar klingt in einem Buch, das die Einteilung in turns erklärtermaßen zur Grundstruktur erhoben hatte. Ebenso wenig überzeugt es, das Nachdenken über den konstruktiven Charakter des eigenen wissenschaftlichen Schreibens zu einem spezifischen reflexive turn der achtziger und neunziger Jahre zu erklären - als sei eine solche Selbstreflexion zuvor oder danach nicht anzutreffen gewesen.
Sieht man von der methodischen Einrüstung der Studie ab, lassen sich die einzelnen Kapitel durchaus als informative Überblicksdarstellungen lesen. Hier zeigt sich, dass die Lektüre dort am meisten lohnt, wo die Autorin ihre Maximen nicht befolgt hat und eine Darstellung kulturwissenschaftlicher Forschungsthemen bietet. Das Kapitel zum iconic turn lässt sich in diesem Sinne als eine kritische Einführung in die aktuelle Diskussion über Funktion und Bedeutung der Bilder lesen, zumal die Autorin in diesem Fall ihre sonstige Fokussierung auf kulturanthropologische und ethnologische Aspekte aufgibt. So lässt sich das Buch als eine gut informierte Einführung in zentrale Forschungsthemen und Ansätze der Kulturwissenschaften lesen. Die methodischen Aufräumarbeiten wären dazu nicht notwendig gewesen.
Endgültig verwirrend wird die Kartierung der Kulturwissenschaften, wenn im Abspann des Buchs noch ein weiteres Dutzend möglicher oder sich bereits abzeichnender turns erscheint und überdies noch die eigentümliche Gattung der „Bindestrich-turns” ins Leben gerufen wird. Bei aller Bemühung um Ordnung im Diskurs bleibt unklar, nach welchen Kriterien all diese Wenden und Wechsel entstehen, sich durchsetzen oder verschwinden. Einerseits sollen die turns sich überlappen, auseinander hervorgehen und nebeneinander existieren. Andererseits ist verdächtig oft von „Leitwissenschaften”, von „Durchsetzungskraft” und „Machtkampf” die Rede.
Dass in der Einleitung des Buches das ungemütliche Szenario einer möglichen „Selbstauflösung” der Kulturwissenschaften kurz gestreift wird, lässt eher auf ein unfreundliches Umfeld schließen. Vermutlich ist hier auch der Grund für die angestrengte Rhetorik der Studie zu suchen. Es gehe darum, den kulturwissenschaftlichen Diskurs „deutlich nach vorn gerichtet zu kartieren”, heißt es. Unter dem Druck akuter Mittelkürzungen kann offenbar keine Disziplin mehr von sich selbst sprechen, ohne ihre Betriebsamkeit unter Beweis zu stellen. Statt fröhlicher Wissenschaft vernimmt man hier freilich eher den drögen Sound der Drittmittelprosa. Unschöne Wortgebilde wie „Dialogisierung” oder „kritisches Re-Mapping” weisen vermutlich in dieselbe Richtung.
Desorientierung hilft
Wie sah eigentlich die Selbstbeschreibung einer Wissenschaft aus, die sich noch nicht als Hort der permanenten Innovation präsentieren musste? Goldene Zeiten gab es vermutlich nie. Zum Glück haben sich Heldenerzählungen oder Mythen vom unaufhaltsamen Fortschritt einzelner Wissenschaften kaum halten können. Ihre Ersetzung durch eine Rhetorik der Betriebsamkeit ist aber keine Alternative. So schaut man am Ende der Lektüre ein wenig besorgt in die Zukunft einer von turn zu turn purzelnden Wissenschaftlerschar. Desorientierung hilft. Vielleicht würde ein Streifzug in noch unaufgeräumtes Gelände für eine Überraschung sorgen.
PETER GEIMER
DORIS BACHMANN-MEDICK: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 352 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Inhaltlich findet Peter Geimer Doris Bachmann-Medicks Darstellung von sieben wichtigen "Turns" in den Kulturwissenschaften "gut informiert" und "informativ", und so könne man dieses Buch durchaus als eine Einführung in zentrale Ansätze der Kulturwissenschaften lesen. Doch zum Leidwesen des Rezensenten konzentriert sich die Autorin auf die "Dynamik des Theoriewandels" und schafft damit bei Geimer nur Verwirrung. Bachmann-Medicks Definition für einen "turn" befriedigt ihn nicht, er hätte manche "turns hinzugefügt, andere hingegen weggelassen. Besonders den von der Autorin postulierten "reflexive turn" der achtziger und neunziger Jahre findet er "wenig überzeugend". Ganz aus dem Tritt kommt er in dieser Hinsicht am Schluss, wenn die Autorin noch ein "weiteres Dutzend" potenzieller "turns" in Aussicht stellt. Grund für dieses Buch und seine "angestrengte Rhetorik" war wohl, spekuliert der Rezensent, die Lebendigkeit der von Kürzungen bedrohten Kulturwissenschaften zu betonen. Doch Geimer vernimmt statt Vitalität nur den "drögen Sound der Drittmittelprosa".

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