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Heute, da Vollbeschäftigung als Gipfel des gesellschaftlich Erstrebenswerten gilt, Umtriebigkeit und atemloses 'Am-Ball-Bleiben' auch nach der Arbeit angesagt sind, scheint jeder sich rechtfertigen zu müssen, der am Wochenende einfach nur Däumchen drehen möchte.Dabei galt Muße zu haben in der Antike als Ideal, und selbst das Mittelalter übte noch Nachsicht gegenüber dem antriebslosen Nichtstuer. Erst die Neuzeit brachte die entscheidende Wende: Fortschrittsglaube und Veränderungswille ließen ihn seine Unschuld verlieren, machten ihn zur parasitären Existenz.Seit einiger Zeit allerdings beginnt…mehr

Produktbeschreibung
Heute, da Vollbeschäftigung als Gipfel des gesellschaftlich Erstrebenswerten gilt, Umtriebigkeit und atemloses 'Am-Ball-Bleiben' auch nach der Arbeit angesagt sind, scheint jeder sich rechtfertigen zu müssen, der am Wochenende einfach nur Däumchen drehen möchte.Dabei galt Muße zu haben in der Antike als Ideal, und selbst das Mittelalter übte noch Nachsicht gegenüber dem antriebslosen Nichtstuer. Erst die Neuzeit brachte die entscheidende Wende: Fortschrittsglaube und Veränderungswille ließen ihn seine Unschuld verlieren, machten ihn zur parasitären Existenz.Seit einiger Zeit allerdings beginnt der Gedanke der Entschleunigung wieder an Akzeptanz zu gewinnen. Nicht nur die Oblomows der Literatur dürfen somit auf heimliche Sympathien hoffen, sondern auch derjenige, der sich der allgemeinen Geschäftigkeit verweigert.Und dennoch: Kaum je schien es angesichts allgegenwärtiger Freizeitangebote und digitaler Zerstreuungen so schwer wie heute, faul zu sein.Manfred Koch legt mit diesem Band eine unterhaltsame und kompakte Kulturgeschichte des Müßiggangs im Spiegel von mehr als zwei Jahrtausenden vor und führt seine Leser in die heikle Kunst der Faulheit ein.
Autorenporträt
Manfred Koch, Jahrgang 1955, lebt in dem Bergdorf Sent in Graubünden. Studium der Philosophie, Geschichte und Germanistik in Tübingen, wo er 1988 promovierte. 2007 wurde er an der Universität Gießen habilitiert. Er lehrt an der Universität Basel und schreibt regelmäßig für das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung und verfasst Rundfunk-Essays. Von ihm sind u. a. erschienen: »Genies und ihre Geheimnisse. 100 biographische Rätsel«, Bd. 1 und 2 (mit Angelika Overath und Silvia Overath), und »Brot und Spiele. Über die Religion des Sports« (2009). Bei zu Klampen veröffentlichte er »Faulheit. Eine schwierige Disziplin« (2012).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.06.2012

Jede Action wäre Stress
Nachhilfe für Hyperaktive: Manfred Kochs Essay „Faulheit“
Eine reiche Privatschule schreibt unter ihren Schülern jedes Jahr einen Aufsatz-Wettbewerb aus. Thema diesmal: Was ist Faulheit? Den Preis erhält ein eingereichtes Papier von drei Seiten Länge. Auf der ersten Seite steht: „Das“, auf der zweiten: „ist“ und auf der dritten: „Faulheit“. Und in der Tat ist schwer zu sehen, wie man, ohne an seinem Thema geradezu zum Verräter zu werden, mehr als dies sollte leisten wollen. Denn Bücher pflegen nun einmal Resultat bestürzenden Fleißes zu sein.
Ein reizvolles Thema stellt sie unbedingt dar, die Faulheit, und wenn man den Band von Manfred Koch aus der Reihe „Essay“ des zu Klampen-Verlags in die Hand nimmt, ist man gespannt, wie er an die Sache herangeht. Er tut es historisch-literarisch und spannt ein ungeheuer weites Panorama von Diogenes in der Tonne bis zur heutigen Ratgeberliteratur, die Faulheit wie ein Schulfach lehren will. Wer vom Menschen überhaupt spricht, der spricht von der Arbeit, und deren runde Gestalt wiederum erfordert es, dass man zumindest einen kursorischen Blick auch auf die unbesonnte Rückseite wirft. So defilieren bei Koch vorüber: das Buch Genesis mit Adam und Eva, die „Werke und Tage“ des ältesten europäischen Dichters Hesiod, Büchners philosophischer Vagabund Valerio, laut Selbstauskunft noch „Jungfrau in der Arbeit“, Gontscharows Romanheld Oblomow, der es einfach nicht aus dem Bett schafft, Alfred Brehm, der in seinem Tierleben dem Faultier wegen seines lethargischen Temperamentes grollt; Goethe, Kant, Rousseau, Schlegel, Nietzsche, Adorno, Thomas Mann, für Koch Autor des deutschen „Faulheitsromans“ schlechthin, des „Zauberbergs“, und mancher andere.
Sie alle haben in ihrem Werk der Faulheit den Wegzoll entrichtet. Koch bietet dies alles nicht nur auf elegante und unterhaltsame Weise dar, sondern erweitert es durch seine eigenen gedankenreichen Anmerkungen, etwa dass wir das vielbeschworene voraussetzungslose „Bürgergeld“ in unserer Gesellschaft faktisch längst haben, nur dass es, in Form von Hartz IV, den Empfängern durch den systematischen Faulheitsverdacht vergällt werde.
Wenn man sich von diesem enorm lesenswerten und anregenden Buch vielleicht noch etwas gewünscht hätte, dann eine gewisse thesenhafte Zuspitzung, etwas mehr eigentlich essayistischen Unternehmungsgeist. Woher kommt es beispielsweise, dass nur Menschen faul sind, Tiere aber nie? Die Antwort kann man dem Band, der das Lob der Faulheit immer als Zivilisationskritik begreift, durchaus entnehmen, wenn man seinen bunten Pfaden folgt; doch eigentlich ausgesprochen wird es nie, nämlich: Indem dass Tier gar nicht anders kann, als seien augenblicklichen Impulsen zu folgen, tut es alles, was es tut, und wäre es noch so anstrengend, gern; der Mensch besitzt das Privileg der planenden Vernunft und damit ein Zweierlei von aufgeschobenem Zweck und dem Mittel jetzt, das ihm sauer wird. Das wird wohl so auch in der befreiten Gesellschaft bleiben, die Ausbeutung und Entfremdung abgeschafft hat. Hier steckt der Kern des von Freud erkundeten Unbehagens in der Kultur.
Dankbar wäre der Leser auch, wenn Manfred Koch hier und dort einen Funken der eigenen Erfahrung hätte aufblitzen lassen. Wie ist es denn dem Autor selbst ergangen, wenn er mal faul war? War er schon mal in einem Wellness-Bad, wo der Spiegel des 28 Grad warmen Wassers völlig glatt mit der Lippe des Beckenrands abschließt, so dass selbst der Wechsel der Elemente schwellenlos zustande kommt? Was hat ihn beglückt, was bedrückt an einer Daseinsform, die keinerlei Aufwand mehr braucht? Das wüsste man gern, hier wäre ein bisschen Indiskretion durchaus am Platze gewesen.
BURKHARD MÜLLER
MANFRED KOCH: Faulheit. Eine schwierige Disziplin. Zu Klampen Verlag, Springe 2012, 157 S., 19,80 Euro.
Woher kommt es, dass
nur Menschen faul sind,
Tiere aber nie?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2012

Geh mir aus der Sonne, Aktivist!
Gepflegtes Nichtstun braucht Selbstdisziplin und kulturhistorische Winke: Manfred Koch erzählt die Geschichte der Faulheit, welche auch eine des Arbeitsethos ist

Ein Geist sei ihnen kaum zuzusprechen; es stehe zu erwarten, dass sie nie mehr als ein einziges Junges zur Welt bringen würden, da das eine den Müttern schon zu viel zu sein scheine. "Brehms Tierleben", das erstmals zwischen 1864 und 1869 erschienen ist, geht mitunter hart ins Gericht mit seinen Kreaturen; und wenn der Feldhamster als stumpf-hortender Widerling unangenehm in Erscheinung tritt, so trifft das "geistlose" Faultier der volle Furor seines entrüsteten Beobachters. Nach Manfred Koch, von dem jetzt ein lindgrünes schlankes Bändchen mit dem schlichten und charmant-paradoxen Titel "Faulheit - eine schwierige Disziplin" erschienen ist, erklärt sich diese Beschimpfungstirade gegenüber dem untätigen Getier aus dem Arbeitsethos des neunzehnten Jahrhunderts.

Bis zu dieser Verinnerlichung christlich geprägter Arbeitsmoral und der mit ihr einhergehenden Abwertung dessen, was man als Faulheit zu bezeichnen gewohnt ist, war es jedoch ein langer Weg. Wie daraus wiederum unsere heutige medial vielbeschworene, dadurch aber nicht weniger beunruhigende Besprechungsgesellschaft der digitalen Dauerverfügbarkeit, der Meetings und arbeitsplatzintegrierten Entspannungsräume entstanden ist und welche Rolle "Faulheit" in ihr spielt, erfährt man von Koch nicht. Dafür manövriert er seine aufschlussreiche Kulturgeschichte auch elegant um Floskeln der drohenden Beschleunigung, des "immer schneller" und des "immer mehr" herum.

Koch steigt mitreißend mit Alexander dem Großen als einem der berühmtesten aller "aktivistischen Zeitgenossen" und seinem Gegenspieler, dem tonnenschläfrigen Diogenes, ein. Dieser dämmerte vor sich hin - sein performatives Verzichtsphilosophieren jedoch, das macht Koch sehr anschaulich, erfordert ein recht hohes Maß an lebensorganisatorischer Selbstdisziplin. Es folgt eine interessante Bibelexegese, die uns die Widersprüchlichkeiten der verschiedenen Genesisgeschichten näherbringt: Hat Gott den Menschen nun geschaffen, dass er die Erde bebaue und beherrsche, oder ist das Arbeitenmüssen eine Last, die wir uns mit dem Apfelverzehr eingehandelt haben?

Die Arbeit als im besten Falle gelassen hinzunehmende Bürde, die sich die Menschheit eingehandelt hat, zieht sich motivisch durch Mythen und Religion: Sei es, dass wir vom Goldenen ins Eiserne Zeitalter abgestiegen sind (Hesiod), sei es, dass Pandora ihre verdammte Büchse öffnete - das sich Abrackernmüssen auf dem Felde kann nicht naturgegeben sein. Dass häufig Frauen die Übelbringerinnen der Unmuße sind, erwähnt Koch, aber ohne es zu analysieren.

Auch fehlt eine etymologische Herleitung des Wortes "Faulheit". Das Wort "ful" findet sich schon im Althochdeutschen und kommt von einem Stamm, der "verfault" bedeutet hat. Dass es so mit der Wurzel "fu" verwandt ist, die als Substantiv in vielen germanischen Sprachen das weibliche Geschlechtsorgan (man denke etwa an "Hundsfott") bezeichnet hat, ist erwähnenswert. Zumal es somit auch zur Bezeichnung für Übelriechendes und Eitriges geworden und der Ausspruch, jemand sei "stinkfaul", eigentlich ein Pleonasmus ist.

Nennt man heute jemanden faul, so meint man, er sei arbeitsunwillig, träge, vermeide jeden unnötigen Aufwand. Die acedia aber, eine der sieben Todsünden im Mittelalter, war nicht die Verweigerung irdischer Anstrengung, sondern "die Trägheit der Seele, die sich nicht zu Gott erheben will." Die positive Umbesetzung der Arbeit und die bisweilen totale Identifikation mit ihr entstand erst mit dem aufkommenden Kapitalismus - und aus ihr der Diskurs, innerhalb dessen Menschen, die von der Vorstellung des durch Tüchtigkeit erfüllten Lebens abwichen, als "faul" im heutigen Sinne empfunden werden. Die Saat des Arbeitsethos, die Vorstellung, Arbeit sei als Strafe klaglos hinzunehmen, ist zwar eine christliche - fruchtbar wird sie erst in der frühen Neuzeit.

Eine Kulturgeschichte der Faulheit ist zwangsläufig eine des Arbeitsethos. Dadurch fällt der Inhalt des Buches ein wenig ab gegen das wohlig-sündige Mußeflair, das sein Titel verspricht. Sehr nett und lehrreich ist es jedoch, von Koch durch die Utopien der Arbeitslosigkeit geführt zu werden, vom Garten Eden durch die Buchweizenbreie der Schlaraffenland-Erzählungen, von Vergils mäßig arbeitenden, musischen Arkadiern über Rousseaus Zivilisationskritik bis hin zu modernen Yoga-Eskapismen.

Koch erzählt die Geschichte des begrenzt schönen Lasters der Faulheit locker, plaudernd und mit großer Souveränität. Der grüne Umschlag und das kleine Format des Büchleins geben einem das Gefühl, in einem Spruchbändchen zu blättern. "Faulheit - eine schwierige Disziplin" empfiehlt sich als Ferienlektüre, die verkrustetes Wissen auffrischt und vielleicht auch hier und da unbekanntere Wendungen und Widersprüchlichkeiten der Kulturgeschichte zutage fördert.

HANNAH LÜHMANN

Manfred Koch: "Faulheit". Eine schwierige Disziplin.

Hrsg. von Anne Hamilton. Zu Klampen Verlag, Springe 2012. 155 S., geb., 19,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ganz und gar nicht faul war Manfred Koch beim Abfassen dieses Essays über das "reizvolle Thema" Faulheit, bemerkt Burkhard Müller, der sich gerne vom Autor auf einen Ritt durch die abendländische Geistesgeschichte hat mitnehmen lassen, in der man von der Genesis bis zu Thomas Mann allerhand über Faulheit erfahre. Umso schöner findet es der Rezensent, dass Koch das Material "elegant und unterhaltsam" vorstelle und mit "gedankenreichen Anmerkungen" aufbereite, denen der Bogenschlag von den alten Klassikern zu aktuellen Reizthemen wie Grundeinkommen und Hartz IV gelinge. Die Lektüre lohne also allemal, schreibt Müller, auch wenn er sich eine etwas persönlichere Note gewünscht hätte und manche essayistische Zuspitzung - etwa über das dem Menschen vorbehaltene Privileg der Faulheit gegenüber dem Tier - nicht dem Text selbst zu entnehmen ist, sondern den Schlussfolgerungen des Lesers überlassen bleibt.

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